Hiobsbotschaften vom Arbeitsmarkt – Siegesmeldungen von der Börse
2005 war ein Jahr, in dem die ökonomischen und sozialen Gegensätze weiter gewachsen sind. Die Kluft zwischen Hummer und Eintopf ist größer geworden. Explodierende Gewinne auf der einen Seite – Arbeitsplatzabbau auf der anderen.
Viele Menschen sind verunsichert. Die Angst vor dem sozialen Abstieg reicht bis weit in den Mittelstand. Während der „soziale Kitt“ in der Gesellschaft weiter bröckelt, wird auch die Kritik am Verhalten von Unternehmen und Managern lauter.
Das Jahr 2005 war ein Spitzenjahr für
Großaktionäre und Top-Manager!
In den deutschen Konzernen
herrscht immer noch Feiertagsstimmung.
Süßer die Kassen
selten klingelten!
- 2005 war ein „fulminantes Börsenjahr“ – die DAX-Werte stiegen im Durchschnitt um 28 Prozent.
- 2005 war ein Superjahr für die Konzerngewinne. Die Profite der 30 DAX-Unternehmen sind lt. Handelsblatt noch stärker gestiegen als im „Spitzenjahr 2004“.
- 2005 hat sich auch für die Manager „gelohnt“. Die Vorstandsmitglieder der größten deutschen Unternehmen erhielten durchschnittlich eine Vergütung von 1,6 Millionen Euro, noch einmal acht Prozent mehr als ein Jahr zuvor.
Für die Beschäftigten war das vergangene Jahr alles andere als ein „Spitzenjahr“!
2005 war vor allem ein Jahr des
Stellenabbaus. Anfang des Jahres übersprang die Arbeitslosenzahl
erstmals die 5 Millionengrenze. Über 120.000 Arbeitsplätze
wurden zusätzlich in 2005 vernichtet. Dabei stieß
besonders bitter auf, dass selbst a.o. profitable Unternehmen zum
Stellenabbau mit beigetragen haben.
2005 war auch ein Jahr des
Reallohnabbaus, denn in den meisten Tarifbereichen ist es – trotz
teilweise massiver Tarifauseinandersetzungen - nicht gelungen, die
Preissteigerungsrate auszugleichen.
Der Niedriglohnsektor wächst
Derzeit wird in Deutschland – wieder einmal – über Lösungen für die Beschäftigung von Geringqualifizierten diskutiert. Forderungen aus der Union haben die Debatte um Kombilohn-Modelle neu entfacht. Fast täglich werden uns neue Vorschläge offeriert. Dabei ist diese Debatte keineswegs neu, denn es existieren bereits verschiedene Modelle und Erfahrungen (u.a. mit dem „Mainzer Modell“).
Was in der Diskussion meist völlig vergessen wird ist die Tatsache, dass wir in Deutschland schon längst einen großen Niedriglohnsektor haben, der von Jahr zu Jahr noch größer wird. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hat in einer Studie (IAB-Kurzbericht 3/2005) festgestellt, dass der Anteil der Niedriglohnverdiener unter den Vollzeitbeschäftigten seit 1997 deutlich zugenommen hat.
Im Einzelnen kommt das IAB zu folgenden Ergebnissen:
Nach den letzten statistischen Erhebungen (2001) arbeiteten in Deutschland 3.630.000 Menschen im Niedriglohnsektor, das ist ein Sechstel aller Vollzeit-Beschäftigten.
Der Anteil der Niedriglohnempfänger ist seit 1997 von 15,8 auf 17,4 Prozent gestiegen.
Die Niedriglohnempfänger sind überwiegend Niedriglohnempfängerinnen; Frauen stellen mit 57 Prozent die Mehrheit.
- Ein überdurchschnittliches Niedriglohnrisiko tragen neben den Frauen vor allem Geringqualifizierte, Jugendliche und junge Erwachsene, Beschäftigte in Kleinbetrieben sowie im Dienstleistungsbereich und Handel.
Die „Aufstiegsmobilität“ der Niedriglohnarbeiter in höhere Lohngruppen ist in den letzten Jahren deutlich gesunken. Nur noch jede/r Dritte schafft es, aus dem Niedriglohnsegment aufzusteigen. Damit erhöht sich das Risiko der Niedriglohnarmut.
Hinsichtlich der Aufstiegsperspektiven ist Deutschland Schlusslicht.
In der öffentlichen Debatte wird immer wieder behauptet, dass Geringqualifizierte nur mittels staatlicher Zuschüsse in Arbeit kommen könnten. Dabei wird allerdings übersehen, dass schon jetzt von den im Niedriglohnsektor Arbeitenden nur 15,2 Prozent ohne Ausbildung sind. Dagegen verfügen immerhin 60 Prozent über eine abgeschlossene Ausbildung. Das bedeutet, dass auch der Niedriglohnsektor immer mehr von qualifizierten Arbeitskräften besetzt wird!
Erfahrungen aus der Vergangenheit zeigen im Übrigen, dass Kombi-Löhne oft von den Arbeitgebern genutzt werden, um die Tariflöhne zu drücken.
„Flächendeckende Kombi-Löhne kosten viele Milliarden, ohne dass es am Arbeitsmarkt zu einer Verbesserung kommt. Es kommt nur zu einer Umfinanzierung von Lohnbestandteilen auf Kosten der Allgemeinheit.“ (Frank Bsirske im Interview mit der Berliner Zeitung vom 02.Januar 2006
Anteile
ausgewählter Beschäftigungsgruppen im Niedriglohnsektor
|
Anteil an allen Vollzeitbeschäftigten |
Anteil aller im Niedriglohnsektor Beschäftigter |
Frauen
|
34,9 |
57,0 |
ohne abgeschlossene Berufsausbildung |
11,5 |
15,2 |
mit abgeschlossener Berufsausbildung |
63,3 |
60,0 |
Beschäftigte in Kleinbetrieben (bis 20 Besch.) |
26,7 |
52,7 |
Beschäftigte im Dienstleistungssektor |
32,4 |
45.0 |
Beschäftigte im Handel |
12,7 |
15,9
|
Quelle: IAB-Kurzbericht 3/05, S.3.
Als Niedriglohn definiert das
IAB einen Lohn, der unterhalb 2/3 des Durchschnittslohnes aller
erfassten Vollzeitbeschäftigten liegt. Im Jahre 2001 lag
diese Schwelle umgerechnet auf ein Brutto-Monatsgehalt in
Gesamtdeutschland bei 1.630 Euro. Sonderzahlungen und Zuschläge
sind darin anteilig enthalten.
Und Frauen bekommen sowieso weniger
Wie der Frauen-Daten-Report 2005 des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) belegt, haben die Frauen im Bereich der schulischen Bildung die Männer überholt. Ihre Position auf dem Arbeitsmarkt ist aber deutlich schlechter. Nur in Estland und Slowenien ist der Abstand zwischen Männerund Frauen-Einkommen größer.
Die wichtigsten Ergebnisse der Studie im Überblick:
Frauen haben bei der Bildung stark aufgeholt: Im Jahre 2004 hatten 40,6 Prozent der 25-bis unter 30-jährigen Frauen und 37,8 Prozent der gleichaltrigen Männer ihre Schulausbildung mit Abitur abgeschlossen. Bei Hochschulabschlüssen sind Frauen und Männer gleich stark vertreten.
Bei der Wahl der Ausbildungsberufe und Studienfächer gibt es nach wie vor signifikante Unterschiede. Frauen konzentrieren sich auf Sozial- und Dienstleistungsberufe sowie auf kultur- oder sprachwissenschaftliche Fächer. Diese sind in unserer Gesellschaft (immer noch) geringer bewertet und bezahlt.
Die Erwerbstätigenquote der Frauen lag bei knapp 60 Prozent. Im europäischen Vergleich liegt Deutschland damit nur an zehnter Stelle. Wie die Untersuchung zeigt, ist der Anstieg der Frauenerwerbstätigkeit seit dem Jahre 2000 praktisch zum Erliegen gekommen. Der Zuwachs der Frauenbeschäftigung in den 90er Jahren erklärt sich fast ausschließlich aus den massiven Zuwächsen der Teilzeitarbeit. Seit 1991 stieg die Zahl der Frauen in Teilzeitjobs um 1,8 Millionen. Im gleichen Zeitraum sank die Zahl der vollzeitbeschäftigten Frauen um 1,6 Millionen.
Dem entsprechend öffnete sich die Schere zwischen den durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeiten. Heute arbeiten Männer im Durchschnitt zehn Stunden länger als Frauen.
Das durchschnittliche Einkommen von Frauen mit Vollzeittätigkeit liegt in Deutschland deutlich unter dem der Männer. Egal ob nach Alter, Ausbildung oder Branche differenziert wird, das Jahreseinkommen der Männer ist überall höher als das der Frauen. In Westdeutschland beträgt der Unterschied 23 Prozent. Der Aufholprozess der letzten Jahre ist damit ins Stocken geraten. In Ostdeutschland öffnet sich die Schere sogar schon wieder.
Unter den 25 EU-Ländern gibt es nur zwei, in denen die Lohnkluft zwischen Slowenien. Wie die Untersuchung im Einzelnen belegt, geht fast ein Drittel dieser Einkommensunterschiede auf geschlechtsspezifische Diskriminierung zurück.
Weitere Informationen:
WSI-FrauenDatenReport 2005, Handbuch zur wirtschaftlichen und sozialen Situation von Frauen, edition sigma, Berlin (2005)
Siehe auch: www.boeckler.de
Quelle: ver.di NRW,Januar 2006