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»Wir hoffen, Ratsmitglieder umstimmen zu können«

Bonner »Sparpaket« bedeutet das Aus für Schulen, Sportstätten, Theater. Protest vor dem Stadthaus am Donnerstag. Ein Gespräch mit Anna

Anna ist Schülerin am Amos-Comenius-Gymnasium in Bonn und Mitorganisatorin des Bildungsstreiks der Bonner Jugendbewegung

Am Donnerstag wird ein Bündnis von Schülerinnen und Schülern, Studierenden, Erwerbslosen, Kulturschaffenden, Gewerkschaften und sozialen Einrichtungen gegen den kommunalen Kahlschlag in Bonn protestieren. Was hat die CDU/Grünen-Regierung im Rat der Stadt angekündigt?

Am Donnerstag entscheidet der Stadtrat in seiner Sitzung über den Bonner Haushalt, vorgesehen ist ein Einsparvolumen von 150 Millionen Euro für die kommenden drei Jahre. Unter anderem sollen 60 Millionen Euro von dem versprochenen Geld für die Schulsanierung zurückgenommen werden. Vier Millionen Euro für Kultureinrichtungen sollen gestrichen werden. Sieben Millionen Euro will man bei Schwimmbädern und Sportplätzen sparen. Einige Bäder werden dann schließen und andere ihre Preise erhöhen müssen. Künftig soll eine »Sportplatznutzungsgebühr« erhoben werden. In Zukunft wird offenbar in Bonn niemand mehr kostenfrei Sport machen können. Jetzt schon steht fest, daß einige Theater und Kultureinrichtungen ihre Pforten endgültig schließen müssen. Dagegen wendet sich unser Protest. Wir wollen uns nicht mit der einen Hand von der Bonner CDU-Grünen-Stadtregierung nehmen lassen, was die CDU/CSU/FDP-Bundesregierung in Berlin mit der anderen Hand an Banken und Konzerne verschenkt. Insofern sind wir auch wütend auf die Bundesregierung, weil sie mit ihren Sparplänen ebenso fast ausschließlich arme Menschen belasten und die Kommunen weiter ausbluten lassen will.

Einige dieser Kürzungen werden insbesondere Erwerbslose, Geringverdiener und Asylbewerber treffen. Beispielsweise soll es nur noch einen Bonnausweis mit Abstrichen geben …
Ja, auf diese Weise will die »schwarz-grüne« Regierung die ärmsten Bonnerinnen und Bonner hinters Licht führen. Einen der wichtigsten Bestandteile, die Ermäßigung für die Fahrten im öffentlichen Personennahverkehr, will sie aus dem Ausweis herausnehmen. Das bedeutet, daß einkommensschwache Bürgerinnen und Bürger zukünftig zuhause oder auf der Straße herumsitzen müssen und an gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Ereignissen nicht mehr teilhaben können. Es wird ihnen nahezu unmöglich gemacht, Theater, Museen oder Sportstätten zu besuchen.

Der Rat hat in seiner Liste der Grausamkeiten auch eine Zweitwohnsteuer vorgesehen, die vor allem Studierende treffen wird?
Ja, das ist auch so eine unverschämte Neuerung; diese Zweitwohnsteuer soll zehn Prozent der Kaltmiete betragen. Viele Studierende, die aus anderen Städten kommen und mit Erstwohnsitz noch bei ihren Eltern gemeldet sind und nur ihren Zweitwohnsitz in Bonn haben, werden von dieser Abzocke betroffen sein.

Sind Sie enttäuscht von den Grünen?
Ja, in der Tat. Wir haben bei vergangenen Protesten oft mit ihnen zusammengearbeitet, insbesondere auch im Zusammenhang mit den Aktionen »Wir zahlen nicht für eure Krise«. Insofern wundert es uns jetzt sehr, daß die Grünen einknicken und mit der CDU gemeinsam diesen Beschluß fassen wollen. Es gibt auch für 2011 keine Konzepte für die Einführung eines Sozialtickets, so wie die Grünen behaupten. Die Partei zeigt sich im Verbund mit der CDU als Sozialkahlschläger im Gewand des Wohltäters. Sie will Einsparungen von 2,6 Millionen für den öffentlichen Nahverkehr durchsetzen und uns solche Scheinfinanzierungen als Alternative verkaufen. Enttäuscht sind wir aber auch von den Sozialdemokraten, denn der Bonner Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch (SPD) hat die Sparvorschläge eingebracht.

Haben Sie Hoffnung, daß diese Proteste, die Sie begleitend zur Ratssitzung angesetzt haben, noch etwas bewegen?
Freilich hoffen wir, einige Ratsmitglieder durch unsere Proteste am Donnerstag umstimmen zu können. Aber das wird nur der Auftakt sein. Wir wollen dran bleiben, weil noch weitere Kürzungen geplant sind. Unser neu gegründetes »Bündnis gegen den Kahlschlag« plant, Bürgerinnen und Bürger auf diese Situation aufmerksam zu machen. Wir wollen zu den Gewerkschaften und in die Kultureinrichtungen gehen, die Menschen dort aufklären und wachrütteln.

Kundgebung am Donnerstag, 8. Juli, 16 Uhr vorm Bonner Stadthaus, Berliner Platz

Quelle: Junge Welt vom 07.07.10

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