BGH: Gaspreis-Erhöhungen müssen berechtigt sein
Verbraucherschützer: Urteil «weitgehend vernünftig» - Die gute Nachricht: Gaspreis- Erhöhungen müssen nach dem heutigen Urteil des Bundesgerichtshofs nicht nur dem Profitinteresse eines Gasversorgers dienen, sondern berechtigt sein. Dass dem so ist, muss das Unternehmen beweisen.
Die wesentlich schlechtere Nachricht für Verbraucher: Bevor eine Tariferhöhung in Kraft tritt, gibt es keine Kontrolle, ob diese "der Billigkeit entspricht", wie es im Juristendeutsch heißt. Der Bund der Energieverbraucher bezeichnete die Entscheidung dennoch als "weitgehend vernünftig". (VIII ZR 138/07).
Damit bestätige der BGH seine bisherige Rechtssprechung zu diesem Thema. Er gehe sogar noch im Sinne der Verbraucher einen Schritt weiter. "Nach dem jüngsten Urteil steht auch der Liefervertrag des Gasversorgers mit seinem Vorlieferanten auf dem Prüfstand. Hat der Versorger hier zuviel akzeptiert, kann auch das zur Unbilligkeit der Gaspreiserhöhung führen. Mit diesem Passus wird die bisherige Rechtssprechung des achten Zivilsenats deutlich verschärft."
Als nicht sachgerecht bezeichnete es der Bund der Energieverbraucher, dass der Gaspreis vor der Erhöhung nicht der Billigkeitskontrolle unterliegt. Damit setzt der BGH seine bisherige falsche Rechtssprechung fort. "Schade, dass der BGH hier die Augen verschließt", kommentiert der Vereinsvorsitzende Dr. Aribert Peters.
"Alle Verbraucher, die gegen die Gaspreiserhöhung vorgehen, können sich durch das Urteil bestärkt fühlen. Die Versorger müssen die Karten auf den Tisch legen", so die Verbraucherschützer.
Der achte Senat des BGH schränkte ein vorausgeganges verbraucherfreundliches Urteil des Landgerichts Duisburg insofern ein, als die Beweispflicht des Gasversorgers nicht den gesamten Tarif umfassen muss. "Die Billigkeit einer Tariferhöhung ist schlüssig vorgetragen, wenn der Versorger für den maßgeblichen Zeitraum darlegt, dass sich seine Bezugskosten entsprechend erhöht haben und nicht durch einen Rückgang sonstiger Kosten der Gasversorgung ganz oder teilweise ausgeglichen worden sind", urteilte der BGH.
Dabei müsse der Gasversorger weder die absolute Höhe seiner Bezugspreise angeben noch die Bezugsverträge mit seinen Lieferanten vorlegen. "Es reicht aus, wenn er vorträgt, dass und in welchem Umfang sich aufgrund von Preisänderungsklauseln in den Bezugsverträgen seine Bezugspreise erhöht haben; Beweis dafür kann er auch durch Zeugen anbieten." Auch muss das Unternehmen für eine gerichtliche Überprüfung, ob seine Preiserhöhung berechtigt ist, wegen des verfassungsmäßig geschützten Geschäftsgeheimnisses nicht alle erforderlichen Unterlagen und Kalkulationen uneingeschränkt offen legen.
Mieterbund kritisiert BGH-Urteil
Der Deutsche Mieterbund kritisierte das Karlsruher Urteil, weil darin eine Prüfung des Gesamttarifs abgelehnt wird. "Damit haben Tarifkunden keine Möglichkeit einer umfassenden Kontrolle oder Überprüfung des Gaspreises“, so der Direktor des Deutschen Mieterbundes (DMB), Lukas Siebenkotten. Schon im Juni 2007 hatte der Bundesgerichtshof entschieden, dass der zwischen Kunde und Unternehmen vereinbarte Anfangspreis nicht der gerichtlichen Preiskontrolle unterfalle (BGH VIII ZR 36/06).
"Aus Verbrauchersicht hätte ich mir strengere Prüfkriterien gewünscht", sagte Siebenkotten. "Jetzt reicht es für die Wirksamkeit einer Gaspreiserhöhung aus, wenn der Versorger darlegt, dass sich seine Bezugskosten entsprechend erhöht haben und nicht durch einen Rückgang sonstiger Kosten der Gasversorgung ganz oder teilweise ausgeglichen worden sind. Er muss noch nicht einmal die absolute Höhe seiner Bezugspreise angeben und auch nicht die Bezugsverträge mit seinen Lieferanten vorlegen."
LINKE fordert Gaspreisaufsicht
Die LINKE fordert eine politische Lösung gegen überteuerte Energielieferungen in Form einer wirksamen Gaspreisaufsicht. "Wenn das Betriebsgeheimnis der Energieversorger höher bewertet wird, als eine nachvollziehbare Gasrechnung, müssen die Tarife überwacht werden", so Hans-Kurt Hill, energiepolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion DIE LINKE. "Nur so haben die gebeutelten Kundinnen und Kunden eine Chance auf bezahlbare Energie. Dabei muss der Behörde ein Verbraucherbeirat mit Klagerecht zur Seite gestellt werden. Nur so können die Interessen der Leute glaubhaft vertreten werden."
Quelle: linkszeitung vom 19.11.08
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