Presse-Erklärung zum Sozialticket Dortmund
Rin in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln! So ging's die ganzen letzten Wochen über. Aus den Verlautbarungen von SPD und Dortmunder Stadtwerken musste der Leser den Eindruck gewinnen, das Sozialticket sei eine selten teure und deshalb hoch-prekäre Angelegenheit.
Beinahe täglich ein Artikel dazu in der Lokalpresse: Das aufgeregte Geplapper hatte eine Halbwertzeit von jeweils maximal 3 Tagen. Bei denen, die auf das ermäßigte Ticket angewiesen sind: ein Wechselbad der Gefühle.
Helmut Eigen vom Sozialforum: „Es muss endlich Schluss sein mit diesem Eiertanz der 'Offiziellen', mit dem doch offenkundig nur das Ziel verfolgt wird, die Bürgerinnen und Bürger vor weiteren Beantragungen abzuschrecken! Es sei hier noch mal deutlich gesagt: Das Sozialticket Dortmund zum Preis von 15 Euro wird es auf jeden Fall bis Ende Januar 2010 geben.“ [1]
Das Sozialforum Dortmund kündigt schon jetzt an, dass es in Sachen Verlängerung über den Januar 2010 hinaus keine Ruhe geben werden wird.
„Das sind wir den Betroffenen schuldig. Und wir erinnern bei dieser Gelegenheit auch noch einmal daran, dass der Berechtigtenkreis für das Sozialticket derzeit zu eng gefasst ist und nach unserer Meinung auf Bezieher von Kleinrenten, Alg I-Empfänger und Geringverdiener ausgedehnt werden sollte, deren laufenden Einnahmen sich innerhalb oder nur geringfügig über den Regelsätzen bewegen. Der Nachweis eines Leistungsbezugs nach SGB II bzw. SGB XII ist als Bedingung einfach zu starr, um dem in Armut lebenden Teil der Dortmunder Bürgerschaft gerecht zu werden“, erklärt Heiko Holtgrave, Vertreter von Akoplan im Sozialforum.
Während die SPD im Düsseldorfer Landtag stolz vom „erfolgversprechenden Pilotprojekt“ in Dortmund spricht und für eine Ausdehnung auf ganz NRW plädiert (s. Landtags-Drucksache 14/7664 [2]), möchte sie hier in Dortmund am liebsten gar nichts mehr davon wissen. Das 2-jährige Projekt wird zuende gebracht, und danach Schluss! Nicht eben eine Strategie, um eine Kommunalwahl zu gewinnen, allenfalls – siehe auch Flughafen – der Versuch, mit der hiesigen CDU anzubändeln. Immer deutlicher vernehmbar sind die Signale in Richtung einer großen Koalition aus selbsternannten „Haushaltsrettern“ in Dortmund.
„Wir werten die Einführung des Sozialtickets als Erfolg und als sozialpolitischen Meilenstein für Dortmund.“ Wer hat das gesagt, was denken Sie? Wir verraten es Ihnen: Nicht das Sozialforum, nein, vielmehr Ernst Prüsse, seines Zeichens Vorsitzender der SPD-Fraktion im Dortmunder Rat. Und das war vor gerade mal 12 Monaten. [3] Aber dieser Herr ist mittlerweile in der Öffentlichkeit – siehe nochmals Flughafen – schon sattsam bekannt für seine Wankelmütigkeit.
Der vermeintliche Meilenstein ist eine solch wichtige und im Boden fest verankerte Angelegenheit, dass sie im Laufe des zuende gehenden Jahres 2008 gleich 2-3 mal wieder zur Disposition gestellt wurde, und zwar von eben diesem Herrn Prüsse. Seine neueste Version zu möglichen Verlängerungsaussichten lautet. „Wenn, muss das Sozialticket landesweit kommen und das Land sich auch an der Finanzierung beteiligen“ (WR v. 12.12.08).
Andere, wie der frisch-gebackene OB-Kandidat Sierau, halten sich noch etwas bedeckter, aber der allgemeine Tenor aus den Reihen der hiesigen SPD ist klar: Länger als bis zum 31.1.2010 wird’s nicht gehen. Jedenfalls nicht zu dem Preis. Und: An allem ist die böse CDU schuld. Letzteres ist nicht ganz falsch. Die Dortmunder CDU wie auch die Landes-CDU haben aus ihrer ablehnenden Haltung nie einen Hehl gemacht. Sie haben damit in Sachen Sozialpolitik schon lange den Offenbarungseid geleistet. Nur versuchen sich Prüsse & Co jetzt dahinter zu verstecken.
Wir vom Sozialforum sind es leid, Herrn Prüsse und seine Genossen immer wieder an ihre Sprüche von gestern erinnern zu müssen. Das Sozialticket und sein Fortbestehen sind für uns nicht verhandelbar! Das Ticket gehört zu den dringendsten Aufgaben in dieser Stadt, solange der Regelsatz nach SGB II und SGB XII nicht mindestens auf 500 Euro im Monat aufgestockt ist (in Preisen von 2008) und solange der Ausbreitung von Armutslöhnen und prekären Arbeitsverhältnissen, einschließlich 1-Euro-Jobs, nicht endlich ein Riegel vorgeschoben wird.
Denn nur so ist ein Mindestmaß an Mobilität und an sozialer Teilhabe für die ärmeren Bevölkerungsschichten sicherzustellen. Das haben auch zahllose Leser in Zuschriften unterstrichen. War da nicht kürzlich sogar eine Forsa-Umfrage, wonach 86 % der befragten DortmunderInnen eine Verteuerung (oder gar Abschaffung) des Sozialtickets ablehnen?
Im übrigen: Durch die Ausgrenzung einzelner Bevölkerungsgruppen von den öffentlichen Verkehrsmitteln und der damit einhergehenden Schwächung des ÖPNV dürften auch die Arbeitsplätze der DSW-Beschäftigten nicht sicherer werden. Eher im Gegenteil.
Heiko Holtgrave abschließend: „Die Damen und Herren Lokalpolitiker und der DSW-Vorstand sollen wissen, dass wir in Sachen Sozialticket keine Ruhe geben werden, bis sie im Sinne der Betroffenen zu einem positiven Ergebnis gebracht ist. Dies mag die VertreterInnen von SPD, FDP und CDU noch so sehr wurmen – sie können sich ja gerne unserer Kampagne zur Aufstockung der Regelsätze und zur Einführung eines allgemeinen Mindestlohns anschließen. Ein Anruf genügt!“
22.12.2008, Sozialforum Dortmund
- Neuanträge (mit Gültigkeit ab Februar 2009) sind bis zum 30.12. bei ARGE oder Sozialamt einzureichen. Laufende Sozialticket-Abos werden automatisch verlängert, mit Kündigungsmöglichkeit jeweils zum Monatsende (sobald das erste Jahr voll ist).
- http://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMD14-7664.pdf
- zitiert aus dem Antwortschreiben der SPD-Fraktion an das Sozialforum v. 10.12.2007