Dem Bürgerfunk soll die Sendezeit gekürzt werden
CDU und FDP wollen Landesmediengesetz von NRW reformieren. Freies Radio soll später auf Sendung gehen. Ein Gespräch mit Thomas Eidmann.
Interview: Gerrit Hoekmann
Thomas Eidmann arbeitet im Verein »Medienforum Münster« und setzt sich für den Erhalt des Bürgerfunks NRW ein, lbf-nrw.de
CDU und FDP haben in Nordrhein-Westfalen einen Änderungsentwurf für das Landesmediengesetz vorgelegt, der die Zukunft des Bürgerfunks gefährdet. Was ist geplant?
Dem Bürgerfunk soll die Sendezeit von zwei Stunden pro Tag auf nur noch eine Stunde gekürzt werden. Zweitens sollen wir anstatt ab 18 Uhr, nur noch ab 21 Uhr senden dürfen. Drittens sollen wir keine fremdsprachigen Sendungen mehr ausstrahlen. Davon gibt es nicht viele, aber diese wenigen soll es in Zukunft eben auch nicht mehr geben. Die Bürger, die das Programm gestalten, brauchen, wenn die Änderung durchgeht, künftig eine Art Radio-Führerschein. Zudem sollen die Beiträge künftig einen erkennbaren lokalen Bezug haben.
Wie sieht es mit den Finanzen aus?
Die Landesregierung will den Bürgerfunk nicht mehr insgesamt fördern, sondern nur noch für einzelne Sendungen. Der Rest soll in die Qualifizierung fließen. Das wäre das Aus für die gesamte Infrastruktur. Das »Radio in der Schule« ist zum Beispiel eine gesetzliche Pflichtaufgabe des Bürgerfunks. Die Kosten tragen wir und nicht die Schule.
Was stört Sie an der neuen Sendezeit?
Um bei dem Beispiel zu bleiben: Bisher war es so, daß die Schüler ihre Beiträge um 18 Uhr noch hören konnten, aber um 21 Uhr liegen die Jüngeren schon im Bett. Sie machen also Sendungen, die sie gar nicht erleben können. 21 Uhr ist auch deshalb schlecht, weil da die meisten Leute vor dem Fernseher sitzen.
Die Landesregierung preist die neue Uhrzeit an, weil die Sendungen dann nach dem normalen Programm der Lokalsender laufen und nicht mittendrin wie im Moment. Angeblich schalten viele Hörer beim Bürgerfunk ab ...
Dafür gibt es keine Belege. Die privaten Lokalsender haben genug Hörer, immerhin haben sie 2005 einen Umsatzrekord erzielt. Wenn der Bürgerfunk wirklich so ein Abschaltfaktor wäre, dann wäre dieser Rekord kaum zustande gekommen. Es wird behauptet, der Bürgerfunk sei ein Fremdkörper im privatwirtschaftlichen Rundfunk. Der Hintergrund ist, daß jeder Verleger in seinem Medium seine politische Linie durchsetzen will, das kann er mit dem Bürgerfunk aber schlecht. Der ist wie Kraut und Rüben, wie die Bürger selbst. Damit muß man leben, das muß man aushalten können. Das können die Verleger aber schlecht, und deshalb fordern sie seit jeher, daß der Bürgerfunk im WDR laufen soll. Und wenn er schon im privaten Lokalfunk stattfinden muß, dann am besten am Ende der Sendezeit.
Was bedeutet es, wenn der Bürgerfunk nur noch die halbe Sendezeit hat?
Welche Gruppe hat dann noch Interesse daran, Radio zu machen? Die Beiträge müssen lange vorbereitet werden: Da wird konzipiert, recherchiert und getextet. Da sind viele Leute dran beteiligt. Nach der Mühe und Arbeit wollen sie dann natürlich auch gehört werden im Radio.
Die Verleger wollen einen Lokalsender, der wenig kostet, aber viel Geld bringt. Das gelingt nur, wenn immer mehr Rahmenprogramm ausgesstrahlt wird und immer weniger lokal produziert wird, weil letzteres mehr Personalkosten verursacht. Der Bürgerfunk ist ihnen bei einem solchen Konzept schlicht im Weg.
Einige Sendungen, wie das Antifa-Radio, sind deutlich links positioniert. Hat der Gesetzentwurf der Landesregierung auch ideologische Gründe?
Auf jeden Fall. Das sitzt den Verlegern und der Regierung quer. Die betrachten linke Gruppen natürlich nicht als ihre Klientel. Auf dem platten Land ist der Bürgerfunk übrigens eher konservativ, da senden die Landfrauen und die Katholiken.
Was bedeutet es, wenn künftig alle Beiträge einen lokalen Bezug haben sollen?
Wenn jemand zum Beispiel eine Sendung über den Kirchentag macht, dann wurde der bisher überall im Bürgerfunk gesendet. Jetzt will der Gesetzgeber, daß die Beiträge nicht nur aus dem lokalen Raum stammen, also die Bürgerfunker dort wohnen müssen, sondern sie müssen deutlich lokal sein. Das bedeutet: Eine Sendung von Amnesty International über Uganda darf es nicht mehr geben.
Wie sieht die Zukunft des Bürgerfunks aus?
Wenn man ihn zeitlich im Programm immer weiter nach hinten schiebt, dann stirbt er einen Tod durch Nichtbeachtung.
Quelle: Junge Welt vom 02.02.07