Schwarz-Gelb verwässert Programme gegen Rechts
Rechtsextremismus wird in Koalitionspapier verharmlost: Laut Koalitionsvertrag sollen sich die Bundesprogramme gegen Rechtsextremismus künftig auch gegen Linke und Islamisten wenden. Die Zukunft der Programme ist ungewiss.
Union und FDP wollen die bestehenden Programme gegen Rechtsextremismus in allgemeine Anti-Extremismusprogramme umwandeln. So sieht es der Entwurf des Koalitionsvertrags vor, den die Amadeu Antonio Stiftung veröffentlichte. Sie sollen sich künftig nicht mehr auf die Bekämpfung des Rechtsextremismus konzentrieren, sondern sich auch gegen Linksextremismus, Antisemitismus und Islamismus wenden. Das Bündnis für Demokratie und Toleranz wird in dem von der AG Inneres beschlossenen Entwurfstext explizit aufgefordert, sich stärker allen Formen des Extremismus zu widmen. Die erweiterte Aufgabenbeschreibung gilt auch für den Opferfonds der Bundesregierung.
Rechtsextremismusexperten kritisieren die Gleichsetzung. »Damit wird die Gefahr des Rechtsextremismus bagatellisiert«, erklärte der Stiftungskoordinator der Amadeu Antonio Stiftung, Timo Reinfrank. Zudem seien die Phänomene so unterschiedlich, »dass es nicht sinnvoll ist, sie in einem Programm zu bekämpfen«.
Die zwei zentralen Bundesprogramme gegen Rechtsextremismus stehen damit einmal mehr vor einer ungewissen Zukunft. Auch wenn es nicht um ihre Abschaffung geht, befürchten die Träger von Projekten gegen Neonazis, dass künftig mehr aus demselben Topf finanziert wird, ohne zusätzliche Mittel bereitzustellen. Das wäre eine Kürzung durch die Hintertür. »Erfolgreiche und erprobte Ansätze und Projekte werden so in Frage gestellt«, sagte Reinfrank. Die Bundesprogramme verfügen derzeit über ein Jahresbudget von rund 24 Millionen Euro. Daraus werden unter anderem Lokale Aktionspläne (LAP) in Kommunen sowie Beratungsnetzwerke gefördert.
Seit Jahren gibt es immer wieder Vorstöße vor allem aus den Reihen der Union, die Programme zu verwässern. Nun sei endlich ein »antitotalitärer Konsens« erzielt worden, äußert sich Kristina Köhler, zuständige Berichterstatterin der Union, dementsprechend erfreut. »Zwischen den einzelnen Extremismusformen aufzurechnen und die Bekämpfung des Islamismus und des Linksextremismus zu tabuisieren verhöhnt alle Opfer extremistischer Gewalt«, erklärte sie am Freitag.
Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der Bundestagslinken, wirft der künftigen Bundesregierung dagegen vor, den Kampf gegen die Gefahr von rechts »aus rein ideologischen Motiven« zu schwächen. Sie verweist auf 141 Menschen, die seit 1993 von Neonazis umgebracht wurden. Timo Reinfrank macht auf einen weiteren Unterschied zwischen linker und rechter Szene aufmerksam. Durch ständige Gewaltandrohung gelinge es den Neonazis, in vielen Orten eine Hegemonie im Alltag durchzusetzen. »Linke dagegen schaffen keine No-Go-Areas .«
Koalitionsentwurf
»Bekämpfung des politischen Extremismus
Gewalttätige und extremistische Formen der politischen Auseinandersetzung nehmen wir nicht hin. Extremismen jeder Art, seien es Links- oder Rechtsextremismus, Antisemitismus oder Islamismus, treten wir entschlossen entgegen. (...) Die Ursachen von Extremismus wollen wir mit einem langfristigen Engagement und einer nachhaltigen Prävention bekämpfen. Aussteigerprogramme gegen Extremismus werden wir weiterentwickeln, ihre Finanzierung sicherstellen und dabei Schwerpunkte in gefährdeten Regionen setzen. Die Aufgabenfelder des Fonds für Opfer rechtsextremistischer Gewalt sowie des Bündnisses für Demokratie und Toleranz sollen auf jede Form extremistischer Gewalt ausgeweitet werden.«
Statistik
Jahr 2008
- registrierte Straftaten rechts: 19 894 Delikte (+15,8 Prozent) Gewalttaten: 1042 (+6,3 Prozent)
- registrierte Straftaten links: 3124 Delikte (+13 Prozent) Gewalttaten: 701 (-15,8 Prozent)
- seit 1990: 143 Todesopfer rechtsextremer Gewalt (VS/CURA)
Quelle: Neues Deutschland vom 24.10.09