Vor 10 Jahren nahm Hartz-Kommission ihre Arbeit auf
Unter der Überschrift "Stunde der Technokraten" bilanzierte Helga Spindler dieser Tage in einem jw-Artikel das, was von den Empfehlungen der Kommission übrig geblieben ist. Und welche Wirkungen davon für die Lage der Erwerbslosen und der lohnabhängigen Bevölkerung insgesamt ausgegangen sind. Außerdem spürte Spindler dem weiteren Werdegang der damaligen Kommissionsmitglieder nach und stellte fest, dass zumindest einige von ihnen seither ganz ansehnliche Karrieren zurückgelegt haben.
Hier ihre märchenhafte Eröffnung:
Es war einmal … das kleine Volk der Deutschen, das war fleißig und erfindungsreich, und viele lebten in bescheidenem Wohlstand. Ein Leben ohne bezahlte Arbeit bei einem Brotherren oder weltläufigen Fürsten konnten sich viele nicht vorstellen. Nun begannen die Herren aber, ihre Arbeiter zu entlassen, weil sie wegen ihrer Maschinen viele nicht mehr brauchten oder billigere Arbeitskräfte jenseits des großen Meeres fanden. Sie wählten sich einen jungen König, der ihnen soziale Gerechtigkeit und Reformen versprach. Er hatte einen beliebten Minister, der ihnen ein harmonisches Leben im Einklang mit der Natur in Aussicht stellte. Auch die Arbeitslosigkeit bei ihren Untertanen wollten sie beheben, waren aber ratlos, wie sie das schaffen sollten, zumal die Beamten, die sie mit der Arbeitsvermittlung beauftragt hatten, sie über die Erfolge ihrer Tätigkeit täuschten. Und auch die Hoffnung, die Untertanen durch ein nach alter Manier einberufenes »Bündnis für Arbeit« zu beeindrucken, zerschlug sich.
Als alles nichts mehr half, beriefen sie einen Rat weiser Männer ein. Nach kurzer Zeit erstellten die Weisen einen Vorschlag, bestehend aus zwölf Kapiteln, Module genannt, die bei vollständiger, aber nur bei ganz vollständiger Umsetzung zur Halbierung der Zahl der Arbeitslosen auf nur noch zwei Millionen Untertanen in drei Jahren führen sollten. Dazu kam noch ein 13. Kapitel, in dem sie 6,1 Millionen sogenannte »Profis der Nation« damit beauftragten, zusammenzuarbeiten und persönlich Erwerbslose zu betreuen und ihnen wieder Arbeit zu geben. Im August überreichte der Vorsitzende dem König im Französischen Dom zu Berlin den Vorschlag mit den Worten: »Heute ist ein schöner Tag für die Arbeitslosen in Deutschland.« Später, von einem Schreiber danach gefragt, ob er damit nicht eine göttliche Mission erfüllt habe, ergänzte er: »Ich bin schließlich kein Messias. (…) Aber um in Ihrem Bild zu bleiben: Wir haben eine ›Bibel‹ für den Arbeitsmarkt geschrieben, jeder Gutwillige kann darin lesen.« Und der König versprach, sich daran zu halten, den Vorschlag »eins zu eins« umzusetzen und wurde neu gewählt, damit er das Werk vollenden könne …«
aus: "Stunde der Technokraten", junge welt v. 22.2.2012
Appetit bekommen? Es lohnt sich, auch den ganzen Artikel zu lesen, der in der Printausgabe immerhin 2 komplette Seiten füllt. Ihr findet ihn im Netz unter http://www.jungewelt.de/2012/02-22/120.php?sstr=Spindler