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Kritik an Leiharbeit bei der Awo

Sozialminister Laumann spricht von Lohndrückerei in der Pflege - Arbeiterwohlfahrt spricht von Wahlkampf. Wohlfahrtsverbände sollen nach dem Willen von NRW-Sozialminister Karl-Josef Laumann (CDU) in der Pflege auf Leiharbeit verzichten. Angesichts von Steuerprivilegien und Subventionen erwarte er, „dass gerade die Awo anders auftritt“, sagte Laumann der WAZ-Mediengruppe.

Leiharbeit und Dumpinglöhne sind schon an sich heikle Themen. Doch nirgends ist das Spannungsfeld zwischen Moral und Betriebswirtschaft so brisant wie in Wohlfahrtsverbänden und bei kirchlichen Arbeitgebern. Auch sie beschäftigen Leiharbeiter, vor allem in der Pflege. Nun legen NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers und sein Arbeitsminister Karl-Josef Laumann (beide CDU) in genau diese offene Wunde. Leiharbeit habe in der Pflege nichts zu suchen.

Damit eskaliert ein seit Monaten schwelender Streit, insbesondere zwischen der Arbeiterwohlfahrt Awo und Laumann. Für die eng mit der SPD verbundene Awo ist es reiner Wahlkampf. „Rüttgers will die SPD treffen und spielt Bande über die Awo“, sagt Jörg Richard, zweiter Geschäftsführer der Awo Westliches Westfalen.

In der Sache ist der Zwiespalt aber offensichtlich: Wohlfahrtsverbände und Kirchen schimpfen an vorderster Front gegen Dumpinglöhne. Gleichzeitig gehören sie zu den größten Arbeitgebern und stehen mit ihren Pflegeheimen und ambulanten Diensten im Wettbewerb mit privater Konkurrenz. Die Awo Westliches Westfalen beschäftigt 600 Leiharbeiter in vier eigenen Personalfirmen. Beim Pflegepersonal liegt die Leiharbeiterquote derzeit bei 4,6 Prozent.

Bis zu 1300 Euro Unterschied bei Monatsgehalt

Laut Awo verdient ein Leiharbeiter der untersten Lohngruppe 8,50 Euro in der Stunde, eine Stammkraft 9,30 Euro. Das Arbeitsministerium hat Unterschiede beim Mo­natsgehalt von 200 bis 1300 Euro ausgemacht. Laumann schimpft. „Die Wohlfahrtsverbände sagen mir immer, sie fänden nicht genug Pflegekräfte. Ja woran liegt das denn? Voraussetzung sind doch gute Arbeitsbedingungen. Dann darf man nicht mit schlechtem Beispiel vorangehen und Leute nach Zeitarbeitstarif bezahlen”, sagte er der WAZ-Mediengruppe.

Man beschäftige Leiharbeiter nur, um Vertretungen und Arbeitsspitzen aufzufangen, heißt es bei Awo und Diakonie. Letztere darf auch nichts anderes, der dauerhafte Einsatz von Leiharbeitern ist laut dem evangelischen Kirchengerichtshof untersagt, weil nicht mit Kirchenarbeitsrecht vereinbar. Doch wie viele Leiharbeiter braucht man für die Organisation von Vertretungen und wo beginnt das Drücken der Lohnkosten? Die Diakonie, mit 450.000 Beschäftigten nach der Caritas zweitgrößter Arbeitgeber Deutschlands, erklärte auf Anfrage, sie beschäftige Leiharbeiter „im niedrigen einstelligen Prozentbereich“.

Die Awo Westliches Westfalen wehrt sich. „Wir brauchen Leiharbeiter ausschließlich für Krankheitsvertretungen. Die Alternative ist, dass gar keiner da ist“, sagt Geschäftsführer Richard. Die Leiharbeitsfirmen der Awo seien nicht gewinnorientiert. Mehr festes Personal könne man nicht anstellen. „Wir können nicht mehr beschäftigen als die Pflegekassen uns finanzieren“, sagt Richard und spielt den Ball damit zurück zur Politik.

„Ich lasse Leiharbeit in der Pflege nicht zu“

Laumann lässt das nicht gelten, weist die Awo auf ihre Subventionen hin und droht, diese zu streichen, wenn weiter Leiharbeiter eingesetzt werden. Die Gewerkschaft Verdi springt ihm bei. Sylvia Bühler, NRW-Fachbereichsleiterin für soziale Dienste, Wohlfahrt und Kirchen: „Leiharbeit greift in der Pflege immer mehr um sich, um billig an Personal zu kommen.“

Die Freie Wohlfahrtspflege NRW, die für Awo, Caritas, und Diakonie spricht, wollte sich nicht dazu äußern mit dem Hinweis, dass die Verbände sehr unterschiedlich mit Leiharbeit umgingen. In der Caritas etwa sei sie nicht verbreitet. In einem Brief an Laumann betont der Vorsitzende Bernd Meiwes aber, der Kostendruck mache „auch vor den Diensten der Freien Wohlfahrtspflege nicht halt“. Das sei von der Politik so gewollt. Um mit ihren Budgets auszukommen, seien soziale Dienste „gezwungen, andere Tarife“ zu zahlen „als ihre angestammten Haustarife“.

Laumann sieht sich dadurch nur bestätigt und betont: „Ich lasse Leiharbeit in der Pflege nicht zu.“ Das werde auch den Patienten nicht gerecht. Gerade für Demenzkranke sei es wichtig, eine feste Bezugsperson zu haben, und sich nicht ständig auf neue Gesichter einstellen zu müssen. Wenn er Arbeitsminister bleibe, werde er Awo-Heime, die Leiharbeiter beschäftigen, fragen, ob sie noch gemeinnützig seien.

Quelle: Westfälische Rundschau vom 30.4.2010

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