„Protektoratsähnliche Zustände“ in Athen
Griechenland ein deutsches „Protektorat“? Dies ist nicht etwa die überzogene Wortwahl eines linken „Spinners“, sondern stammt aus der alt-ehrwürdigen FAZ. Die, wenn es um die Verteilung von Macht und Einfluss auf den diversen Märkten geht, normalerweise weiß, wovon sie redet. In seltener Offenherzigkeit lässt sie einen Diplomaten zu Wort kommen, der von „protektoratsähnlichen Zuständen“ in Griechenland spricht. Hier die Abschrift eines Artikels vom Januar 2012:
„Protektoratsähnliche Zustände“: Schon jetzt wachen Deutsche über Athen
(aus: FAZ vom 30.1.2012)
>>Einen Hohen Sparkommissar mit Vetorecht gibt es zwar noch nicht in Griechenland, doch unter Aufsicht steht Athen schon seit 2010. Die griechischen Reformbemühungen werden von der „Troika“ und der „Arbeitsgruppe für Griechenland“ überwacht. Die Troika besteht aus Fachleuten des Internationalen Währungsfonds, der EU und der Europäischen Zentralbank. Die erst später geschaffene Arbeitsgruppe (neudeutsch: Task Force) ist ein Instrument der EU-Kommission. Die Delegationen der Troika kommen regelmäßig nach Athen, um die Reformfortschritte zu bewerten und dann (bisher zumindest) die nächste Tranche der Notkredite freizugeben.
Die Troika ist vor allem ein Instrument der Geber. Sie macht Vorgaben zur Sparpolitik und zu Reformen, hilft aber nicht im Detail bei deren Durchsetzung. Dafür ist die (offiziell auf Bitte der griechischen Regierung ins Leben berufene) Arbeitsgruppe zuständig. Sie soll die überforderten Behörden bei den Reformen „unterstützen“ - sofern die griechische Regierung Unterstützung anfordert. Die Arbeitsgruppe, deren Büro am Rande der Athener Innenstadt nach Bombendrohungen bereits mehrmals geräumt werden musste, soll dabei helfen, Griechenlands Wettbewerbsfähigkeit zu steigern, den Staatsapparat zu modernisieren und das Steuerwesen neu auszurichten. Die Mitarbeiter der Arbeitsgruppe achten in der Öffentlichkeit peinlich genau darauf, ihre formal rein unterstützende Rolle hervorzuheben. Hinter den Kulissen tritt aber vor allem ihr Chef Horst Reichenbach sehr entschieden auf, auch wenn er stets zwischen der Athener Regierung, der EU-Kommission und den maßgeblichen europäischen Hauptstädten lavieren muss.
Der Zufall, dass drei der vier wichtigsten Wächter über Griechenlands Finanzgebaren Deutsche sind, hat in der griechischen Öffentlichkeit den Eindruck verstärkt, das Land werde längst von Berlin aus regiert. Doch die Deutschen in Athen stehen seit vielen Jahren in den Diensten internationaler Organisationen: Außer dem EU-Beamten Reichenbach leiten im Auftrag der Kommission Matthias Mors sowie für die Zentralbank Klaus Masuch die Verhandlungen. Die Delegation des IWF wird von dem Dänen Poul Thomsen geführt. Während Reichenbach und Thomsen manchmal Interviews geben, halten sich Mors und Masuch strikt im Hintergrund. Ihr Einfluss ist dennoch groß. „Wir steuern auf protektoratsähnlche Zustände zu“, mutmaßte schon vor Monaten ein westlicher Diplomat in Athen. Tatsächlich wird zumindest die Arbeitsgruppe noch Jahre in Athen bleiben. (tens.)<<