Ärztestreik
Arzneien: Demnächst mehrere 100 Euro Zuzahlung
Nein, nicht alle machten mit. Nur etwa jede zweite Praxis blieb gestern geschlossen.
Hautarzt Dr. Matthias Beideck erfuhr von dem geplanten Protest erst spät, so dass sich für ihn ein organisatorisches Problem ergäben hätte. Er selbst klingt frustriert: "Es gibt so viel andere Dinge, die noch viel ärger sind. In den östlichen Bundesländern bricht die ganze Versorgung zusammen. Das lässt Frau Schmidt auch kalt." Die Anliegen der Ärzte zum Protest seien auf jeden Fall berechtigt, so Beideck.
HNO-Arzt Dr. Frank Ebach wollte zu seiner Öffnung keine Auskunft geben. In der Praxis des Gynäkologen Dr. Jürgen Hassenbürger arbeiteten nur die Mitarbeiter Schreibkram auf, für Patienten blieb sie geschlossen. Chirurg Dr. Helmut Mählmann versah Notdienst, der aber sei ruhig gewesen, sagte er den RN. Orthopäde Dr. Michael Preuhs fand, eine Schließung der Praxis mache keinen Sinn, die Ärzteschaft sei so inhomogen und die Patienten verstünden ohnehin nicht, worum es bei dem Protest gehe. Noch immer glaubten viele, der "böse Arzt" wolle ihnen nur Gutes vorenthalten. In der Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie, einer Gemeinschaftspraxis von Dr. Dr. Rainer Aichinger und Dr. Sabine Lang, demonstrierte nur die Ärztin.
Auch die Praxis des Internisten/Rheumatologen Dr. Ulrich Risse blieb geöffnet. "Wir ersticken in Arbeit", so seine Frau, "aber wir unterstützen die Anliegen der Ärzte voll". Dr. Risse bereitet sich auf eine Fusion mit der Praxisklinik an der Leopoldstraße vor. Gemeinsam mit den Orthopäden Dr. Kretzmann & Partner sowie Krankenhäusern plant er dort ab Ende Februar ein für Dortmund neues Konzept der integrierten Versorgung.
Allgemeinmediziner Dr. Thomas G. Schätzler informiert in einem Aufklärungsschreiben seine Patienten vor den nächsten politischen Folgen, darunter: Die Medikamentenzuzahlung in den Apotheken von derzeit 5 bis maximal 10 Euro pro Medikament soll nach den Plänen der Bundesregierung auf mehrere Hundert Euro bei besonders teuren Medikamenten erhöht werden. Mit diesen Zuzahlungen würden die Schwerstkranken am schlimmsten belastet. - bö
Heiße Ohren am Notdienst-Telefon
"Können Sie sich vorstellen, mein Doktor demonstriert"" Der ältere Herr am Notdienst-Telefon war ganz außer sich - aber friedlich, so wie fast alle Patienten gestern.
Heiße Ohren bekamen die Mitarbeiter in der Notdienstzentrale ab 8 Uhr morgens. In den ersten drei Stunden riefen 120 Patienten an, bis 13 Uhr insgesamt 180. "Überwiegend wurde nach Hausärzten gefragt", überschlägt Renate Preus. Die weitaus meisten Anrufer zeigten Verständnis für die Prostestaktion der Ärzte. Überaus viele hätten aber nicht Bescheid gewusst, trotz aller Aufklärung in den Medien, wundert sich Dr. Andreas Geißler. Eigentlich, so der Vorsitzende der Bezirksstelle Dortmund innerhalb der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe, müssten die Patienten demonstrieren, denn auf sie schlügen auch die nächsten geplanten drastischen Einsparungen im Gesundheitssystem voll durch.
Schon jetzt bestehen 30 bis 40 Prozent der Arbeitszeit niedergelassener Ärzte ausschließlich im bürokratischen Verwalten und Dokumentieren. Entsprechend weniger Zeit bleibt für die Patienten.
Während die Notdienstzentrale bis mittags über 14 Hausbesuche als "erledigt" verbuchte, darunter die Hälfte in Altenheimen, waren in der Notfallpraxis für Kinder und Jugendliche an der Humboldtstraße bis 13 Uhr rund 40 kleine Patienten vom "Onkel Doktor" versorgt. Eigentlich wenig für fünf zusätzliche Notdienststunden. Das deute wohl doch darauf hin, dass die meisten Eltern über die bevorstehende Protestaktion bestens informiert waren, glaubt Dr. Sigurd Milde, Obmann der Kinder- und Jugendärzte.
So wie Anja Lingenauber, deren Tochter Ella sich im Kindergarten plötzlich mit Schmerzen krümmte. Oder Nicole Miebs. Die Mutter von Jonas machte sich Sorgen, dass seine starke Erkältung partout nicht besser wurde und wollte nicht länger abwarten. Ein anderes Kind hatte nachts einen Pseudo-Krupp-Anfall erlitten, und auch hier wäre Aufschub fehl am Platze gewesen. Dr. Milde, den inzwischen große Nachwuchssorgen bei den Kinder- und Jugendärzten quälen " vor allem im ländlichen Bereich " freute sich, dass es keine Beschwerde gab am Protesttag. - Ulrike Böhm-Heffels