Sozialticket in Essen ausgebremst
Ein Herz für Arbeitslose, die sich von Hartz 4 nicht mal mehr die Fahrkarte für Bus und Bahn erlauben können, zeigen Politiker auch anderswo. In Essen etwa. Zwar gibt's auch da Streit um die Kosten. Politisch aber unter völlig anderen Vorzeichen. Und: In Essen wird mit offenen Karten gespielt.
In Dortmund waren es vor allem die Gewerkschaften und die Grünen, die mit Macht darauf drängten, das Billigticket für Arme auf Gleis zu setzen. Noch flinker waren die Linken; sie wollten es erstens früher und zweitens gar zum Nulltarif. Die SPD näherte sich dem Thema von der anderen Seite: Mehr überredet als überzeugt unterstützten die Genossen den zweijährigen Modellversuch mit einer auf 15 Euro herabsubventionierten Monatskarte. Hauptsache: „haushaltsneutral” - und damit „diegelfrei”. In der Frage der Kosten machte der Arnsberger Regierungspräsidident Helmut Diegel (CDU) eine ganz andere Rechnung auf - und bat um ehrliche Berücksichtigung des Lasten aus dem Ticket im Dortmunder Doppelhaushalt.
Im schwarz-grün regierten Essen wird das gleiche Thema zwar auch kontrovers, aber für die Bürger durchschaubarer diskutiert. Fast ein Jahr nach der Dortmunder Entscheidung (´und somit in ihrem Lichte) wollte OB Wolfgang Reiniger - nach wie vor ein CDU-Mann - dem dortigen Rat am Mittwoch vorschlagen, das Sozialticket ab 1. März 2009 einzuführen. Aber nicht für 15 Euro wie in Dortmund, sondern für 27,80 (Erwachsene) bzw. 19,50 Euro (Jugendliche). Für den Kurs, so rechneten Verwaltung und Verkehrsbetriebe in Essen aus, sei das „haushaltsneutral” zu machen.
Doch: Noch vor Beginn der Debatte legte Reiniger den Rückwärtsgang ein und bat die breite zustimmungsbereite Ratsmehrheit aus CDU, SPD und Grünen, das Billigticket lieber nicht anzuschieben. Der Düsseldorfer Regierungspräsident Jürgen Büssow habe ihn angewiesen, einen positiven Ratsbeschluss, wenn er dennoch gefasst werden sollte, zu beanstanden (was nur aus rechtlichen Gründen geht). Pikant: Büssow ist SPD-Mann. Man will jetzt mit ihm reden.
In Dortmund rechnen die Stadtwerke mit Mindereinnahmen durch das Ticket in Höhe von 4,9 Mio allein für 2008 und bitten die Stadt-Mutter zur Kasse. Unberechtigt, wie die Initiatioren des Tickets behaupten. OB Langemeyer (SPD) spricht gar von einer „Phantomdebatte” und will den Rat am 18. Dezember lediglich darüber informieren, woher er die Millionen nimmt.
Die „Phantomdebatte” geht aber schon vorher weiter. Am 6. Dezember. Da will sich der Stadtwerke-Aufsichtsrat, dem Langemeyer vorsitzt, einmal mehr des teuren Billig-Tickets annehmen.
Quelle: WAZ vom 27.11.08