Hartz IV im Schnellverfahren
Klagewelle gegen Jobcenter. Regierung erschwert Zugang zu Sozialgerichten
Die Bundesregierung will die Verfahren vor den Arbeits- und Sozialgerichten beschleunigen. Am Mittwoch stimmte das Kabinett einem Gesetzentwurf zu, mit dem unter anderem auf die Klagewelle vor den Sozialgerichten im Zusammenhang mit »Hartz IV« reagiert werden soll. Die Sozialgerichte sind zuständig für Leistungen der gesetzlichen Sozialversicherungen sowie für Sozialhilfe und Arbeitslosengeld II.
Nach Angaben des Bundesarbeitsministeriums sieht der Entwurf vor, daß eine Revision zum Landessozialgericht erst ab einem Streitwert von 750 statt bislang 500 Euro zulässig sein soll. Verfahren »von grundlegender rechtlicher Bedeutung« sollen jedoch sofort vor den Landessozialgerichten verhandelt werden können. Insgesamt sollen aber die besonders niedrigen Anforderungen und Hürden für eine Klage vor den Sozialgerichten erhalten bleiben, betonte das Ministerium.
Außerdem ist geplant, daß Arbeitnehmer im Streit mit ihrem Arbeitgeber zusätzlich zum Unternehmenssitz künftig auch an dem Ort klagen können, an dem sie gewöhnlich arbeiten. Versäumt ein Arbeitnehmer ohne eigenes Verschulden die dreiwöchige Klagefrist gegen eine Kündigung, so soll künftig kein gesondertes »Zwischenverfahren« mehr nötig sein, um die Klage nachträglich zuzulassen. Bei Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung soll der Zugang zum Bundesarbeitsgericht beschleunigt werden.
Wie der Informationsdienst sozial-ticker.com am Dienstag unter Berufung auf die Justizverwaltung mitteilte, sind im Oktober beim Berliner Sozialgericht 2051 Klagen und Eilanträge in Sachen »Hartz IV« eingegangen. Noch nie habe das größte deutsche Sozialgericht so viele Hartz-IV-Verfahren pro Monat gezählt. Eine wesentliche Ursache für den aktuellen Anstieg der Gerichtsverfahren dürfte der Streit darüber sein, welche Mieten die Berliner Jobcenter für die Bezieher von Hartz-IV-Leistungen zahlen müssen. Laut Gesetz sind die Behörden zur Übernahme der »angemessenen« Miete verpflichtet. Bislang fehlen klare gesetzliche Vorgaben, was darunter zu verstehen ist. Die Berliner Sozialverwaltung akzeptiert laut einer internen »Ausführungsvorschrift« im Regelfall 360 Euro für einen Einpersonenhaushalt, 444 Euro bei zwei Personen und 542 Euro für einen Dreipersonenhaushalt – jeweils als »Brutto-Warm-Miete«.
Laut Gesetz müssen die Behörden die Angemessenheit der Miete sowohl bei bestehenden Mietverträgen überprüfen als auch vor einem Umzug. Vermehrt vor Gericht kommen inzwischen auch Konflikte über Sanktionen, die das Job-Center verhängt, weil der Arbeitslose sich nach Auffassung der Behörde zu wenig um neue Arbeit bemüht hat. Streit gibt es auch darum, in welcher Höhe Einkommen beispielsweise aus Mini-jobs auf das Arbeitslosengeld II anzurechnen ist. (jW/AFP)
Quelle: Junge Welt vom 15.11.07