Krise in Europa - Gewerkschafter berichteten
Am 19. April waren Bildungsgewerkschaftler aus Portugal, Spanien und Griechenland zu Gast in Dortmund und berichteten im Rahmen einer Veranstaltung im Reinoldinum über die Verhältnisse in ihren Ländern. Die Dramatik der Entwicklungen, die sie beschrieben, waren für mich als Zuhörer kaum zu ertragen. Obwohl ich auf manches vorbereitet war. Es ist in erster Linie Verdienst der GEW Dortmund, dass diese Veranstaltung zustande kam. Leider fand sie in Dortmund viel zu wenig Beachtung - woran auch immer das gelegen haben mag. Der folgende Bericht stammt von der Veranstaltung in Frankfurt einige Tage zuvor. (hh)
Krise in Europa - Gewerkschafter berichteten
Am Ende des Tages war allen eines klar: nur mit gemeinsamen Kämpfen, nur mit Solidarität ist Europa zu verändern. Diese Erkennntis wirkte in ihrer Festigkeit fast trotzig. Denn zuversichtlich waren die Berichte der Kollegin aus Portugal und der Kollegen aus Spanien und Griechenland wirklich nicht. Rund 100 Interessierte waren ins Atrium der IG-Metall gekommen, um den KollegInnen zuzuhören.
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Manuela Mendonça von der portugiesischen Lehrergewerkschaft FENPROF, von Themistoklis Kotsifakis von der griechischen Lehrergewerkschaft OLME und des spanischen Kollegen Pedro Gonzales von der FECCOO sind auf Einladung der GEW nach Deutschland gekommen. Mitveranstalter des Abends in Frankfurt waren der DGB und die IG-Metall.
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Mendonca
Kotsifakis
Da war die Rede von massiven Kürzungen bei der Bildung, von Privatisierung der Bildung. Themis aus Griechenland sagte: "Sie verordnen uns die billige Schule - ohne Rücksicht auf die fatalen Folgen."
2056 Schulen wurden bereits in Griechenland geschlosssen. 20 Prozent aller Lehrer wurden entlassen. Die noch einen Job haben, bekamen ihre Gehälter um 40 Prozent gekürzt. Im ganzen öffentlichen Dienst gibt es keine Tarifverträge mehr. Auch bei den Schülern zeige sich die Not: "Wir sehen in den Schulen immer mehr hungrige Kinder. Wie sollen Kinder etwas lernen, wenn sie leere Bäuche haben? Ihr könnt euch nicht vorstellen, was es heißt, in Griechenland zu leben in den letzten drei Jahren."
Gonzalez
Pedro erzählte von spanischen Jugendlichen, die auf dem Höhepunkt des Wirtschaftsbooms ihre Ausbildung abbrachen und die jetzt keine guten Jobs bekommen, weil sie keinen Abschluss haben. "Sie kehren in ihr Elternhaus zurück, um von der Rente ihrer Großeltern zu leben." Fast 50 Prozent Arbeitslosigkeit in Spanien bei den jungen Leuten. Ebenso in Griechenland. In Portugal sind 35 Prozent der Jüngeren ohne Job.
Auch Manuela berichtete von drastischen Bildungskürzungen in Portugal. Lehrerstellen würden eingespart. Die Folge sei schlechtere Bildung und später dann geringere Berufschancen. Schon jetzt gebe es eine große Anzahl an Geringverdienern in Portugal. Der gesetzliche Mindestlohn liege mit 475 Euro unterhalb der Armutsgrenze und sei der niedrigste in ganz Europa.
DGB Hessen-Thüringen/Fritzel
In Europa, das wurde deutlich ist gegenwärtig eine riesige Umverteilung im Gange. Die soziale Kluft wird dabei immer größer. Die Ärmeren und schwächeren sollen die Zeche zahlen, die Reichen und das Kapital profitieren. So berichtete Themis von reichen Griechen, die keineswegs angemessene Steuern bezahlten, während ärmere kaum mehr den Lebensbedarf decken können, aufgrund ihres massiv gekürzten Gehalts. 80 Prozent des Geldes, das Griechenland erhalte, müsse für Zinsen ausgegeben werden. Und für die Tilgung der vorherigen Kredite.
Das Fazit des Abends war jedoch nicht so verheerend wie die vorangegangenen Berichte. Ganz im Gegenteil: Jetzt heiße es zusammenstehen, in Europa eine gemeinsame gewerkschaftliche Linie zu finden und die gemeinsamen Interessen zu schützen. Gegen schlechte Bildung, gegen Armut und Arbeitslosigkeit, gegen Aushöhlung der Tarifautonomie.
(Bericht von der Website des DGB-Bezirks Hessen-Thüringen, 18.4.2012)
s. auch den Bericht im Neuen Deutschland v. 18.4.2012 hier
Bericht in der Westfälischen Rundschau v. 17.4.2012 hier
Einladung zu den Veranstaltungen in Köln und Dortmund hier