Benutzerspezifische Werkzeuge
Sie sind hier: Startseite über uns SoFoDo-Publikationen Pressemitteilungen Angst vor zu vielen Nutzern

Angst vor zu vielen Nutzern

— abgelegt unter:

Unsere Stellungnahme zu neuen Sozialticket-Plänen

Offenkundig haben es DGB und Sozialticket-Initiativen geschafft, doch wieder ein bisschen Bewegung in die Debatte um die (verbundweite) Einführung eines Sozialtickets zu bringen. Ursprünglich war die Einführung bereits zum 1. August 2010 versprochen, wurde dann aber immer wieder verschoben - angeblich, weil man die Finanzierung nicht hinbekomme. So werden seit 1 1/2 Jahren in der VRR-Verwaltung nur Zahlen hin- und hergeschoben. Während viele unserer Mitbürger/innen nicht wissen, wie sie das Geld für benötigte Fahrkarten zusammenkratzen sollen.

Viele waren darüber verärgert und fühlten sich vom VRR genau so verschaukelt wie zuvor (Ende 2009/Anfang 2010) vom Rat der Stadt Dortmund.

Der Versuch, in Anlehnung an das sog. Hannoveraner Modell irgendeine Minilösung zu entwickeln, ist gottlob vom Tisch. Jetzt wird, wenn man dem Bericht der WAZ am Wochenende trauen darf, offensichtlich doch wieder über ein rabattiertes Monatsticket für einkommensschwache Personen diskutiert. So weit, so gut.

Das Problem: CDU und auch die SPD im VRR haben offenkundig Angst, dass ZU VIELE Menschen das neue Angebot nutzen könnten, und bestehen deshalb auf einem Preis irgendwo bei 30 € im Monat. 30 Euro ist vielleicht annehmbar für sog. Vielfahrer, die täglich ihren 1-€-Job oder z.B. einen pflegebedürftigen Angehörigen erreichen müssen und sich deshalb schweren Herzens für den Erwerb einer teuren (regulären) Monatskarte entschieden haben. Für die übrigen - und die stellen den Großteil der Berechtigten - sind 30 Euro jedoch uninteressant, weil schlicht zu viel.

Heiko Holtgrave (Sozialforum) dazu: "Solange Menschen - bedingt durch Niedriglohn, Erwerbslosigkeit oder zu knappe Renten - unter oder an der Armutsgrenze leben müssen, erwarten wir, dass auch ein vom VRR aufgelegtes Sozialticket nicht hinter den Standards zurückbleibt, die wir schon mal in Dortmund hatten. Es muss ein verbilligtes Monatsticket sein, und zwar mindestens der Preisstufe A, das rund um die Uhr nutzbar ist und nicht mehr kostet als 15 € im Monat." Und er fügt hinzu, dass mehr ja schließlich auch im Regelsatz nicht für die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel enthalten sei.

Weil der Preis unrealistisch hoch ist, bestehe durchaus die Gefahr, dass das Angebot am Ende ein Flop würde. Wie beim "Un-Sozialticket" in Dortmund. Und damit wäre den Betroffenen erst recht nicht geholfen.

Deshalb drängt das Sozialforum und andere auf Nachbesserungen. Sie haben eine Stellungnahme verfasst, die heute an den VRR und die Fraktionen im Dortmunder Rat verschickt wurde.

Wolfgang Richter (Linkes Bündnis): "Keiner behauptet, dass ein Sozialticket, das diesen Namen auch verdient, ohne öffentliche Zuschüsse machbar wäre. Aber Mobilität gehört zu den Grundbedürfnissen des Menschen und ist alles andere als ein Luxusartikel. Insofern ist die Sturheit mancher kommunaler Verkehrsunternehmen und Funktionäre wirklich unerträglich."

Mit freundlichen Grüßen
für die Unterzeichner der Stellungnahme
Heiko Holtgrave, Akoplan

 

Angesichts der Pressemeldungen über neue Pläne für ein VRR-Sozialticket (WAZ vom letzten Wochenende) erklären die Unterzeichnenden:

  1. Für uns geht kein Weg an einem Monatsticket vorbei, das maximal 15 Euro kostet uns sich damit an dem in den Regelsätzen zur Sicherung des Existenzminimums enthaltenen Anteil zur Herstellung von Mobilität orientiert. Als Bündnis werden wir keine Ruhe geben, bis ein solches Ticket, wie es in Dortmund bereits schon einmal bestand, erneut eingeführt wird.
  2. Wir haben in Dortmund erlebt, dass die Zahl der Sozialticket-Abonnenten mit der Preiserhöhung am 1.2.2010 von 15 auf 30 Euro massiv einbrach: von 24.000 auf unter 8.000 Abos. Der erste Preis war ganz offenkundig passend, der zweite nicht. Es ist bedauerlich, dass die politischen Fraktionen im VRR (noch) nicht bereit sind, daraus die richtigen Lehren zu ziehen.
  3. Das in der WAZ geschilderte neue Konzept bietet nur Vielfahrern/-innen unter den Berechtigten eine Entlastung, ab einer Fahrtenzahl von 15 Fahrten im Monat aufwärts. Das bedeutet, dass vorzugsweise Inhaber/-innen regulärer Monatskarten zu dieser neuen Monatskarte wechseln würden.
  4. Für die übrigen berechtigten Bürgerinnen und Bürger ist das Angebot uninteressant. Es wird somit – anders als in Dortmund während des 2-jährigen „Pilotversuchs“ - auch keine nennenswerten Neuverkehre verursachen, dafür ist der Preis zu hoch.
  5. Obwohl als „Sozialticket“ bezeichnet, geht das Angebot nicht wirklich auf die prekäre Einkommenssituation von Hartz IV-Berechtigten und Geringverdienenden ein. Es kann deshalb keine grundlegende Verbesserung ihrer Mobilitätschancen bewirken. Langzeitarbeitslose, Erwerbsunfähige und Bezieher schmaler Renten bleiben, wenn es nicht zu einer deutlichen Nachbesserung der konzeptionellen Überlegungen kommt, weiterhin von der Nutzung des ÖPNV abgeschnitten.
  6. Daher fordern wir den Rat der Stadt Dortmund auf, spätestens zu Beginn des kommenden Jahres wieder ein echtes Sozialticket auf lokaler Ebene zu schaffen, wenn sich der VRR dazu außerstande sehen sollte, und dafür die notwendigen Haushaltsvoraussetzungen im Herbst zu beschließen. Damit soll der VRR nicht aus seiner Verantwortung entlassen werden - er soll sich vielmehr dem Sozialticket nach dem Dortmunder Vorbild der Jahre 2008/2009 anschließen und es weiter verbessern.


Dortmund, den 28. Juni 2011

unterzeichnet von
Sozialforum Dortmund
Arbeitslosenzentrum Dortmund
Linkes Bündnis Dortmund
Die Linke, KV Dortmund
Mieterverein Dortmund

 

Quelle: Pressemitteilung vom 28.06.2011

Artikelaktionen