Der 4. Ratschlag für ein Sozialticket
Kurze Zusammenfassung des Ratschlags am 23.05.2011 in Bochum und die Begrüßungsrede von Michael Hermund, DGB.
Zusammenfassung
Mindestanforderungen an ein Sozialticket
- Monatskarte im Barverkauf evtl. Kurz-ABO (3 Monate)
- Geltungsbereich Preisstufe A 1 bzw. A 2, also innerhalb eines Stadtgebietes oder Landekreises
- Berechtigung zum Erwerb eines Zusatzticket
- Zeitlich rund um die Uhr (kein 9-Uhr Ticket)
- Berechtigte:Alle Haushalte mit Einkünften Unterhalb der Armutsgrenze (110 % des Regelsatzes Hartz 4)
- Preis nicht höher als 15 €
Wünschenswert:
- Übertragbarkeit
- Mitnahmemöglichkeit (Abends und Wochenende)
Anregung an den VRR:
Eine Marktforschung mit dem Ziel: preiswerte Lösung und zur Reduzierung der Kosten (Allein dadurch konnte der Preis in Köln um mehr als 50 % gegenüber dem Normalticket gesenkt werden)
Direkte Zielgruppenansprache und Werbung mit dem Ziel viele neue Kunden zu erreichen (Werbung per Post an alle Berechtigten)
Zielgruppe als Potential für mehr Umsatz sehen
Das Sozialticket ist machbar, wenn es politisch gewollt wird
Begrüßungsrede von Michael Hermund, DGB, auf dem 4 Ratschlag für ein Sozialticket am 23. 5. 2011
Vor mehr als einem Jahr haben wir in unserer Initiative für ein Sozialticket hier in diesem Haus zusammengesessen und überlegt, wann wir die Partybahn der BOGESTRA anmieten, um die Einführung des Sozialtickets im VRR zu feiern.
CDU und Grüne hatten Anfang 2010 im VRR vereinbart, dass es zum 1. August ein Ticket für 15 Euro geben soll. Das war zwar nicht das, was wir als Sozialticket gefordert hatten. Aber immerhin, es hätte ein Schritt in die richtige Richtung sein können. Ich sage “hätte”. Denn es kam völlig anders.
Die Verkehrsbetriebe starteten eine regelrechte Kampagne gegen das Sozialticket.
Wider besseren Wissens wurden die unglaublichsten Argumente in Stellung gebracht, warum ein Sozialticket unbezahlbar sei. Die CDU knickte ein, und rückte von ihrer Koalitionszusage mit den Grünen ab. Erst nach einer Marketingstudie sollte neu überlegt werden, wie das Ticket aussehen sollte. Als neuer Termin wurde der 1.1. 2011 versprochen.
Die SPD im VRR zeigte hämische Freude, dass die Grünen von der CDU über den Tisch gezogen worden waren. Die CDU hatte mit Grüner Hilfe ihre Pöstchen im VRR behalten, aber die Grünen hatten das von der CDU versprochene Sozialticket nicht erhalten.
Von verantwortungsvollen Politikerinnen und Politikern in der SPD hätte ich erwartet, dass sie die Taktierereien hinten an stellen, an die betroffenen Menschen denken und das umsetzen, was sie versprochen haben, als sie noch keine Mehrheit im VRR hatten.
Seit der letzten Kommunalwahl gibt es eine Mehrheit von SPD und Grünen im VRR, die von heute auf morgen das umsetzen könnte, was SPD und Grüne immer versprochen haben, Nämlich die Einführung eines Sozialtickets. Im Landtag stellen SPD und Grüne Gelder für ein Sozialticket zur Verfügung und im VRR sind sie unfähig bzw. unwillig, ein Sozialticket einzuführen, das diesen Namen auch verdient.
Ich finde es erbärmlich, dass CDU, SPD und Grüne im VRR wegen persönlicher Eitelkeiten und bornierten Taktierereien die Einführung eines Sozialtickets blockieren. Dies passiert auf dem Rücken der Ärmsten in unserer Gesellschaft. Ihnen wird das Grundrecht auf Mobilität vorenthalten. Die Verantwortlichen sollten sich schämen.
Wir werden mit unserem heutigen 4. Ratschlag zum Sozialticket deutlich machen, dass all die Argumente, die die Koalition der Unwilligen im VRR gegen das Sozialticket auffahren, nicht stichhaltig sind. Die betriebswirtschaftlichen und volkswirtschaftlichen Aspekte wird Prof. Dr. Bontrup in einem Einstiegsreferat beleuchten.
Wir werden einen Rückblick auf die Erfolgsgeschichte des Dortmunder Sozialtickets - ich meine das Sozialticket der ersten zwei Jahre - unternehmen. Schließlich wollen wir nach Hannover blicken. Dort gibt es ein Almosenticket, das die SPD jetzt auch im VRR einführen will.
Ein Schwerpunkt unseres Ratschlages soll es sein, Lehren aus den Beispielen zu ziehen, wo es Sozialtickets gibt.
Keines dieser Beispiele genügt allen Anforderungen, die wir haben. Aber an unterschiedlichen Lösungen lässt sich aufzeigen, dass alles das, was wir fordern, umsetzbar ist, wenn es denn politisch gewollt ist.
Stefan Nölle, der auch dieses Mal wieder die Einladung für den Ratschlag grafisch gestaltet hat, macht ja nicht nur schöne Flyer. Jedes Mal transportiert er auch sehr eindringlich, worum es uns geht.
Wenn im Hintergrund der Einladung Plattenbauten zu sehen sind, deren Bewohnerinnen und Bewohner durch einen Damm vom Nahverkehr getrennt sind, dann bringt dies auf den Punkt, warum wir uns heute hier treffen. Wir fordern, dass niemand in unserer Gesellschaft in seinem Grundrecht auf Mobilität eingeschränkt wird.
Und wenn wir auf dem Flyer durch ein Gitter auf den Bahnsteig schauen, dann erinnert mich das daran, was aus Berlin bekannt ist:
Ein Drittel der Inhaftierten der JVA Berlin-Plötzensee sitzt wegen “Beförderungserschleichungen” ein.
In was für einer Gesellschaft leben wir, die lieber 100 Euro pro Tag für einen Insassen eines Gefängnisses aufbringt, als ein bezahlbares Sozialticket einzuführen.
Ich wünsche uns einen erfolgreichen Verlauf unseres Ratschlages und hoffe Euch bzw. Sie möglichst bald zu unserer Fahrt mit der Boogiebahn der BOGESTRA einzuladen, um gemeinsam die erfolgreiche Einführung des Sozialtickets im VRR zu feiern.
Hierfür müssen wir nicht nur beratschlagen, sondern auch kämpfen. Hierfür: Glück auf!
Quelle: www.bo-alternativ vom 25.05.11