Mit leeren Kassen ins Debakel



Deutschlands Straßennetz hat insgesamt eine Länge von 630.000 km (was für 16 Erdumrundungen reichen würde), und ist damit bereits das dichteste der Welt. Trotzdem sollen über die Transeuropäischen Netze (TEN) weitere Milliardenprojekte verwirklicht werden.



126 neue Straßenverbindungen stehen lediglich 11 neuen Eisenbahnverbindungen gegenüber. Damit ist TEN das größte Straßenbauvorhaben der Geschichte Europas geworden. Nach ersten Abschätzungen der Umweltauswirkungen werden die TEN zusätzliche CO2 -Emissionen von 15-18% verursachen. Bis zum Jahr 2000 wird somit ein Anstieg von 60% auf dem Verkehrssektor mehr als wahrscheinlich, was eindeutig die Klimaschutzziele der Konferenz von Rio verletzt.


Auch der Zustand der Finanzierung ist ähnlich skandalös: in Brüssel stehen für die Verkehrsprojekte 280 Mio. ECU zur Verfügung, was gerade der Höhe der Planungskosten für ein einziges Projekt entspricht. Der Gesamtumfang aller Verkehrsprojekte bis 2012 umfaßt 800 Mrd. DM, bis 1999 sind ganze 3,5 Mrd. DM von der EU vorgesehen. Da aus dem Bundeshaushalt keine Mittel zur Verfügung stehen, wären die Projekte damit unterfinanziert. Diesem Problem soll über die Mobilisierung von privatem Kapital (Privatbanken) abgeholfen werden, doch in den dafür eingerichteten Investitionsfonds zahlten bisher nur knapp 80, und zwar öffentliche (staatliche) Banken ein.

Dies sind aber nicht die einzigen Kritikpunkte. Fehlende Planungstransparenz, keine Einbeziehung reeller Alternativen und Analysen, eindeutige massive Umweltzerstörung mit nicht ausgleichbaren Schäden wären weitere. Befremdend ist auch, daß für die TEN klare ökologische Kriterien fehlen, die Umweltverträglichkeitsprüfungen isoliert von den anderen Projekten betrachtet wurden und im Leitbuch der EU kein Beitrag zum Umweltschutz enthalten ist.

TEN - Europakarte


Auch Thüringen ist direkt von dieser Planungs-Idiotie betroffen. Neben 4 weiteren (der Erweiterung der A9 und A4 auf 6 Spuren, dem Lückenschluß der A44 und dem Bau der Südharzautobahn) ist wohl das populärste - weil umstrittenste- Beispiel das Projekt der A71/A73 (in Verbindung mit der ICE-Trasse) - die Thüringer Wald-Autobahn. Daß UmweltschützerInnen und Betroffene dagegen protestieren, verwundert angesichts der offensichtlichen radikalen Eingriffe in die Natur nicht. Doch auch auf der Gegenseite gibt es scharfe Kritiken. So warnen z.B. bahninterne Insider (nur unter Pseudonym) vor einem drohenden Milliarden-Fiasko, weil die Rentabilität der Strecke mit einem Kosten-Nutzen-Faktor von 0,4 in keinster Weise gegeben ist.


Karte der geplanten A71/A73 Selbst die Bundesregierung mußte (April 94) aufgrund der Kostenexplosion ein Sinken des Faktors unter den vorgegebenen Schwellenwert von 3,0 eingestehen. Nun dürfte bei Verantwortlichen spätestens Unruhe entstehen: Am 29.9.96 fand im Bundestag eine Anhörung statt, bei der das Umweltbundesamt feststellte, daß „die Querung des Thüringer Waldes durch beide Trassen ökologisch unvertretbar sowie vermeidbar“ wäre.

Nun versucht man, vollendete Tatsachen durch den Beginn des Baus zu schaffen, vermutete der BUND Thüringen, der Teileigentümer des „Bettelmannsholzes“ (ehemaliger Ort des Hüttendorfes) ist. Seine Klage wurde Anfang Oktober im Eilverfahren abgelehnt, nachdem schon zum 1.10.96 die Zwangsenteignung zugunsten der DEGES durchgeführt wurde. Auch die Schnelligkeit und Art der Räumung der Besetzungsaktionen zeigt, mit welcher Nervosität und Druck dieser Ort beobachtet wurde.

Da sich die Kosten der Waldautobahn schon jetzt auf 6,5 Mrd. verdreifacht haben, ist es wahrlich an der Zeit, daß „die Bundesregierung ihre ideologischen Scheuklappen abnimmt und sich ernsthaft mit den Alternativen beschäftigt“ (M. Spielmann, Geschäftsführer BUND Thüringen). Aber da gab es doch noch eine weitere Hoffnung...ach ja, auf dem Bundesverkehrswegeplan, der `97 neu aufgenommen wird. Bei diesem besteht die Möglichkeit der Ablehnung von Projekten, wie reell auch immer diese Chance sein mag... (fifka)    

Entnommen aus der Zeitung "Reizzwecke" der Jugend Aktions- und Projektwerkstatt, Jena


Wenn Du uns erreichen willst...  E-mail                                                                                                                                                                          

Homepage