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Putzstelle mit 75 Jahren - weil's sonst nicht zum Leben reicht

Das Problem der Altersarmut verschärft sich. Während es derzeit jeden vierten Rentner betrifft, könnte es nach aktuellen Berechnungen des DGB schon bald jeder dritte Renter in Dortmund sein. Als arm gilt ein männlicher Rentner mit 1040 Euro, eine Rentnerin mit 720 Euro Rente im Monat.

Die Zeiten, in denen der so genannte Eckrentner Maßstab war, neigen sich dem Ende entgegen. Denn, wie auch Eberhard Weber, Vorsitzender des DGB Östliches Ruhrgebiet, zu berichten weiß, ist das eine aussterbende Spezies. „45 versicherungspflichtige Beschäftigungsjahre bei gutem Einkommen sind die Ausnahme. Vor allem bei Frauen.” Vor allem in Dortmund, der Hochburg der Mini-Jobber, werde zum Teil sowenig verdient, dass die Erwerbstätigen kaum etwas in die Rentenkasse einzahlen könnten.

Der DGB fordert daher im Schulterschluss mit der IG Metall, der Katholischen Arbeitnehmerbewegung (KAB), dem Sozialverband Deutschland (SoVD), der AWO, dem Sozialverband VdK Deutschland und dem Mieterverein: Einführung einer Erwerbstätigenversicherung, Mindestlöhne (keine Arbeit für weniger als 7,50 Euro Stundenlohn) und das Herabsetzen des Rentenalters von derzeit 67 Jahren.

Wie drastisch sich Altersarmut auswirken und wen sie betreffen kann, schilderten am Dienstag die Vertreter der Gewerkschaften und Verbände. Gemeinsam werden sie am Freitag, 24. April, zwischen 13 und 17 Uhr auf dem Reinoldikirchplatz, auf das Renten- und Armutsproblem aufmerksam machen. „Die Menschen machen sich zuwenig Gedanken”, bedauerte Klaus Kubitsch vom Sozialverband SoVD. „Lass mich zufrieden mit Rente” - kriege er häufig zu hören. Dabei wögen sich die Meisten zu Unrecht in Sicherheit. Das zeigten die Sprechstunden, in denen verarmte Alte um Rat fragten. „Aus Scham beantragen sie keine Hilfe”, sagt Kubitsch.

Aktionstag auf Reinoldikirchplatz

Häufig verarmen allein stehende Frauen. „Deren Renten reichen kaum aus, um Kranken- und Pflegeversicherung und Miete bezahlen zu können”, ergänzte Ralf Wiegand ( IG Metall). Georg Deventer, AWO Dortmund, bezeichnete es als „bedenklichste Entwicklung”, dass Mini-Jobber von ihren Löhnen nicht bedarfsgerecht in die Rentenkassen einzahlen können. Er wie alle anderen Mitglieder des neuen Renten-Netzwerkes werden auf jeden Fall streiten - für eine Rente, von der man leben kann.
Ärztin mit 900 Euro Rente

Die Ärztin einer Kinderpsychiatrie war mit ihren Kräften am Ende, wollte die Rente beantragen und wissen, welche Rente sie erwarten könne. Die Frau hatte Medizin studiert, geheiratet und ein Kind bekommen. Ihr Studium unterbrach sie für die Kindererziehung. Ihre erste Stelle trat sie mit 37 Jahren an. Insgesamt war sie 23 Jahre lang Angestellte eines Dortmunder Krankenhauses. Ihre Rente beträgt heute 904,23 Euro.

Viele verarmte Witwen

Der Seniorenbeirat und der VdK berichten von einem Heer von verarmten Witwen. Einer Witwe stehen 55 Prozent der Rente ihres verstorbenen Mannes zu. Nach Angaben Friedrich Hendlers, VdK, reicht es bei vielen gerade mal für Miete und Versicherung. Konkret bedeutet das, dass Frauen im hohen Alter anfangen zu arbeiten. Werbebroschüren austragen und Putzen sehen die zwischen 60 und 75 Jahre alten Frauen als Verdienstmöglichkeit. „Diese Fälle sind keine Ausnahme”, sagt Friedhelm Böcker vom Seniorenbeirat.

Quelle: WR vom 22.04.09

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