Benutzerspezifische Werkzeuge
Sie sind hier: Startseite über uns SoFoDo-Publikationen Printmedien Hartz IV: Nächste Runde Wenn der Hartz-IV-Mann zweimal klingelt ...

Hartz IV: Nächste Runde Wenn der Hartz-IV-Mann zweimal klingelt ...

Während die „Welt zu Gast bei deutschen Freunden“ ist und die Geschäftsleute auf ein lukratives Geschäft warten, startet die große Koalition in Berlin die nächste Runde des Sozialabbaus.

Um die großen Kürzungsprojekte in den Bereichen Gesundheit, Familie, Rente wird noch gefeilscht. Bei Erwerbslosen hat die Große Koalition bereits heftig zugeschlagen und will noch vor der WM weitere einschneidende Verschlechterungen durchziehen:  das „Optimierungsgesetz“ zu Hartz IV. Es trifft längst nicht nur Erwerbslose. Hartz IV hat eine Spirale des Lohndumpings und der Arbeitszeitverlängerung in Gang gesetzt. Fast1 Millionen arbeiten mittlerweile für Löhne unterhalb der Regelsätze des ALG II. Nach Schätzung des Diakonischen Werks könnte sich die Zahl in nächster Zeit verdoppeln.

Im Februar/März bereits wurde das „Erste Gesetz zur Änderung des SGB II und anderer Gesetze” durch das Parlament geboxt. Damit wurden u.a das Auszugsverbot für junge Erwachsene unter 25 Jahren beschlossen, deren Regelleistung gekürzt, die vorrangige Unterhaltsverpflichtung der Eltern wieder eingeführt. Die Rentenbeiträge für Alg II-Beziehende (und entsprechende spätere Rentenzahlungen) wurden halbiert.

Zweite Runde: „Optimierungsgesetz“

Nur einen Monat nach Inkrafttreten dieses Pakets geht die Regierung an die zweite Verschärfungsrunde:  Das SGB II-Optimierungsgesetz enthält nach derzeitigem Stand  56  Änderungen, die überwiegend eine erhebliche rechtliche und materielle Verschlechterung für Erwerbslose bedeuten. Das Gesetz soll noch im WM-Vorfeld vom Bundestag verabschiedet und in der letzten Sitzung des Bundesrates vor der Sommerpause durchgewunken werden. Geplante  Inkraftsetzung:  1. August. Das Gesetzespaket enthält unter anderem:

  • Prüfung der sogenannten „Arbeitswilligkeit“ noch vor Bearbeitung des Antrags durch abschreckende Sofortangebote (z.B. Niedrigstlohn- und Ein-Euro-Jobs);
  • drastische Verschärfung der Sanktionen:  Leistungskürzungen bis zu 60% sind dann schon bei zweimaligen „Verfehlungen“ innerhalb eines Jahres (z.B. Ablehnung von Ein-Euro-Jobs) fällig;
  • Umkehrung der Beweislast bei eheähnlichen und gleichgeschlechtlichen Gemeinschaften. Nun müssen Erwerbslose beweisen, dass sie nicht in einer eheähnlichen Gemeinschaft leben. Frage: wie?;
  • Herabsetzung der frei verfügbaren Vermögensfreibeträge von 200 auf 150 Euro pro Lebensjahr;
  • Schaffung der gesetzlichen Grundlagen zur verschärften Ausspitzelung, massiven Einschränkung des Datenschutzes. Telefonausforschung  auch z.B. durch Call-Center;
  • Institutionelle Ausweitung von „Außendiensten” bei den ARGEn zur Verfolgungsbetreuung der „Kunden“;
  • Bei Umzug in eine nach Hartz-IV-Kriterien noch angemessene, abere teurere Wohnung werden nur die bisherigen Miet- und Heizkosten weitergezahlt. Also eine weitere massive Einschränkung des Rechts auf freie Wahl der Wohnung.
  • Nach bisherigen Recht durfte ohne Rechtsfolgenbelehrung nicht sanktioniert werden. Nach dem neuen jederzeit und immer. Damit ist Tor und Tür für jede behördliche Willkür geöffnet. Leistungsberechtigen wird ein grundlegender sozial- und rechtsstaatlicher Schutz entzogen.

Das Kapital will es so, die Regierung setzt es durch

Diese „Optimierung der Hartz-Reform“ ist nicht allein auf dem Mist unserer Politker gewachsen.  Im Januar veröffentlichte die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) ein Arbeitspapier.  Darin werden mal wieder die zu hohen Lohnkosten, der Kündigungsschutz und das Arbeits- und Tarifrecht für die Arbeitslosigkeit verantwortlich gemacht. DIHK: "Auch 3 und 4 Euro Jobs müssen wieder zumutbar werden". Darum geht es vor allem: die brachiale Ausweitung des Niedriglohnsektors. Das setzt die Regierung um. Ein großer Teil der Vorschläge aus dem DIHK-Papier wurden 1:1 in das Optimierungsgesetz übernommen. Und noch während die enthaltenen Verschärfungen langsam, von den Medien „wohldosiert” in die Öffentlichkeit durchsickern, propagieren Unternehmerverbände, der Wirtschaftsflügel der CDU und die Kommunalen Spitzenverbände (Städtetag, Städte- und Gemeindebund, Landkreistag) unverhohlen weitere Kürzungen. Ziel ist die Kürzung des Regelsatzes – »wissenschaftlich« bereits durch entsprechende Studien vorbereitet. Dazu wird jetzt die Salamitaktik angewandt. Im Rahmen einer Doppelpacklösung zusammen mit dem Kombilohn und der Schaffung sog. „Anreize zur Arbeitsaufnahme” wird sich auch die SPD weiteren Kürzungen nicht verschließen. Im Herbst werden wir dazu Genaueres hören …

Erwerbslose werden in materiell und rechtlich deklassierte Lebensverhältnisse gezwungen. Damit versucht man ihnen auch das Selbstvertrauen zur Gegenwehr zu rauben. Die (noch) Erwerbstätigen werden mit Hartz IV und seinen „Optimierungen“ unter enormen Druck gesetzt, um der Hartz-IV-Mühle zu entgehen. Mit deren Hilfe wird der Niedriglohnsektor weiter ausgebaut, die Angriffe auf Löhne, Arbeitszeiten und Arbeitsbedingungen werden weiter verschärft. „Modell Deutschland” für forcierten Sozial- und Lohnabbau.

Wo bleiben die Proteste?

Doch bei den Erwerbslosen regt sich kaum sichtbarer Protest. Auch bei Wohlfahrtsverbänden und Gewerkschaften ist ernsthafter Widerstand bisher nicht auszumachen. Mit Presseerklärungen allein lassen sich die Regierungspläne nicht abschmettern. Die drastischen Auswirkungen der Gesetzesvorhaben müssen an die Öffentlichkeit! Erwerbslose müssen mit den Beschäftigten und weiteren Bündnispartnern massiv protestieren. Gemeinsames Ziel:  die Pläne verhindern, auch wenn dazu noch viele Aktionen und langer Atem nötig sein werden. Wir wissen, dass wir allein mit einem Aufruf noch keine französischen Verhältnisse schaffen können. Diese sollten uns aber lehren, was möglich ist, wenn sich breiter Protest formiert, alle Beteiligten ein gemeinsames Ziel verfolgen und nicht ablassen, bis es erreicht ist.

Die bundesweite Demo der sozialen Bewegungen am 3. Juni in Berlin ist dafür ein erster Schritt

Machen wir der Regierung einen Strich durch die Rechnung, Hartz IV-Verschärfungen im Schatten der WM klammheimlich durchzuziehen. Wir fordern:

  • Einen gesetzlichen Mindestlohn von wenigstens 10 Euro die Stunde !
  • Ein Mindesteinkommen für Erwerbslose - Heraufsetzung der Regelleistung für Alg-II und Sozialhilfe auf mindestens 500 Euro plus Warmmiete!
  • Keine Kombi-Löhne!  Kombi-Löhne sind Lohnsubventionen für die Unternehmen und Lohnabsenkungen für die Lohnabhängigen.
  • Freie Fahrt für Alg-II-BezieherInnen und Sozialhilfe-Betroffene im öffentlichen Nahverkehr auf dem Dortmund-Pass !
  • Keine Zwangsumzüge !


Hartz IV und Agenda 2010 haben nur ein Ziel:  Den Lebensstandard der Mehrheit zu senken, damit die Profite einer Minderheit steigen.Für die Massenerwerbslosigkeit sollen die zahlen, die sie zu verantworten haben: Die Herren der Wirtschaft – das Kapital!

Weg mit Hartz IV und Agenda 2010 !

Artikelaktionen