Dresden wird teuer
Für alle die meinen durch eine neue Partei würde sich in der Politik irgendwas ändern: 48.000 stadteigene Wohnungen werden mit Hilfe der Linkspartei.PDS an US-Heuschrecke verscherbelt. Die Mieter zahlen die Zeche
Dresdens Oberbürgermeister Ingolf Rossberg atmete nach der Entscheidung des Stadtrates am Donnerstagabend zufrieden auf. Der FDP-Mann wird in die Geschichte eingehen, denn er »befreite« die erste Stadt Deutschlands von ihren Millionenschulden. Den Dresdner Bürgern hingegen stehen enorme Mietsteigerungen ins Haus – und für die ist auch die Linkspartei.PDS verantwortlich.
Die US-amerikanische Investorengesellschaft Fortress legte für die stadteigene »Woba Dresden« mit ihren 48.000 Wohnungen rund 1,7 Milliarden Euro auf den Tisch und trieb mit ihrem Angebot offenbar den kommunalen Mandatsträgern Feuchtes in die Augen. Geschäfte mit einer »Heuschrecke« können also durchaus angenehm sein, denn am Ende bleiben der Stadt noch 982 Millionen Euro übrig. Der Rest geht für die Tilgung der Woba-Schulden in Höhe von 741,4 Millionen drauf.
Der Widerstand gegen den Verkauf des kommunalen Tafelsilbers war vor allem in der Bevölkerung groß. Vertreter einer von Teilen der Linkspartei.PDS initiierten Bürgerinitiative legten vor der Stadtratssitzung knapp 45.000 Unterschriften gegen den Komplettverkauf vor. Sie befürchten einen gravierenden Abbau der Rechte von Mietern. Doch es half nichts: Bei der Entscheidung votierten 40 Stadträte für den Verkauf, 29 dagegen. Ein Abgeordneter enthielt sich der Stimme.
Den Verlockungen des großen Geldes erlagen auch neun von 17 Stadträten der Linkspartei.PDS. Sie hätten zwar »von ihrem freien Mandat Gebrauch« gemacht, teilte Fraktionschef Hans-Jürgen Muskulus entschuldigend mit, doch stehe deren Votum »im Widerspruch zu den kommunalpolitischen Grundpositionen der Linkspartei«. Die Feststellung ändert nichts daran, daß der Deal ohne die Stimmen der Linken überhaupt nicht zustande gekommen wäre.
Muskulus’ Ankündigung, daß die Linkspartei die Privatisierung in der Folge »kritisch begleiten und die Mieterinnen und Mieter aktiv bei der Wahrnehmung ihrer Interessen unterstützen« wolle, dürfte allenfalls noch ein Versuch sein, den politischen Schaden für die Dresdner Linke ein wenig abzufedern. Seinen Fraktionskollegen wird er damit jedoch nicht einige sehr unangenehme Fragen ersparen können, denn selbst der Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Oskar Lafontaine, hatte im Vorfeld der Entscheidung gefordert, dem »Wahn der Privatisierung« entgegenzutreten.
Auch der Direktor des Deutschen Mieterbundes (DMB), Franz-Georg Rips, bezeichnete den Verkauf als »falsch und kurzsichtig«. Er sei überzeugt, daß die Mieter »letztlich die Zeche zahlen«. »Der hohe Kaufpreis muß von Fortress wieder eingespielt werden, die Mieten in Dresden werden steigen. Der Verwertungsdruck wird hoch sein.«
Fortress soll sich mit dem Erwerb zum Bestandsschutz für 41000 Wohnungen verpflichtet haben. Eine »Sozialcharta« sieht vor, daß Mieter über 60 Jahre und Behinderte ein lebenslanges Wohnrecht erhalten, daß eine Kappungsgrenze für die Mietpreisentwicklung gilt und Luxussanierungen verboten sind. Rips hält diese Charta »schlichtweg für dumm und peinlich«. Tatsächlich seien die »Schutzrechte weitgehend wertlos, eine reine Mogelpackung«, erklärte er in Berlin.
Nach dem Dresdner Modell schielen indes zahlreiche andere Kommunen, die gleichfalls ihre Schuldenberge loswerden wollen. Ein Unternehmen namens Puma Brandenburg Limited will sich beispielsweise in Berlin einkaufen und in den nächsten Jahren für bis zu drei Milliarden Euro Wohnungen erwerben. Die nordrhein-westfälische Landesentwicklungsgesellschaft, die noch in diesem Jahr 106000 Wohnungen auf dem freien Markt feilbieten möchte, hofft auf ein gewinnbringendes Bieterverfahren. Neben der in Dresden zum Zuge gekommenen Fortress stehen dort bereits drei weitere »Heuschrecken« Schlange.
Die Deutsche Bank rechnet damit, dass
2,5 Millionen der bundesweit in öffentlicher Hand befindlichen
Wohnungen noch verkauft werden können. Das Potential dieses
Marktes veranschlagt die Bank auf 100 Milliarden Euro. Von Holger Elias
Quelle: Junge Welt vom 11.03.06