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"Protektorat Südost" - Griechenland wird ausgehungert

Obwohl sich die Regierung in Athen schon zu (fast) jeder Gemeinheit bereit erklärte, ist damit das EU-Repertoire an Daumenschrauben und demütigenden Auflagen noch lange nicht erschöpft.

Protektorat Südost - Griechenland wird ausgehungert

Von Werner Pirker, junge welt
Man muß kein Ökonom sein, um zu begreifen, daß das von der deutschen Kanzlerin und ihrem französischen Spießgesellen den Griechen aufgezwungene »Sparpaket« der reine Wahnsinn ist. Denn solche Programme würgen bei gleichzeitigem Fehlen von Wachstumsanreizen die Wirtschaft ab, führen zur Rezession, die wiederum neue Kürzungen »zwingend erforderlich« macht. Das ist die wirtschaftliche Seite der Misere, von der sozialen ganz zu schweigen. Denn daß vor allem die kleinen Leute zu sparen haben, ist das wichtigste Gesetz der neoliberalen Ökonomie.

Die Arbeitslosigkeit in Griechenland beträgt mittlerweile 19,2 Prozent. Das Gesundheitswesen liegt schwer krank darnieder – Operationssäle müssen geschlossen werden, weil kein neues Personal mehr eingestellt werden darf. In Schulen werden Lebensmittelkarten an unterernährte Schüler ausgegeben. Die Selbstmordrate ist steil angestiegen.

Das reicht der Troika aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und IWF noch nicht. Der griechischen Regierung werden Massenentlassungen, Lohnkürzungen, Rentensenkungen bisher nicht gekannten Ausmaßes sowie die Minimierung des Mindestlohnes und des Arbeitslosengeldes abverlangt, will sie auf das EU-»Rettungspaket« zugreifen. Und obwohl das Technokratenkabinett in Athen sich ohnedies zu jeder Gemeinheit bereit zeigte, ist damit das EU-Reservoir an demütigenden Auflagen noch lange nicht ausgeschöpft. Es wird verlangt, daß das Parlament dem zwischen Regierung und den Finanzkontrolleuren von EU und IWF ausgehandelten Abkommen zustimmt, die Regierungsparteien sich schriftlich zu dem von Brüssel vorgegebenen Programm bekennen und zusätzliche 325 Millionen Euro aus dem Etat gestrichen werden.

Wenn in Europa deutsch gesprochen wird, wird ein peripherer Staat wie Griechenland flugs zum Protektorat. Angesichts des deutschen Machtgehabes ergeben sich griechische Anspielungen auf die Hitler-Wehrmacht gewissermaßen von selbst. Das mag zwar übertrieben und »politisch unkorrekt« sein, gibt aber eine reale Tendenz wieder. Die Tendenz zur Unterwerfung der europäischen Peripherie und zur Suspendierung der Demokratie in den abhängigen Ländern. Angesichts der Allmacht der EU-Kommissare bleibt von Griechenlands demokratischen Institutionen nur die Fassade. Deutschland setzt in Griechenland großmachtpolitisch fort, womit es in den Ländern des ehemaligen Jugoslawiens begonnen hat. Das Ergebnis wäre die Kosovoisierung des ganzen europäischen Südens.

Ein Volk, das andere Völker unterdrückt, wußten schon Marx und Engels, könne selbst nicht frei sein. Der Wettbewerbsvorteil, der Deutschland zum Exporteuropameister machte, ergab sich aus der extremen Lohnzurückhaltung hierzulande. Und dieses »deutsche Modell« soll nun in ganz Europa umgesetzt werden. Darin liegt der eigentliche Sinn des EU-Projekts: europaweite Umverteilung von unten nach oben.
 
Dieser Kommentar von Pircher stammt aus der jungen welt vom 11.2.2012
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