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VRR-Pläne: DSW-Chef Pehlke zweifelt an Sozialticket

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Nicht nur in der Politik, auch bei den Stadtwerken (DSW 21) gibt es erhebliche Zweifel an der Finanzierbarkeit eines von CDU und Grünen geplanten Sozialtickets für den gesamten Verkehrsverbund Rhein Ruhr (VRR).

DSW-Chef Guntram Pehlke warnt vor einem „Schnellschuss“ zu Lasten von Städten und Verkehrsunternehmen. Über Zeitpunkt der Einführung und Preise müsse neu nachgedacht werden. Bei Abo-Preisen von 16 bzw. 23 Euro sei ein Defizit von rund 40 Mio. Euro im gesamten VRR zu befürchten. Die Stadtwerke kalkulieren mit Einnahmeausfällen von etwa 3,5 Mio. Euro.

Gegenfinanzierung erforderlich

„Wir sind nicht gegen ein Sozialticket, halten aber eine seriöse Gegenfinanzierung für zwingend erforderlich“, betont Pehlke. „Die ist bei einem angedachten Preis von 23,00 Euro für ein Ticket, das regulär 50,48 Euro im Abonnement kostet, nicht möglich.“

"Kundenunfreundlich"

Die Vorschläge von CDU und Grünen zur Gegenfinanzierung, hält der DSW-Chef für „stillos“ und „kundenunfreundlich“: „Wer das Bären-Ticket für Senioren infrage stellt oder die Preise für Pendler, die tagtäglich weite Strecken zum Arbeitsplatz zurücklegen, drastisch erhöhen will, um das Sozialticket zu finanzieren, spielt Kundengruppen gegeneinander aus. “

Und für die DSW seien weitere finanzielle Belastungen nicht zu verkraften. 

Quelle: RN vom 12.02.10

Sorgfalt geht vor Eile

Die Fraktionen von CDU und Bündnis 90/Die Grünen im Zweckverband des VRR haben am 28. Januar eine Koalitionsvereinbarung zur verbundweiten Einführung eines SozialTickets im VRR zum 1. August dieses Jahres beschlossen. Wie die anderen Unternehmen im VRR befürchtet auch DSW21, dass es sich dabei um einen »Schnellschuss« handelt, der deutlich zu Lasten der Kommunen und kommunalen Verkehrsunternehmen im VRR geht. 23,00 € statt 50,48 € soll das Ticket in der Preisstufe A2 (gültig z.B. in ganz Dortmund), 16,00 € statt 36,81 € als 9-Uhr-Variante im Abonnement kosten. Basierend auf den Dortmunder Erfahrungen der letzten beiden Jahre befürchten viele Unternehmen ein Defizit von rund 40 Mio. € pro Jahr im gesamten VRR, DSW21 rechnet mit Einnahmeausfällen in einer Größenordnung von etwa 3,5 Mio. €. DSW21-Vorstandsvorsitzender Guntram Pehlke: „Wir sind nicht gegen ein SozialTicket, halten es aber für zwingend erforderlich, eine seriöse Gegenfinanzierung aufzustellen. Diese ist bei einem angedachten Preis in Höhe von 23,00 € für ein Ticket, das regulär 50,48 € im Abonnement kostet, nicht möglich.“ Die Vorschläge zur Gegenfinanzierung, die von den Koalitionären im Zweckverband bislang angedacht wurden, hält Pehlke für wenig tauglich: „Wer das BärenTicket für Senioren infrage stellt oder die Preise für Pendler, die tagtäglich weite Strecken zum Arbeitsplatz zurücklegen, drastisch erhöhen will, um das SozialTicket zu finanzieren, spielt Kunden gruppen gegeneinander aus. Das ist stillos, kundenunfreundlich und somit kein gangbarer Weg. Wir raten dem VRR-Verwaltungsrat, der Ende März einen Beschluss fassen soll, dringendst, den Preis für das SozialTicket und den Zeitpunkt der Einführung sorgfältig zu prüfen und dazu den Sachverstand der kommualen Verkehrsunternehmen und des VRR einzubeziehen.“ Während des zweijährigen Modellversuchs, in dem das SozialTicket in Dortmund für 15,00 € angeboten wurde, haben sich Verluste von insgesamt knapp 12 Mio. € angesammelt, weil viele SozialTicket-Kunden ihre vorherigen Abos zum Normalpreis gekündigt oder erheblich weniger für BarTickets ausgegeben haben. Die Verluste wurden während des Modellversuchs zu einem erheblichen Teil von der Stadt ausgeglichen. Das VRR-weite Modell ist jedoch so angelegt, dass in Dortmund die Verluste allein von DSW21 getragen werden müssten. Guntram Pehlke: „Der im Nahverkehr erzielte Betriebsverlust wird sich bei DSW21 wie schon 2008 auch für 2009 in einer Größenordnung von rund 55 Mio € bewegen. Weitere Belastungen können wir nicht verkraften. Deshalb appellieren wir an den VRR-Verwaltungsrat, die Einführung eines neuen SozialTickets gründlich und in Abstimmung mit den Unternehmen zu planen.“

Quelle: PM DSW21 vom 11.02.10

 

Leserbrief

zu den Äußerungen von Herrn Pehlke in der jüngsten Ausgabe des City-Anzeigers („DSW21 gegen 'schnelles' SozialTicket“)

Wir sind schon erstaunt, dass DSW-Chef Pehlke mit einer Mehrbelastung für das VRR-Sozialticket von nur 3,5 Mio. € rechnet. Heißt das nicht im Umkehrschluss, dass die Stadt Dortmund für das lokale Sozialticket im letzten Jahr mit 7 Mio. €  rund 1,2 Mio. Euro zu viel überwiesen hätte? Denn mehr käme nicht heraus, wenn man den Preisunterschied von 8 Euro zwischen bisherigen Dortmunder Sozialticket und dem geplanten VRR-Sozialticket (Preisstufe A2) hochrechnet.

2. Frage: Was sind 3,5 Mio. Euro an jährlicher Mehrbelastung, wenn diese sich auf ein sozialticket-generiertes Fahrgastvolumen von mindestens 10 Millionen verteilte? Maximal 35 Cent pro Fahrgast und Fahrt, fast nichts im Vergleich zu den 14 Euro, die die DSW21 am Flughafen pro Passagier und Ticket dazuschiessen.
Dies sind beileibe keine Phantasiezahlen. Schon im Jahr 2008, also im Jahr der Einführung des kommunalen  Sozialtickets, war die Zahl der DSW-Fahrgäste gegenüber dem Vorjahr um 9,2 Mio. hochgeschnellt - von 130,0 auf 139,2 Millionen. Dies stellte in der Geschichte der Dortmunder Verkehrsbetriebe einen neuen Passagierrekord da - und es ist zu erwarten, dass dieser Wert im vergangenen Jahr (2009) sogar noch mal um einige Millionen übertroffen wurde.

Und was den Betriebsverlust von 55 Mio. € angeht, Herr Pehlke, werden auch Sie uns zustimmen, dass der für ein Verkehrsunternehmen dieser Größenordnung nichts ungewöhnliches ist. Kostendeckend wird der ÖPNV ohnehin nie zu betreiben sein, es sei denn, man modelte ihn zu einem upper-class-Angebot um. Aber dann wäre es kein Öffentlicher Verkehr mehr.

Sicher, vor 30 Jahren betrug das Jahresdefizit der DSW mit – umgerechnet - knapp 30 Mio. € nur die Hälfte des derzeitigen Verlustes. Dafür sind aber nicht Ihre Fahrgäste oder eine unterdurchschnittliche Einnahmenentwicklung verantwortlich zu machen, sondern in erster Linie die davongalloppierenden Betriebs- und Instandhaltungskosten. Etwas früher aufgewacht, hätten sich die Stadtwerke vielleicht ja doch etwas kritischer zum Bau der - im Betrieb außerordentlichen kostenintensiven - Stadtbahn positioniert.

Heiko Holtgrave
AKOPLAN – Institut für ökologische und soziale Planung e.V.
44147 Dortmund








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