Etwas weniger Sozialabbau
Bundesbauministerium nimmt geplante Kürzungen beim Wohngeld teilweise zurück
Kommando zurück! Wie am Donnerstag bekannt wurde, soll das Wohngeld weniger stark gekürzt werden als bislang geplant. Dafür bekräftigte das zuständige Bundesbauministerium seine Absicht, den Heizkostenzuschuss für Geringverdiener komplett zu streichen.
»Das Wohngeld dient der wirtschaftlichen Sicherung angemessenen und familiengerechten Wohnens«, heißt es unmissverständlich im Wohngeld-Gesetz. Nach Schätzungen des Deutschen Mieterbundes erhalten derzeit rund 800 000 Geringverdiener und Kleinrentner den staatlichen Zuschuss. Die Höhe des Wohngeldes richtet sich dabei nach der Anzahl der Haushaltsmitglieder, der Miethöhe und dem Gesamteinkommen. Durchschnittlich zahlt Vater Staat 142 Euro Wohngeld pro bedürftigem Haushalt. Gerade weil der Bund den sozialen Wohnungsbau vernachlässigt, während die Mieten steigen und immer mehr Menschen als Billiglöhner arbeiten, ist der Zuschuss für viele von enormer Bedeutung.
Darum war der Aufschrei groß, als Anfang Juni bekannt wurde, dass die Bundesregierung plant, ihren Anteil zum Wohngeld um 200 Millionen Euro zu kürzen. Ein entsprechender Entwurf aus dem Bundesbauministerium sah vor, den Zuschuss um 40 Prozent zu kürzen und den Heizkostenzuschlag ganz zu streichen. Die Maßnahmen sollten Teil des gigantischen 80-Milliarden-Sparpakets der Bundesregierung sein. Die wohnungspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Heidrun Bluhm, bezeichnete die Pläne des Bauministeriums als »sozialpolitischen Kahlschlag«. Bluhm betonte, dass »sozial benachteiligte Haushalte bis zu 50 Prozent ihres Einkommens für Miete, Wohnnebenkosten und Heizkosten« ausgeben würden. Doch die Sparpläne stießen nicht nur bei Opposition und Sozialverbänden auf Kritik. Selbst der Koalitionspartner FDP wandte sich gegen das Vorhaben. Und so gelangte der Sparentwurf nicht einmal zur Ressortabstimmung.
Besonders heftig wetterte der Deutsche Städtetag gegen die Pläne. Aus gutem Grund: Denn durch die Kürzung des von Bund und Ländern finanzierten Wohngeldes hätten viele Betroffene Anspruch auf Unterkunftskosten nach dem Sozialgesetzbuch II. Hierfür sind hauptsächlich die Kommunen zuständig. »Das ist Haushaltssanierung des Bundes auf Kosten der Kommunen«, schimpfte die stellvertretende Hauptgeschäftsführerin des Städtetages, Monika Kuban, noch vor wenigen Tagen im Nachrichtenmagazin »Spiegel«.
So unter Druck geraten, entschloss man sich nun zur teilweisen Rücknahme der geplanten Einsparungen. Auch weil die Länder dem Vorhaben im Bundesrat wohl niemals zugestimmt hätten. Und so hieß es am Donnerstag in einer Meldung des Ministeriums, dass die Bundesregierung darauf verzichten werde, das Wohngeld um rund 40 Prozent zu kürzen. Allerdings halte man an der Streichung des erst im Jahre 2009 eingeführten Heizkostenzuschusses fest. Bundesbauminister Ramsauer (CSU) erhofft sich hier Einsparungen von rund 100 Millionen Euro.
Begründet wurde die Sparmaßnahme allerdings mit den im vergangenen Jahr gesunkenen Energiekosten. Offenbar ist dem Ministerium entgangen, dass die Preise inzwischen wieder angezogen haben.
Noch ist fraglich, ob der Zuschuss wirklich der ministeriellen Sparwut zum Opfer fallen wird. Denn die Länderkammer müsste der Streichung zustimmen. Ob sie das tut, ist ungewiss, denn Schwarz-Gelb hat dort keine Mehrheit mehr.
Quelle: Neues Deutschland vom 30.07.2010
Neue Risse im Sparpaket
Die Bundesregierung verabschiedet sich von der geplanten Kürzung des Wohngelds. Wie das Handelsblatt aus Regierungskreisen erfuhr, wurde das Vorhaben in dieser Woche fallengelassen.
„Wir haben uns darauf verständigt, das Wohngeld nicht zu kürzen“, hieß es gestern. Schwarz-Gelb will 80 Mrd. Euro bis zum Jahr 2014 weniger ausgeben. Bauminister Peter Ramsauer (CSU) sollte dazu unter anderem „disponible“ Mittel in Höhe von 200 Mio. Euro einsparen. Dies wollte er erreichen, indem er den Bundesanteil zum Wohngeld – im laufenden Jahr 791 Mio. Euro – entsprechend kürzt.
Ramsauers Pläne hatten allerdings heftige Proteste ausgelöst, wie auch in einer internen Verbändeanhörung des Ministeriums deutlich wurde. Der Städtetag beklagte später eine „Haushaltssanierung des Bundes auf Kosten der Kommunen“. Denn je niedriger das vom Bund gezahlte Wohngeld ausfällt, desto mehr Geringverdiener beantragen ergänzend Hartz-IV-Leistungen, für die zum Teil die Kommunen aufkommen.
Entsprechend begrüßte der Städtetag die jüngste Entscheidung der Regierung: „Viele einkommensschwache Haushalte hätten bei einer drastischen Kürzung des Wohngeldes Anspruch auf Unterkunftskosten nach dem Sozialgesetzbuch II, die vor allem die Kommunen finanzieren müssen“, sagte die stellvertretende Hauptgeschäftsführerin Monika Kuban dem Handelsblatt. Mit der Entscheidung würde „eine zusätzliche Belastung der Städte bei ihren ohnehin stetig steigenden Sozialausgaben“ vermieden.
Kritik hatten auch die Sozialverbände geübt. Der Mieterbund sprach von „sozialpolitischem Kahlschlag“. Die Kürzungspläne waren daher auch innerhalb der Koalition umstritten. Zuletzt protestierten auch unionsgeführte Länder wie Sachsen. Einer Wohngeld-Novelle hätte auch der Bundesrat zustimmen müssen. Dort haben Union und FDP seit dem Regierungswechsel in Nordrhein-Westfalen keine Mehrheit mehr.
Der vom zuständigen Bauministerium erarbeitete Gesetzentwurf kam daher gar nicht mehr zur Ressortabstimmung, wie es gestern hieß. Die Regierung halte aber an ihrem Beschluss fest, den Heizkostenzuschuss zum Wohngeld um insgesamt 100 Mio. Euro zu kürzen. Die 200 Mio. Euro, die die Kürzung des Wohngelds erbringen sollte, muss Ramsauer nun anderswo einsparen.
Quelle: Handelsblatt vom 29.07.2010