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Bildungsstreik : Freier Zugang zu besserer Bildung gefordert

„Sparst Du noch oder studierst Du schon?” Mit solchen Sprüchen zogen am Mittwoch rund 250 Hochschüler durch Dortmunds Innenstadt, um auf die ihrer Meinung nach bestehende Bildungsmisere hinzuweisen. Bei ca. 30.000 Hochschülern an TU und FH hatten die Veranstalter mit mehr Zulauf gerechnet.

Die neuen Abschlüsse, die Studiengebühren und Forderungen nach mehr Mitbestimmung bestimmten den „Bildungsstreik”. „Ich kann Ihnen ein konkretes Beispiel von den gescheiterten Bologna-Prozess nennen”, berichtete gestern BWL-Fachhochschülerin Lena (23) auf der Katharinentreppe, wo der kleine Demonstrationszug beginnt.

„Ich würde nach dem Bachelor-Abschluss gerne meinen Master in Schottland machen”, so Lena. „Dort wird mein Abschluss aber nicht anerkannt.” Dabei war der sogenannte „Bologna-Prozess” angetreten, die Hochschulabschlüsse zu harmonisieren. Denkste!

„Das ist alles noch nicht ausgereift”, bestätigt Studienkollege Ralph (28). Für ihn besteht „die Unsicherheit, was kann man mit dem Abschluss überhaupt anfangen?” Die „Zwischenphasen” des Systemwechsels sollten so abgeklärt sein, „dass man weiß, wo man steht.”

Defizite in der Bildung

„Auf Defizite in der Bildung aufmerksam machen” möchte Florian (22), der ein großes Transparent trägt. „Wir haben der TU-Rektorin im Herbst unsere Forderungen geschickt”, blickt er zurück. „Ja, die Pflichtveranstaltungen sollen verringert werden”, bestätigt er. „Wir müssen aber noch mehr Druck machen, weil das Pensum nicht zu schaffen ist.”

„Blöd” findet der Demo-Teilnehmer, dass nicht noch mehr in die Stadt gekommen sind. „Während des Semesters könnten wirklich mehr kommen.” Gleichgültigkeit oder Frust hat er ausgemacht.

»Ohne einen Nebenjob geht es nicht«

„Ich habe die leise Hoffnung auf demokratische Mitbestimmung”, sagt Abiturientin Patricia (19). Sie wiederholt die Forderung, dass der Hochschulrat abgeschafft werden sollte. Stattdessen möchten die Hochschüler mehr mitreden können.

Der Zug der Demonstranten hat sich mit Trillerpfeifen über die Kampstraße in Bewegung gesetzt, als der TU-Physik-Student Philipp (22) auf das Thema des kostenpflichtigen Studiums hinweist. „Ohne einen Nebenjob geht es nicht”, sagt er, „Dafür geht Zeit fürs Lernen verloren.”

Eine andere Studentin findet: „Studiengebühren bedeuten eine Privatisierung der Bildung.” Der Staat dürfe sich aus der Verantwortung nicht zurückziehen. Schließlich habe ja auch die Gesellschaft etwas davon, wenn das Bildungsniveau steige. Ihre Meinung: „ein hoher Bildungsabschluss sollte gefördert werden.”

Eine Stunde später läuft der Zug auf dem Friedensplatz auf, wo er sich etwas verliert, zumal sich die Kundgebung in zwei Lager aufteilt, deren Redner sich gegenseitig Konkurrenz machen. Ein älteres Paar beobachtet die Schar der Streikenden: „Wegen den paar Leuten machen die so'n Aufstand”, sagt er angesichts des Polizeiaufgebots und will gehen. Sie bleibt: „Ich find' das lustig.”

Quelle: Der Westen vom 28.04.10

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