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Übersicht über die drohenden Sparschweinereien

Übersicht über die geplanten Sparschweinereien

Der Rotstift kreist weiter

Erste Sicht auf den städtischen Haushaltsplan für 2011

 

  1. Das Schuldenloch wird immer tiefer

Seit 2008 schrumpfen die „ordentlichen Erträge“ – früher sagte man Einnahmen – der Stadt Jahr für Jahr zusammen, die Ausgaben („ordentliche Aufwendungen“) hingegen stiegen in derselben Zeit. Folglich wächst das Defizit („Ergebnis der laufenden Verwaltungstätigkeit“, ohne Finanzgeschäfte, Zinsen und Investitionen) von 1,5 Mio.€ im Jahr 2008 auf 136,7 Mio.€ im Planjahr 2011.

Diese Fehlbeträge können nur durch neue Schulden abgedeckt werden. Infolgedessen muss die Stadt auch im neuen Jahr 6,5 Mio.€ mehr für Zinsen an ihre Gläubiger aufwenden (insgesamt 66 Mio.€), davon 4 Mio mehr an private Banken (insgesamt 30 Mio.€) – und das obgleich die Zinssätze im Moment wegen der Krise auf historisch niedrigem Niveau stehen.

Zwar sollen die Steuereinnahmen der Stadt nach dem krisenhaften Einbruch im Vorjahr in 2011 wieder zulegen, weil konjunkturbedingt die Gewerbesteuer, der dickste Steuerbrocken, wieder anzieht. (Noch nicht beziffert ist die von Rot-Grün in Düsseldorf jetzt angekündigte Schuldenhilfe.)

Es ist aber der Gipfel des Zynismus, mit dem die Kommunen systematisch und gewollt in die Schuldenfalle hinein getrieben werden, dass Land und Bund die Transferzahlungen für Sozialleistungen Jahr um Jahr weiter zurück fahren (2011 minus 6 Mio – 2010 minus 8,1 Mio – 2009 minus 4,7 Mio – 2008 minus 3,7 Mio. €), während die Kommunen gesetzlich verpflichtet sind, immer mehr Bedürftige zu unterstützen (siehe unten).

  1. Mehreinnahmen geplant, aber zu wenig und die falschen

Die Möglichkeit der Kommunen, eigene Steuern zu erheben, sind gesetzlich eng begrenzt auf sogen. Bagatellsteuern. Die Stadt kann die Hebesätze auf Grund- und Gewerbesteuer selbst festlegen. Diese liegen in Dortmund seit Jahren auf gleicher Höhe und sollen auch 2011 nicht heraufgesetzt werden (vielleicht ab 2012). Ferner kann sie bestimmte Gewerbe besonders besteuern. So kassiert die Stadt Dortmund z.B. eine Spielautomatensteuer (2011 wie 2010: 6 Mio.€). 2010 hat sie eine Hotelbettensteuer und die umstrittene „Sexsteuer“ eingeführt, die 2011 zusammen 3,05 Mio.€ einbringen sollen.

Eine weitere Möglichkeit, die Einnahmen zu steigern, bieten Gebühren und Abgaben, welche die Stadt direkt oder über Tochterunternehmen von den Bürgern erhebt. Die meisten von ihnen dürfen nur die Herstellungskosten der jeweiligen öffentlichen Leistung decken. Aber im Haushalt 2009 haben wir das im einzelnen nachgeprüft und festgestellt, dass die Stadt bei vielen Gebühren auf Kostendeckung verzichtet. Selbst all diejenigen Gebühren ausgenommen, die vor allem die Masse kleiner Einkommen treffen, könnte die Stadt von Unternehmern und Wohlhabenden ca. 15 Mio.€ jährlich mehr verlangen, statt Eintrittspreise und Kitagebühren zu erhöhen.

Eine dritte Geldquelle sind städtische Unternehmen und Beteiligungen an privaten Unternehmen. Sie überweisen Gewinne, Dividenden usw. in Größenordnungen von 60 Mio.€ jährlich. 2010 versuchte der Kämmerer, Sonderausschüttungen bei den städtischen Töchtern locker zu machen, biss dort aber auf Granit. Auch vom Jahresüberschuss der Stadtsparkasse wurden 10 Mio lieber für die Sanierung der WestLB auf die Seite gelegt, statt damit die städtischen Einnahmen zu sanieren.

Schließlich bleibt der Ausweg, städtisches Vermögen zu Geld zu machen, in erster Linie Grundstücke und Gebäude. Das läuft schon seit Jahren. 2002 und 2003, als erstmals ein Haushaltsloch von über 200 Mio.€ aufriss, zerstörte die Stadtverwaltung Dutzende Kinderspielplätze, um die Flächen zu vermarkten. Da gibt es heute nicht mehr viel, was sich zu Geld machen ließe, was auch am mangelnden Interesse von Investoren infolge der Wirtschaftskrise liegt.

  1. Das Kürzen und Streichen geht weiterIm Juli beschloss der Rat, auch in 2011 die Ausgaben um ca. 9 Mio.€ zu kürzen. Der nun eingebrachte Haushaltsplan 2011 lässt die Auszahlungen für laufende Verwaltungstätigkeit insgesamt sogar um knapp 60 Mio schrumpfen (auf 1,727 Mrd.€, einschließlich Investitionen).

Der dickste Brocken darin sind die „Transferauszahlungen“. Dahinter verstecken sich unterschiedliche durchlaufende Posten, die sich auch sehr unterschiedlich entwickeln. Vor allem die Transferauszahlungen des Sozialamtes an Bedürftige wachsen – wie seit Jahren – auch 2011 wieder um 5,5 Mio.€ (2010 plus 4,5 Mio – 2009 plus 7,5 Mio – 2008 plus 5,7 Mio – 2007 plus 11,4 Mio). Dahinter steht die stetig sich ausbreitende Armut. So wie seit Einführung von Hartz IV die Planansätze der Sozialverwaltung regelmäßig zu niedrig waren, müssen wir auch 2011 bei den Sozialtransfers mit einem um mehrere Millionen höheren Defizit rechnen.

Noch zu hinterfragen bleibt uns, wieso die Transferleistungen im Kinder- und Jugendbereich 2011 um 3,4 Mio und im Bereich Schulträgeraufgaben um 1 Mio zurück gehen sollen.

Die Personalkosten wachsen gerade mal um 0,26 % (außer Altersversorgung), das heißt der tarifliche Inflationsausgleich bei Löhnen und Gehältern wird fast vollständig durch Personalabbau kompensiert. Allerdings ließen sich die rabiaten Streichpläne in 2010 nicht voll umsetzen. Bis August „schaffte“ die Verwaltung „nur“ eine Reduzierung um 114 Stellen (anstatt der geplanten 285). Bis zum Jahresende hofft der Kämmerer, 1 Mio an den Personalkosten einzusparen. Die Langemeyer’sche Order, sie jährlich um 2,5 % zu senken, ist damit obsolet und wird ab 2011 auf 1,5 % ermäßigt. Das wären für 2011 immerhin noch 4,5 Mio.€ weniger, die als Kaufkraft der Dortmunder Wirtschaft verloren gehen.

In diesem Zusammenhang fällt auf, dass der Haushaltsplan 2011 die Zahl der 1-€-Jobs in städtischen Einrichtungen um 100 auf 1.450 aufstocken will und zusätzlich noch von 400 Maßnahmen der sogen. „Bürgerarbeit“ die Rede ist. Beides droht wiederum zu Lasten des regulären Stellenplans zu gehen.

Nicht zuletzt bei den städtischen Investitionen erreicht der Schrumpfkurs nun schon im dritten Jahr dramatische Ausmaße: 2008 lagen sie noch bei 170,5 Mio.€ – 2009 164,0 Mio – 2010 134,8 Mio – 2011 sind sie bei 95,5 Mio.€ fast um die Hälfte geschrumpft. Betroffen davon sind vor allem die Instandhaltung der städtischen Infrastruktur und die ohnehin krisengebeutelte Bauwirtschaft.

Doch von allen Kürzungs- und Streichplänen sind wiederum die Langemeyer-Sierau’schen „Leuchttürme“ in keinster Weise berührt. Beispielhaft genannt seien der U-Turm, der außer dem städtischen Baukostenanteil (knapp 25 Mio.€) im Jahr 2011 noch 3 Mio für die Betriebsausstattung von der Stadt erhält – sowie das „Nationale Fußballmuseum“, für das schon mal vorsorglich ab 2010 eine jährliche Verlustübernahme von einer halben Million € eingestellt wird.

Auch die Wirtschaftsförderung bleibt 2011 von Kürzungen verschont.

  1. Vorläufige Bewertung und Konsequenzen

Um die rückläufige Einnahmebasis wenigstens zum Teil auszugleichen und der Obrigkeit die ungebrochene Treue zur neoliberalen Ideologie zu beweisen, ist dieser Haushaltsplan ein weiterer Schritt der Zukunftsblockade. Seit 2006 haben die Haushaltslöcher das Eigenkapital der Stadt Dortmund um ein Fünftel aufgezehrt, verhökert und privatisiert; bis 2014 wird ein Viertel vernichtet sein. Insbesondere im investiven Bereicht gerät inzwischen der Werterhalt des städtischen Vermögens in akute Gefahr.

Wie die städtischen Einnahmen und besonders deutlich die Transferzahlungen von Land und Bund belegen, ist der gehorsame Rotstift – von seiner sozialen Ungerechtigkeit abgesehen – eine völlig untaugliche Taktik gegenüber diesen Obrigkeiten, denn sie haben es ganz offensichtlich auf die finanzielle Beerdigung der kommunalen Selbstverwaltung abgesehen, und wer diesem Vorsatz zu Willen ist, beschleunigt das Ende.

Wer die Stadt Dortmund zukunftsfähig und lebenswert auch für breitere Bevölkerungsschichten erhalten will, die sich die Villa am Phoenixsee nicht leisten können, muss jetzt zu drastischeren Formen der Gehorsamsverweigerung greifen.

Wolf Stammnitz

15.Oktober 2010

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