Praxisgebühr schreckt vor Arztbesuch ab
Nach Einführung der Praxisgebühr verzeichnen Krankenkassen und Verbände massiven Rückgang der Arztbesuche. Ärztevertreter befürchten Entlassungen. - Auswertung des Kinderärzteverbandes: Allergiker nehmen notwendige Medikamente nicht mehr, Impfungen nehmen dramatisch ab.
--- Aktualisierte Informationen sind markiert
---
"Kinder kränker dank
Gesundheitsreform" - Kinderärzte melden: Allergiker ab zwölf nehmen notwendige Medikamente nicht mehr, seit Praxisgebühr und höhere Zuzahlungen eingeführt wurden. Impfungen nehmen dramatisch ab. Kassenärzte beschwichtigen: Vorzieheffekt wirkt noch. --> Bericht von Ulrike Winkelmann in taz, 27.04.04
Ein Vierteljahr nach Einführung der Praxisgebühr verzeichnen Krankenkassen und Verbände offenbar einen massiven Rückgang der Arztbesuche. Ärztevertreter befürchten Entlassungen. - (Quelle: t-online-nachrichten, 01.04.04)
Praxisgebühr: Wie lange gibt es sie noch? (Foto: dpa) |
Der Hartmann-Bund geht nach einem Bericht der "Berliner Zeitung" von 18 bis 22 Prozent weniger Patienten im ersten Quartal aus. Die Krankenkasse DAK rechne mit einem Minus von 15 Prozent. Etwas moderater hingegen die Schätzung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV): Nach Umfragen unter Ärzten aller Fachrichtungen beziffert der Verband den Rückgänge auf fünf bis acht Prozent für Januar und auf drei bis vier Prozent für den Februar. Konkrete Zahlen seien erst Ende April verfügbar, wenn die Ärzte mit den Krankenkassen abgerechnet hätten, heißt es.
Wegen Bagatellen nicht zum Arzt
Seit Anfang Januar müssen gesetzlich Versicherte pro Quartal zehn Euro Gebühr beim Arztbesuch entrichten. Die Patienten scheuen daher den Gang zum Allgemeinarzt, vermutet der Ärzteverband Hartmann-Bund. Ein Sprecher der DAK sagte dem Blatt, bei Bagatellerkrankungen überlegten sich viele Versicherte, "ob ein Arztbesuch wirklich notwendig ist".
"Verunsicherung groß"
Angesichts wegbleibender Patienten schließt die KBV Entlassungen in den Arztpraxen nicht aus: "Wir rechnen damit", sagte eine Sprecherin gegenüber T-Online.
Welche Auswirkungen die Gesundheitsreform für die Praxen hat, werde
sich erst im zweiten oder dritten Quartal des Jahres detailliert
herausstellen. "Die Verunsicherung ist groß", so die Sprecherin.
Erneut Gebühr im zweiten Quartal
Nach Angaben der Hausärzte waren die Wartezimmer kurz vor Ende des ersten Quartals noch einmal voller. Patienten, die die Praxisgebühr für das Quartal schon bezahlt haben, seien vermehrt wieder gekommen, berichtete ein Verbandsvertreter. Der Grund: Mit Beginn des zweiten Quartals am 1. April wird für Millionen gesetzlich Versicherte beim Arztbesuch erneut die Praxisgebühr fällig.
Apotheker jammern
Auch bei den Arzneimitteln knausern die Patienten: Im Februar erstatteten die Krankenkassen 304 Millionen Euro weniger für Medikamente als noch im Vorjahresmonat. Das entspreche einem Rückgang von 18 Prozent, rechnen die Apothekerverbände vor. Sie gehen davon aus, dass 2004 rund 15 Prozent weniger als im Vorjahr für Medikamente ausgegeben wird. Grund sei unter anderem der Ausschluss rezeptfreier Arzneien aus dem Erstattungskatalog der Kassen und die stärkere Selbstbeteiligung der Patienten.