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Die Stadt und der Kapitalismus

Eine Einführung in das Thema bei MASCH Wuppertal am 25.03.09

von Wolfgang Richter

Vorbemerkung: Ich spreche einleitend nur zu zwei Aspekten des Themas. Der eine skizziert eine Analyse des aktuellen Konjunkturpakets der Bundesregierung "für die Städte", der andere versucht einen Blick auf Veränderungen in den "Arbeitsmärkten" vor Ort und dabei die Rolle der Städte.

Kapitalismus aktuell - die so genannte Krise hat nun auch die Stadt erreicht. Und damit die Stadtmenschen, die allerdings schon immer gewittert hatten, dass nicht alles so gut ist, wie es oben gesagt wird. Krise war seit langem vor allem in den großen Städten, wo die Menschen dicht zusammen leben, mit Händen zu greifen. Sie war allgegenwärtig in den Nachbarschaften und Stadtteilen, in denen die Klasse der abhängig Beschäftigten und der Erwerbslosen lebt. Aber man konnte sie zunehmend auch anderswo erkennen, wenn man nur wollte. Die Klasse kannte Krise und würde diese neue auch überleben.

Die nun große Krise hatte sich schon längere Zeit in den Medien als etwas ausgebreitet, das eine Krise des Finanzsystems sei. Das war weit weg und das war mit großem Geld des Staates zu behandeln und hoffentlich zu heilen. Selber konnte man da nix dran machen. Aber es gab ja plötzlich irre viel Geld, die Geldmengen, die die Banker von der Politik bekamen, konnte sich keiner richtig vorstellen – die eigenen Vorstellungen waren an Summen für Miete und Haushalt, gerade noch für Auto und Urlaub gewöhnt, das war sukzessive immer weniger geworden.

Dann wurde davon berichtet, die große Krise sei nun auch in der Wirtschaft selbst, in Gewerbe, Handwerk und Industrie angekommen, das war schon weniger weit weg. Wenn aber das Finanzsystem wieder flott gemacht sei, würde es bald wieder Geld für Investitionen geben und alles würde wieder wie früher werden. Jetzt kann man auch selbst wieder etwas dazutun: Man kann Verzicht üben, Lohnminderung hinnehmen, Kurzarbeit machen, den Betrieb retten helfen. Den Konsumterror muss man auch nicht mitmachen. Inzwischen haben sich Tafeln, Kleiderkammern und Umsonstnotdienste ausgebreitet – ein blühendes Wohlfahrtsgewerbe, die Hängematte ganz unten.

Nun schreiben und reden einige, schon sehr beunruhigt, ob das nicht zu einer großen Krise des Wirtschaftssystems und auch des Gesellschaftssystems selbst werden könne. Die Details lassen sich immer weniger verschleiern – die bürgerlichen Wirtschaftsinstitute geben wöchentlich neue Schätzzahlen für den Rückgang der ökonomischen Kennziffern heraus – gerade sind sie bei 5% Rückgang des BIP angekommen, sowas war seit dem großen Krieg nicht. Gestern hieß es, die Exporte seien um 15% zurückgegangen, ausgerechnet die Exporte, auf die doch alles aufbaute. Die offiziellen Arbeitslosenzahlen rücken wieder auf 4 Millionen zu, von den verschleierten zu schweigen. Gerade beugen sich wieder Ministeriale in Berlin und Spezialisten in Nürnberg über die Statistiken auf der Suche nach neuen Möglichkeiten, sie zu fälschen.

Da kommt die herrschende Klasse beobachtbar ins Grübeln, wie diese Krise wieder eingefangen werden könne. Einige reden von Verstaatlichung der wichtigsten Unternehmen in den wichtigsten Wirtschaftssektoren. Unerhörte Töne im Klassenkampf – kämen sie aus der ausgebeuteten Klasse, wäre der Verfassungsschutz nicht weit. Aber sie kommen aus der ausbeutenden Klasse – die leitet den Verfassungsschutz. Verquere Fronten, so scheint es. Die Klassenkampftöne kommen von rechts, von oben - von links, von unten kommen eher wenige und wenig organisierte Klassenkampftöne. Wenn sie überhaupt zu hören sind, erklingt eine weitere Keynes-Melodie. Die Systemfrage wird nicht gestellt, noch nicht.

Das ist der aktuelle Rahmen für das Thema Stadt im Kapitalismus.

10 Milliarden Euro aus dem Konjunkturprogramm II, ein Bruchteil dessen, was für die spekulierenden Banker bereitgestellt wurde, sollen nun vor allem über Städten und Gemeinden ausgeschüttet werden. Das erscheint allen als ein wundersamer Goldrausch und die Rettung schlecht­hin. Manchen sind sie aber nur der berühmte Tropfen auf den heißen Pflasterstein. Der galoppierende Abbau von Produktion, von Verteilung und von Konsumtion in privater Hand und der von gesellschaftlicher Reproduktion in der öffentlichen ist so nicht aufzuhalten oder gar umzudrehen. Meine These ist, dass dies auch gar nicht Sinn dieser Politik ist, vielmehr geht es ihr um Symbolik. Wir tun etwas! Zu allem Unglück ist ja auch ein großes Wahljahr, in Europa, in der Republik, in den Städten in NRW.

 

Werfen wir einen Blick auf das, was für die Kommunen getan wird.
  1. Die Bundesvorgaben für die Millionen Euro an die Städte – in Dortmund sollen es knapp 80 Millionen sein – sind zweckgebunden für Investitionen, die im Wesentlichen das Bau- und Ausbaugewerbe umsetzen soll. Zwar setzt das Gesetz große Themen – Bildung und Schule, erneuerbare Energie und Lärmschutz sollen gefördert werden. Aber alles muss in Bau- und Technikmaßnahmen landen – bräuchte Bildung und Schule nicht auch das ordentliche Einstellen von Menschen als Lehrer/innen, als Psycholog/innen, als Köch/innen? Bräuchten die Menschen in der Stadt nicht einen besser ausgestatteten ÖPNV mit engerem Netz und dichterer Fahrfolge? Bräuchten die Niedriglöhner/innen und die Erwerbslosen nicht qualifiziertere Beratungssysteme - von existenzsichernden Löhnen und Grundsicherungen ganz abgesehen? Das alles erlaubt das Konjunkturpaket nicht.

  1. Alles muss zusätzlich sein. Was vor Ort im langjährigen Elend der Unterausstattung der Kommunen lange schon als notwendig erkannt und vorsorglich eingeplant wurde, darf jetzt nicht beantragt werden. Manche Räte und Verwaltungen werden Mühe haben, zu finden oder zu erfinden, was in das Konjunkturprogramm passt. Politik und Verwaltung müssen Zweitrangiges suchen, wenn sie ins Förderprogramm wollen. Natürlich wollen sie ins Förderprogramm, sonst kriegt die Nachbargemeinde das Geld. Lieber beantragen sie Geld für Nachrangiges. Darin sind sie routiniert, tasten sie doch ständig die Förderprogramme der öffentlichen Hand in Land, Bund und Europa daraufhin ab, ob es etwas abzugreifen gibt, egal wie brauchbar es ist. Die Geschichte der neoliberalen Stadtentwicklung ist voll von Beispielen für Fehlplanungen auf dieser Grundlage, manche Städte zahlen später falsch verbaute Fördermittel zurück, nicht selten, um neue Fördermittel beantragen zu können.

  1. Alles muss schnell gehen, da kann nicht lange "Demokratie gespielt" und beraten werden, was denn wirklich gebraucht wird. Die Ausführungen in der ersten Maßnahmen-Runde müssen noch 2009 gestartet werden. Die der zweiten dann gleich 2010. Letztlich wird auf diese Weise verhindert, dass über Inhalte und Formen der Umsetzung demokratisch beraten und entschieden werden kann. Die Vorlage der Verwaltung ist gerade 10 Tage alt, wenn sie durch Bezirksvertretungen und Rat gejagt wird. Wie sollen die Bezirksvertretungen oder der Rat dazu stichhaltig beraten? Von der vielbesungenen Bürgernähe von Politik und Verwaltung oder gar von Bürgerbeteiligung in einem förmlichen Sinn kann schon gar keine Rede sein.

  1. Planung und Vergabe der Maßnahmen unter dem Zeitdiktat des Konjunkturprogramms verheißen eine neue Runde in der lang anhaltenden Spirale der Entmächtigung der kommunalen Kompetenzen. Die sukzessive und systematisch ausgedünnten Ämter werden nicht in der Lage sein, eine ordnungsgemäße Durchführung zu gewährleisten. Also werden die kommunal zu leistenden Tätigkeiten einmal mehr nach draußen vergeben – Bauleitplanung, Bauplanung, Vergabe, Kontrolle, Abnahme, das ganze Programm. Und zugleich werden alle Regeln weiter durchlöchert und zurückgenommen, die Sicherheit und Qualität im Prozess des Planens und Bauens gewährleisten sollen. Wo es doch der Zeitdruck erfordert. So kann "Privat vor Staat" einmal mehr zu einer Notwendigkeit erklärt werden.

  1. Der Tiefpunkt des ganzen Spektakels ist die Vorgabe, dass die Empfängerinnen der falsch gezielten Euroströme sie in den Jahren ab 2010 zurückzugeben haben. Diese Rückgabe erfolgt über eine jährliche Kürzung der gesetzlich festgelegten pauschalen Investitionszuweisungen an die Städte und Gemeinden um jeweils 10% der erhaltenen Konjunktur-"Geschenke" über die folgenden zehn Jahre. Das ist nichts anderes als ein vorgezogener Wechsel auf die Zukunft der kommunalen Haushalte und damit die Gestaltungsmöglichkeiten der Städte und Gemeinden in den Folgejahren. Viele Haushalte sind bereits über Jahre oder Jahrzehnte vollgestopft mit solchen Belastungen aus joint-ventures und PPP-Vorhaben. "Jetzt bauen und später zahlen" war bereits vielen Oberbürgermeistern die Chance, sich Denkmäler auf Kosten der Nachkommen zu bauen.

 Also Widersprüche ohne Ende.

Meine These ist, dass diese Widersprüche keine lässlichen Fehler eines schnell zusammengestoppelten Bundesgesetzes sind, sondern politisch bewusst in das Programm hinein geschrieben wurden. Die Kommunen bleiben damit in ihrer rechtlich und faktisch desolaten - durchaus verfassungswidrigen - Situation als letztes Glied in der Kette öffentlicher Handlungsebenen, ohne eigene Gestaltungsfähigkeit, abhängig und notorisch unterausgestattet. Damit wird die neoliberale Strategie und symbolische Politik punktgenau auf dem aktuellen Niveau fortgesetzt – es wird keineswegs gegengesteuert. Der wundersame Goldrausch entpuppt sich als das aktuelle Instrument zur Fesselung demokratischer Ansätze, Ideen und Methoden vor Ort, ganz wie gehabt. Mit der hanebüchenen Konstruktion des Förderpakets demoralisiert diese Strategie die politische bürgerliche Klasse vor Ort. Sie muss sich eilends durchbuckeln, wenn sie etwas abhaben will, was sie besser ganz anders einsetzte. Aber nirgendwo in den Rathäusern und in den Spitzen der Kommunalverwaltungen wird auch nur der Versuch erkennbar, politische Opposition gegenüber den falschen Direktiven aus der Bundeshauptstadt Berlin zu entwickeln, geschweige denn Demonstrationen dorthin zu organisieren. Fordert das die radikale linke Opposition in den Städten?

Wir haben die politische Nachrangigkeit der Kommunen im Kapitalismus und deren Folge für die Politik im allgemeinen und für die Stadtmenschen im besonderen seit langem analysiert als bewusstes Mittel und Ergebnis des Klassenkampfs von oben. Das große Kapital und die bürgerliche Politik agieren in ihm umso einvernehmlicher, je dominanter das Privatinteresse sich gesellschaftlich durchsetzen konnte, kurzgesagt mit dem Siegeszug des Neoliberalismus. Der Klassenwiderspruch der Arbeiterbewegung, der der Frauen, der der Erwerbslosen ist ideenmäßig und organisatorisch, strategisch und praktisch nicht mehr und noch nicht wieder "auf Augenhöhe". Das muss und kann nicht so bleiben – neben dem Betrieb und der Schule ist die Stadt der Ort des Lernens.

Unsere vorliegenden Analysen – die fast schon legendäre "Rote Linie der Kommunalpolitik" und einige ihr nachfolgende Aktualisierungen, die neueren "Thesen und Hinweise zur Kommunalpolitik in theoretischer und praktischer Absicht" und andere mehr - will und kann ich hier nicht im Einzelnen ausbreiten. Das sollte auch bekannt sein oder kann nachgelesen werden. Ich schlage allerdings vor, sie beim Erarbeiten eines lokalen Pro­gramms zur Entwicklung des Widerstands in der Stadt kritisch zu erinnern und Brauchbares zu aktualisieren und zu benutzen.

Ich möchte stattdessen auf einen Aspekt hinweisen, der vor allem in den Städten sichtbar wird und hier "mit bloßem Auge" erkannt werden kann. Es geht um den Einsatz von "Dritter Arbeit" – so nenne ich erzwungene Arbeit, die streng genommen außerhalb des Bürgerlichen Rechts und der Verfassung stattfindet, insbesondere die so genannten Ein-Euro-Jobs. Dabei geht es kaum noch um arbeitsmarktpolitische Maßnahmen, als die sie vor fünf Jahren erfunden worden sind, sondern nur noch um sozialpolitische, wie gleich skizziert werden soll. Es ist dies ein Feld, das bei der Entwicklung von Widerstand in der Stadt mehr als bisher beachtet zu werden verdient. Das gilt vor allem dann, wenn er klassenmäßig definiert und für notwendige neue Kooperationen geöffnet wird. In der sich dramatisch vertiefenden sozialen Demontage – noch ahnen wir kaum, wie weit sie noch gehen wird - ist es eine Aufgabe für grundsätzliche Opposition, den politischen Widerstand vor Ort organisieren zu helfen.

Wir beobachten, dass der warenproduzierende und -konsumierende Kapitalismus immer weniger willens und in der Lage ist, seine Reproduktion zu sichern, davon zu schweigen, sie höher zu entwickeln. Die seine Existenz ja konditionierende Fähigkeit, Arbeitskraft quantitativ wie qualitativ systemadäquat einzusetzen und also auszubeuten, hat bedrohlich abgenommen. Immer größere Teile der den Mehrwert produzierenden Klasse werden aus Produktion und Reproduktion herausgenommen - "freigesetzt" - und als für dieses Modell überflüssig ausgesondert. Dazu einige Beobachtungen und Schlüsse:

  1. Das Kapital selbst - Verbände, Unternehmen und Betriebe - hat die eigenständige Reproduktion seines Wirtschafts- und Produktionsprinzips oder gar dessen Entfaltung durch adäquate Konditionierung der Ware Arbeitskraft offenbar in weiten Bereichen aufgegeben und sich auf kurzfristiges Überleben durch Dumping von Qualitäten und Qualifikationen eingestellt. In diesem Kontext ist ein "zweiter Arbeitsmarkt" als Kombilohn-Angebot für den Niedriglohnsektor die gewünschte kostengünstige Lösung. Sie hat auch den Vorteil, disziplinierend auf die Kernbelegschaften einzuwirken.

  1. Der "Sozialstaat" wurde in den Jahren systematisch immer weniger dafür ausgestattet, Arbeitslosigkeit durch Reintegrationsstrategien so zu behandeln, dass der Arbeitsmarkt die erneuerte Ware Arbeitskraft gegen Lohn oder Gehalt wieder annimmt. Das Kapital verzichtet darauf weithin - im Prinzip zur Gänze, mit Ausnahme eben des günstigen Kombilohn-Angebots. Der überflüssig gemachte Teil der Klasse muss nicht mehr "im System" aufgehoben bleiben. Es gilt, ihn so kostenminimiert wie irgend möglich und jedenfalls die private Profitrate nicht belastend öffentlich zu alimentieren.

  1. Die Alimentierung kann in diesem Kalkül der politisch und ökonomisch herrschenden Klasse im Prinzip auf (fast) Null gefahren werden, wenn die Alimentierten im Gegenzug Dienstleistungen erbringen, die im Warenprinzip als nicht (mehr) herstellbar ausgegeben werden. Dazu werden etliche von ihnen seit Hartz IV gezwungen. Die Phantasie, für diesen "dritten Arbeitsmarkt" Bezeichnungen, Aufgaben und Gelegenheiten zu finden, scheint in Kommunen und bei sozialgewerblichen Vereinen unerschöpflich zu sein. Allerdings ist es bisher nicht gelungen, alle "Arbeitsfähigen" in das System zu zwingen. Es fehlt noch ein zahlenmäßig ausreichendes Platzangebot.

  1. In dieser Strategie wird das Existenzminimum sukzessive gegen Null gerechnet werden können - der Ausschluss aus der Lohnarbeit in der kapitalistischen Warenproduktion zeitigt auch den Ausschluss aus der Warenkonsumtion. Vor allem wertkonservative Teile der Bourgeoisie helfen mit Kleiderkammern und Sozialkaufhäusern, Suppenküchen und Tafeln, mit medizinischer Versorgung durch Medikamentenspenden und ehrenamtliche Mediziner/innen, auch diesen erbärmlichen Zustand individuell zu überleben und ihn "sozial verträglich" erscheinen zu lassen. Es trifft sich gut, dass in dieser Art Recycling-Wirtschaft und Abfall-Verwertung die großzügig Spendenden enorme Gebühren für die Entsorgung einsparen und Kosten steuermindernd einsetzen können. Auf diese Weise kann das unfähig gewordene gesellschaftliche Prinzip gestützt und durchaus auch im Eigeninteresse von "Gutmenschen" gefestigt werden.

  1. Gleichzeitig wachsen die Dienstleistungen in der gesellschaftlichen Re-produktion, die als nicht (mehr) warenförmig bereit zu stellen ausgegeben werden. Die werden nun durch einen vom ausgepowerten Staat, im engeren von den Städten und Gemeinden zu organisierenden Beschäftigungsmarkt für die Ausgeschlossenen erbracht und mit dem Zwang zur Arbeit gegen Alimentierung als "dritte Arbeit" realisiert. Die "Arbeitsgelegenheiten" durchdringen den Reproduktionssektor inzwischen in allen Teilsektoren. Durchaus nicht mehr nur in der niedersten Helfer/innenstruktur, sondern in zwar sukzessive aber doch beobacht-bar ansteigenden Ansprüchen an die Tätigkeiten. Der Phantasie sind auch in diesem Bereich keine Grenzen gesetzt …

  1. Der zugleich – nicht zuletzt durch die Kombilohn-Systematik - sich entfaltende Niedriglohnsektor stellt ein Überlaufsystem her. Allerdings können nicht viele hinüber laufen, am wenigstens in der Richtung nach oben, aus der "dritten Arbeit" in die unterste "zweite Arbeit", die im Niedriglohnsektor öffentlich geförderte. Noch viel mehr gilt dies für die Grenze zum "ersten Arbeitsmarkt", die in der Regel als unüberwindbar gelten muss. "Erste Arbeit" ist Lohnarbeit und in allen Belangen, gerade auch denen des Klassenkampfs, sytematisch abgeschlossen gegen "dritte Arbeit". Die beruht auf obrigkeitlicher Anordnung und auf Zwang und kennt keine Vertrags- und Koalitionsfreiheit und keine geregelte Vertretung und Mitwirkung im Betrieb. Da kommen die Kolleg/innen im Betrieb nicht zusammen.

  1. All dies ist gut im konkreten Alltag der Menschen - besonders gut in den großen Städten - zu erkennen. Es gilt, den Abstand der politischen und Arbeiterbewegung zu den aus dem "ersten Markt" Ausgeschlossenen zu verringern und nach Formen der Kooperation zu suchen. Das Ausmaß der Veränderungen in den angesprochenen "Märkten" kann zahlenmäßig in der Veröffentlichungspflicht der Kämmerer und der Geschäftsführer der ARGEN erfasst werden. Gerade Stadtverwaltung und kommunal gesteuerte Unternehmen hatten früher unbestritten Vorbildfunktion, was Vertragsverhältnisse, soziale Beziehungen und Arbeitsbedingungen anbetrifft. Inzwischen droht eine Umkehr - zusehends geraten sie in die Rolle des Negativbeispiels. Für eine grundsätzliche linke Opposition zeigt sich hier ein Aufgabenfeld.

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