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Zäsur auf dem Immobilienmarkt

Dresden will 48.000 Wohnungen privatisieren - Fortress zahlt 1,7 Mrd Euro für kompletten Bestand - Signal an andere Kommunen - Mieter­schützer warnen vor Ausverkauf

Erstmals verkauft eine deutsche Stadt ihren gesamten Wohnungsbestand an einen Finanzinvestor aus dem Ausland. Dresden will 48.000 Einheiten für 1,7 Mrd Euro an die US-Beteiligungsgesellschaft Fortress abgeben und so seine Schulden auf einen Schlag loswerden. Andere Kommunen könnten folgen.

Das Geschäft werden Stadtparlamente in Deutschland aufmerksam verfolgen: Die Mitglieder des Dresdener Stadtrates haben sich am Donnerstag getroffen, um über den Verkauf der Wohnungsgesellschaft Woba an die amerikanische Beteiligungsgesellschaft Fortress zu entscheiden. Diese will 48.000 Wohnungen für 1,7 Mrd Euro zahlen. Fast eine Milliarde Euro soll offenbar direkt in den Stadthaushalt fließen. So könnte die sächsische Landeshauptstadt ihre Schulden auf einen Schlag loswerden. Bis Redaktionsschluss lag noch kein Beschluss des Gremiums vor.

„Der Verkauf könnte eine falsche Signalwirkung für andere Kommunen haben“, vermutete Lutz Freitag, Präsident des GdW Bundesverbandes deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen. „Damit hätte Dresden eine Vorreiterrolle. Der Preis ist sensat8ionell gut“, sagte Morten Hahn, Geschäftsführer des Immobilienberatungsunternehmens Dr. Lübke. Die Stadt nutze das derzeit starke Interesse der Gesellschaften aus dem Ausland und habe den richtigen Zeitpunkt zum Verkauf getroffen. Matthias Moser, Deutschland-Geschäftsführer von Fortress ist von dem Woba-Verkauf und der Stadt Dresden überzeugt:“ Die Prognosen für das Wirtschaftswachstum der Stadt sind sehr gut“.

In Dresden selbst ist das Geschäft mit Fortress umstritten. Die Konflikte gehen quer durch die Fraktionen – besonders bei SPD, Grünen und der Linkspartei/PDS. Sorgen machen sich die Gegner vor allem wegen möglicher sozialer Probleme, die auf die Stadt zukommen können. Dazu gehören zum Beispiel Mieterhöhungen. Die Stadt Dresden nehme sich die Möglichkeit, in Zukunft auf den städtischen Wohnungsmarkt Einfluss zu nehmen, ist zu hören.

Seit fast drei Jahren drängen internationale Investoren auf den deutschen Wohnungsmarkt. Mittlerweile befinden sich 900.000 Wohnungen in ihrem Besitz. Vor allem die im internationalen Vergleich niedrigen Immobilienpreise haben die Fondsgesellschaften angelockt. Hauptakteure sind neben der Beteiligungsgesellschaft Fortress zum Beispiel die Londoner Terra Firma Capital Partners, Blackstone und Cerberus. Nach Ansicht von Experten ist der Wohnungsmarkt in Bewegung wie nie zuvor. So reihte sich in den vergangenen beiden Jahren Verkauf an Verkauf. Groß Konzerne, Bund und Länder nutzten die Gelegenheit, um Geld in ihre Kassen zu spülen.

Viele kleine Bestände

Die Verkäufe dürften anhalten. Schätzungsweise 2,5 bis drei Millionen Wohnungen gehören noch der öffentlichen Hand, wobei der größte Teil der öffentlichen Wohnungsgesellschaften über kleinere Bestände verfügt, das heißt 5.000 bis 10.000 Einheiten. Viele Experten vermuten: Verläuft der Verkauf in Dresden reibungslos, dürften schon bald andere Kommunen fo9lgen. „Wenn 2,5 Millionen Wohnungen hierzulande für 40.000 Euro pro Einheit weggingen, was die untere Grenze wäre, kämen immerhin 100 Milliarden Euro zusammen „, rechnet der Immobilienanalyst Tobias Just von der Deutschen Bank vor, um zu verdeutlichen, welches Potenzial in diesem Markt steckt.

Mieterschützer warnen dagegen seit längerem vor einem Ausverkauf. Dieser Trend müsse gestoppt werden, sagt etwa die Mieterbund-Präsidentin Anke Fuchs: „Wohnungen sind nicht nur Wirtschaftsgut und Renditeobjekt“. GdW-Präsident Freitag kritisiert zudem: „Es ist eine Illusion,, durch den Verkauf von Tafelsilber den Haushalt langfristig zu sanieren“. Dazu gehöre mehr , und das müssten die Verantwortlichen begreifen.

Den betroffenen Bewohnern machen wohl vor allem die hohen Renditeerwartungen der Käufer Angst. Diese liegen zum Teil bei 20 bis 25 Prozent. Dabei nutzen die Gesellschaften das niedrige Zinsniveau und setzen beim Kauf der Bestände meist sehr viel Fremdkapital ein. Von 80 bis 90 Prozent ist die Rede. So können sie dann unter Umständen zweistellige Renditen auf das eingesetzte Eigenkapital erwirtschaften. Die Strategie der Investoren unterscheiden sich allerdings. Einige halten die Wohnungen und vermieten, andere wollen sie so schnell wie möglich verkaufen.

Verkäufe von Wohnanlagen seit 2004

Deutsche Immobilien sind bei internationalen Investoren sehr begehrt. Bisher verkauften vor allem Großkonzerne und der Bund ihre Bestände an Wohnungen. Künftig werden wohl auch die Kommunen versuchen, ihre Objekte zu versilbern. Der Verkauf der Woba in Dresden könnte den Auftakt dazu bilden.


Anzahl der Wohnungen

Verkäufer

Käufer

Kaufpreis in Mrd Euro

Standorte

152.000

Energiekonzern EON

Deutsche Annington /D/GB)

7,0

Ruhrgebiet

82.000

Bundesversicherungsanstalt für Angestellte BfA

Fondsgesellschaft Fortress (USA)

3,5

Berlin

66.000

Land Berlin

Cerberus/Gioldman Sachs (USA)

2,1

Berlin

48.000

Stahlkonzern Thyssen-Krupp

Corpus/Morgan Stanley (USA)

2,1

Ruhrgebiet

31.000

Beteiligungsgesellschaft WCM

Finanzinvestot Blackstone (USA)

1,4

NRW/Berlin

30.000

Landesband Nord/LB

Fortress

1,5

Ruhrgebiet

27.000

Immobiliengesellschaft Viterra

KGAL/Mira Grundstücksgesellschaft

0,55

Ruhrgebiet

20.000

Gewerkschaftsholding BGAG

Cerberus

Unbekannt

Deutschlandweit

13.500

Immobilienunternehmen DAL

Investor Babcock & Brown und Barg

unbekannt

Salzgitter



Quelle: Süddeutsche Zeitung 10.03.2006, Simone Gröneweg

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