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Zensus 2011

Nächsten Montag – am 9. Mai – ist der Stichtag des Zensus 2011. Früher hieß das einfach Volkszählung. Nach 24 Jahren wird in Deutschland wieder einmal gezählt. Erfasst werden die Menschen, wie sie wohnen, was sie arbeiten, welche Ausbildung sie haben und vieles ähnliches mehr.

Aber nicht nur die Bezeichnung hat sich geändert. 1987 - bei der letzten Volkszählung in Westdeutschland – gingen die Befrager noch von Wohnung zu Wohnung. Heute läuft das alles viel dezenter ab. Und kaum ein Mensch weiß etwas darüber oder interessiert sich dafür.

Genau genommen läuft die Zählung schon seit dem 1. November 2010. Seitdem werden Daten gesammelt. Und zwar von Meldeämtern, Arbeitsagenturen und weiteren Behörden. Die Datensätze werden gesammelt und ohne jegliche Anonymisierung beim Bundesamt für Statistik zusammengeführt. Jeder Haushalt bekommt eine Ordnungsnummer unter der die zugehörigen Daten gesammelt werden. Eine gigantische Datenbank wird aufgebaut. Daten wie Name und Anschrift, anhand derer Menschen identifiziert werden können, müssen erst nach vier Jahren gelöscht werden.

Darüber hinaus werden aber auch noch Menschen befragt. Da sind zunächst einmal alle Hausbesitzer, die Auskunft über ihre Häuser und Wohnungen geben müssen. Außerdem müssen 10 % der Bevölkerung Auskunft geben. Bewohner von Wohnheimen, Gefängnissen u.ä. werden komplett befragt – bzw. die Anstaltsleitung gibt Auskunft. Außerdem müssen in Dortmund ca. 21.000 Menschen mit einer Befragung rechnen. Sie werden per Zufallsgenerator ausgewählt und zwischen Mai und Juli irgendwann von einem Volkszähler besucht. Wer ausgewählt wurde muss Auskunft geben – ansonsten droht ein Zwangsgeld von bis zu 5000 Euro. Rechtliche Schritte dagegen sind zwar grundsätzlich Möglich – aber praktisch wohl nicht ganz so einfach durchzusetzen.

Die Interviewer werden sich bei den ausgewählten Personen in den nächsten Wochen anmelden. Man muss diese Menschen aber nicht in die Wohnung lassen. Die Fragebögen kann man auch selber ausfüllen und per Post einschicken – oder die Fragen gleich im Internet beantworten. Das ist vielleicht auch empfehlenswert. Es ist nicht ganz klar wer da so alles als Interviewer unterwegs ist. Die Stadt Dortmund hat z.B. unter den Studierenden der FH Dortmund nach Interviewerinnen gesucht. Aber auch die NPD Dortmund empfahl ihren Mitgliedern sich für diese ehrenamtliche Tätigkeit zu melden. Ein Schelm wer böses dabei denkt. Ganz so ehrenamtlich ist die Tätigkeit als Interviewer auch nicht. 7,50 Euro gibt es für einen beantworteten Fragenbogen. Das Ausfüllen des Bogens soll eine halbe Stunde dauern.

Es ist schon bemerkenswert, dass sich kaum jemand daran stört, dass gerade diese gigantische Datenbank aufgebaut wird. Seit der letzten Volkszählung 1987 bzw. der gescheiterten von 1983 hat sich offenbar vieles geändert. Damals sorgte die Angst vor dem gläsernen Bürger und Überwachungsstaat noch dafür, dass sich in kurzer Zeit über 1000 Bürgerinititativen gegen die Volkszählung bildeten. Selbst das Westfalenstadion kam durch eine Boykottinitiative in die Schlagzeilen. Vor einem Bundesligaspiel gegen den HSV hatten Unbekannte mit weißer Farbe „Boykottiert und sabotiert die Volkszählung“ auf den Rasen geschrieben. Die Farbe widersetzte sich allen Entfernungsversuchen. Damit das Spiel trotzdem stattfinden konnte wurden 3 Wörter hinzugefügt. Zu lesen war danach: „Der Bundespräsident: Boykottiert und sabotiert die Volkszählung nicht.“

Auch wenn die Volkszählung dann 1987 doch noch durchgeführt wurde hatte der damalige Widerstand weitreichende Auswirkungen. Kritiker der damaligen Zählung klagten vor dem Bundesverfassungsgericht. Sie hatten beanstandet, dass die Ausführlichkeit der Fragen Rückschlüsse auf die Identität der Befragten zulasse, somit den Datenschutz unterlaufe und damit folglich gegen das Grundgesetz verstoße. Das Bundesverfassungsgericht gab den Klägern im Dezember 1983 recht und formulierte im sogenannten Volkszählungsurteil das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, welches sich aus der Menschenwürde (Artikel 1 Grundgesetz) und dem Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Artikel 2 Absatz 1 Grundgesetz) ableitet.

Gegen die aktuelle Volkzählung wurden bereits im letzten Sommer 2 Klagen beim Bundesverfassungsgericht eingereicht. Beide Klagen wurden aus formalen Gründen vom Gericht nicht angenommen. Neue Klagen sind zur Zeit immerhin in Vorbereitung. Weiterer Widerstand ist nicht in Sicht. Der große Bruder freut sich schon.

 

 

 

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