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Rede von Wolf Stammnitz zu den Sparschweinereien

Wolf Stammnitz, Mitglied des Rates der Stadt Dortmund, hat folgende Rede anlässlich der Ratssitzung am 16. Dezember vorbereitet.

Haushaltsrede im Stadtrat am 16.12. 2010

Drei typische Beispiele aus der aktuellen Haushaltsberatung.

Auf der Einnahmenseite wird eine ganze Reihe Gebühren und Entgelte erhöht, die die Normalbürger treffen – aber nicht die Gewerbesteuer. Auf entsprechende Anträge der LINKEN und der Grünen hörten wir immer nur ein einziges Argument: Im Standortwettbewerb sei die Gewerbesteuererhöhung ein „falsches Signal an die Wirtschaft“.

Das ist ein strohdummes Argument. Wirtschaft funktioniert ja nicht wie der Straßenverkehr, wo vor jeder Ampel alle nur auf das richtige Signal warten, um endlich losrasen zu können. So ist ja unsere Wirtschaft leider nicht beieinander. Wir sind hier auch nicht bei der Bahn, wo ein falsch gestelltes Signal eine Katastrophe auslösen kann. Wer das von der Gewerbesteuer behauptet – oder von jeder anderen Unternehmensteuer – belügt wissentlich das Publikum.

Hier geht es überhaupt nicht um „Signale“, sondern um eine handfeste, -zig Millionen öffentlicher Mittel verschlingende Finanzkrise. In dieser Krise hat Politik die Pflicht, Geld einzusammeln – und zwar dort wo es ist. Wenn man schon die Metapher vom Signal bemüht, dann signalisiert die Erhöhung der Gewerbesteuer völlig richtig: Die Städte können ihre Haushaltskrise nur überwinden, wenn die wohlhabenden Teile der Bevölkerung mehr Steuern zahlen.

Zweites Beispiel.

Weder die Verwaltung noch eine der drei Wirtschaftslobby-Parteien CDU, FDP und SPD hielt es für nötig, die Mittel für die Schuldnerberatung den gewachsenen Anforderungen anzupassen. Entsprechende Anträge der LINKEN und der Grünen wurden vom Finanzausschuß zwar in den Rat durchgewunken – und ich bin gespannt, ob sie hier eine Mehrheit finden – aber die einzige Sorge der Ausschußmehrheit war, die Schuldnerberatungen sollten ab 2011 um die städtischen Zuschüsse gegeneinander und gegen private Beratungsunternehmen konkurrieren.

Mit dem dritten Beispiel weise ich auf eine besondere Gemeinheit in ihrem Privatisierungskurs hin und fordere den Rat nochmals dringend auf, sie zu korrigieren.

Um die 200 Mio € Vermögenswerte – fast ein Zehntel des städtischen Immobilienbesitzes – sollen in Eigenbetriebe und Fonds verschoben werden. Darunter sämtliche Sportstätten. Diese sollen dann nach Möglichkeit von privaten Vereinen betrieben und gepflegt werden. Darunter drei Schulzentren. Diese sollen dann privat saniert und an die Stadt zurück vermietet werden. Das ist schon ein gewaltiger Sprung zur Privatisierung  öffentlichen Eigentums.

Die besondere Gemeinheit, von der ich sprach, besteht aber darin, dass in den halb privatisierten Einrichtungen automatisch die Ermäßigungen des Dortmund-Passes wegfallen. Die LINKE hat beantragt, die Stadt möge in jedem Fall die Fortgeltung des Dortmund-Passes sicherstellen. Ich hoffe, dass das Ratsplenum nicht so unsozial handelt wie der Finanzausschuß, der unseren Antrag wortlos niedergestimmt hat.

Diese drei Beispiele kennzeichnen die soziale Schieflage des Haushalts:

Die Wirtschaftslobby im Rat macht Politik nach Kassenlage. Wir dagegen fangen nicht mit dem Kassensturz an. Sondern mit der Frage: Was braucht die Stadt alles, um ihren Bewohnern ein menschenwürdiges Leben und Chancengleichheit zu ermöglichen? Und zwar allen Bürgern. Und als nächstes fragen wir: Wo kriegen wir das Geld her, das wir dafür benötigen?

Weder von den Hartz-IV-Haushalten noch von den Normalverdienern und auch nur sehr begrenzt von städtischen Tochterunternehmen. Sondern vor allem häuft sich Geld und ist abzuholen bei den Besserverdienenden und ertragsstarken Privatunternehmen.

Aber genau die haben die Macht, vor der bürgerliche Politik den Hofknicks macht. Und reden wir doch nicht drum herum: Die meisten Kommunalpolitiker zählen selbst zu den Besserverdienenden.

Wer ein bißchen durchblickt, weiß so gut wie wir, dass die Stadt keine Chance hat, die chronischen Haushaltsdefizite und den darüber aufgetürmten Schuldenberg weg zu sparen – nicht die geringste Chance, da müßte man schon das gesamte Immobilienvermögen der Stadt unter den Hammer bringen. Wenn sie trotzdem so weiter macht mit Kürzen und Privatisieren, hilft sie nur mit, die Kommunen zu enteignen. Bei der FDP ist das ja Programm – bei der SPD noch nicht Programm, aber praktisch lässt die SPD-Fraktion sich von den „Privat-vor-Staat“-Parteien erpressen: Im Finanzausschuß hat sie 17 von 18 CDU-Anträgen zugestimmt, weil sie ohne die CDU ihren Haushalt nicht durchkriegt. „Eine Hand wäscht die andere,“ ist das Motto dieser großen Koalition der Privatisierer.

Ihr Streichkonzert wäre vielleicht noch vertretbar, wenn es denn wahr wäre, dass „wir“ über „unsere“ Verhältnisse gelebt hätten. Doch das ist nur die Notlüge von Spekulanten, die sich verzockt haben. Wahr daran ist nur dies: „Wir“ leisten uns schon viel zu lange eine Gesellschaftsschicht, die auf die Enteignung öffentlichen Vermögens spekuliert. „Privat vor Staat!“ – das ist der Schlachtruf, mit dem die öffentlichen Finanzen geplündert werden. Und das ist der Treibsatz unter diesem Haushaltsplan.

Wolf Stammnitz

Fraktion DIE LINKE

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