5 oder 50 Stunden pro Woche? Wieviel Arbeit ist wirklich nötig?
Immer längere Arbeitszeiten von 50, 60 oder sogar mehr Arbeitsstunden pro Woche bei gleichzeitig sinkenden Löhnen – das ist die gebetsmühlenartig wiederholte Forderung von Arbeitgeberverbänden und neoliberalen Ökonomen. Es scheint, daß die abhängig Beschäftigten sich mehrheitlich auf Dauer mit längeren Arbeitszeiten und sinkendem Lebensstandard abfinden müßten.
Ein Denken, daß auf die
Mechanismen der Warenwirtschaft und die Regeln der Geld- und
Finanzwirtschaft beschränkt ist, scheint keine Lösungen für
die derzeitigen wirtschaftlichen Probleme zu bieten.
Die Analyse und die Berechnungen von
Darwin Dante, dem Autor der „5-Stunden-Woche“, anhand der
Statistischen Jahrbücher der Bundesregierung zeigen jedoch, daß
bei einer nach den Bedürfnissen der Menschen ausgerichteten
basisdemokratischen Produktion und Verteilung Wohlstand für alle
bei einer gleichzeitigen radikalen Arbeitszeitverkürzung möglich
ist.
Warum ist der Kapitalismus weltweit nicht in der Lage, die Millionenheere von Arbeitslosen erwerbstätig zu beschäftigen?
Volkswirtschaftlich entgeht uns ein gewaltiger Reichtum. Denn viele
Menschen werden durch die Mechanismen des Kapitalismus zur
Arbeitslosigkeit gezwungen. 1995 kam eine Konferenz der 500 führenden
Topmanager, Politiker und Wirtschaftswissenschaftler der Erde zu dem
Ergebnis, daß mit dem beginnenden 21-sten Jahrhundert nur noch 1/5 der
arbeitsfähigen Weltbevölkerung zur Produktion der weltweit
nachgefragten Güter und Dienstleistungen erforderlich sein wird (Hans-
Peter Martin, Abg. des EU-Parlament, Harald Schumann, Redakteur des
„Spiegel“, Die Globalisierungsfalle, ISBN: 3-499-60450-7, S. 12).
Hiernach liegt der Reichtum als ein mächtiges Arbeitskräftepotential
vor, das wegen der allgemeinen Arbeitslosigkeit nicht in vollem Umfang
in Güter und Dienstleistungen umgewandelt wird. Der allgemeine Reichtum
an Güter und Dienstleistungen wird somit im Kapitalismus durch
Arbeitslosigkeit verhindert!
Eigentumsbasierte Warenwirtschaft und Handel machen den Überfluss an
Arbeitskräften zum Fluch für die Erwerbstätigen. Denn das Verhältnis
von Angebot und Nachfrage bestimmt den Preis einer jeden Ware. Da
Arbeitskräfte nicht wie andere Waren von Markt genommen werden können,
beginnt ein gnadenloser Wettbewerb und ein Verfall des Preises für
menschliche Arbeit. Lohndumping, die Vergrößerung des relativen
Mehrwertes für Unternehmen, Verdrängungskämpfe um Marktanteile, der
damit verbundene tendenzielle Verfall der Profitrate, Kapitalansammlung
und die Bildung einer Resevearmee (Arbeitslose) gehören ebenso zu den
Folgen wie das Fallen der Staatseinnahmen und die Rücknahme von
Sozialleistungen in der Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung.
Schließlich werden die Arbeitskräfte wegen der fallenden Löhne zu immer
längeren Arbeitszeiten genötigt, damit sie ihren Lebensunterhalt
bestreiten können. Dies ist der Kapitalismus, durch den sich das
Eigentum in den Händen weniger sammelt und der übrigen Allgemeinheit
immer weniger bleibt. Doch der größte Teil des Reichtums versiegt durch
Arbeitslosigkeit oder güterwirtschaftlich unnütze Tätigkeiten.
Es gibt eine Lösung, wenn wir den Kapitalismus mit seinem Handel und
seiner eigentumsbasierten Warenwirtschaft über Bord schmeißen. Mit
einer Welt ohne Geld und ohne Lohnarbeit können wir nicht nur Not und
Armut weltweit überwinden, sondern wir müssen bei gleicher
Lebensqualität auch erheblich weniger arbeiten.
Exemplarisch kann der güterwirtschaftliche Gegenwert der Lohnarbeit am
Beispiel der BRD bestimmt werden. Die Zahlen aus dem Statistischen
Jahrbuch von 1987 zeigten schon damals die geringe Menge an notwendiger
Arbeit, die auch heute zur Erhaltung unserer Lebensqualität ausreichen
würde. Und dies, obwohl die BRD 1987 als Exportweltmeister galt. Die
notwendige Arbeit umfaßt hier die Sozialleistungen, Produktions- und
Verteilungsarbeiten.
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Zum Sozialwesen gehören
u.a. die Bereiche: Gesundheits- und Veterinärwesen, Reinigung usw.
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Zur Produktion gehören:
Land- und Forstwirtschaft, Tierhaltung und Fischerei; Energie- und Wasserversorgung sowie Bergbau (Arbeiter); Verarbeitendes Gewerbe (Arbeiter); Baugewerbe; Angestellte aus Energie- und Wasserversorgung sowie dem Verarbeitenden Gewerbe. Das sind Meister, Techniker, Ingenieure sowie die Angestellten, die zur Arbeitsorganisation notwendig sind. -
Zur Verteilung gehören:
Verkehr und Nachrichtenübermittlung
Mit den Erwerbstätigenzahlen aus dem Statistischen Jahrbuch zu den
aufgezählten Wirtschaftsbereichen kommen wir auf etwa 18 Stunden pro
Woche.
Die Lebensdauer unserer Gebrauchsgüter umfaßt den nächsten Schritt.
Diese ließe sich mit Leichtigkeit um ein Vielfaches erhöhen. In einer
Welt ohne Geld und Handel werden die Menschen anfangen, die Lebensdauer
ihrer Güter zu erhöhen. Denn kein Mensch besitzt ein Interesse, für den
Schrottplatz zu produzieren. ---
In der heutigen Konsumgesellschaft hingegen wird zur Aufrechterhaltung
des Waren-Geld- Kreislaufes die Lebensdauer der Gebrauchsgüter
erheblich verkürzt. Entweder werden bewußt Sollbruchstellen eingebaut
oder Fertigungstechniken nicht verwandt, die ihre Lebensdauer
verlängern würden.
Beispiele sind folgende:
- Glühbirnen
Ihre Lebensdauer kann auf ein Menschenalter ausgedehnt werden. - Glas
Es wird schlagfest durch langsames Abkühlen. - Autos
Eine Fahrzeugkarosserie aus rostfreiem Blech hält mindestens 200 Jahre. - Explosionsmotoren
Durch die Verwendung von Mischtechniken könnte ihre Lebensdauer auf etwa 150 Jahre ausgedehnt werden.
Wegen der Langlebigkeit müssen weniger Güter hergestellt werden, was bedeutet:
- Weniger Fabriken
- Weniger Rohstoffverbrauch
- Weniger Arbeit
Das heißt, daß wir bei gleichzeitiger Lösung unserer Umweltprobleme
durchschnittlich etwa nur noch 12 Stunden pro Woche arbeiten.
Gehen wir nun davon aus, daß sich die Mitglieder einer zukünftigen
Gesellschaft von allen hergestellten Gütern nach ihren eigenen
materiellen Bedürfnissen befriedigen und davon, daß die
durchschnittliche Arbeitsmenge um 3/4 sinkt, dann entfällt praktisch
die Rush-Hour. Denn fast jeder wird da arbeiten, wo er wohnt und nicht
mehr längere Fahrwege für eine besser bezahlte Arbeit in Kauf nehmen.
Das heißt, die langen Fahrwege zur Arbeit werden entfallen.---
Insgesamt bedeutet dies:
- Weniger Transportmittel,
- weniger Fabriken,
- weniger Straßen und somit
- weniger Arbeit.
Unter diesen Bedingungen werden die Menschen nur noch etwa 10 Stunden pro Woche arbeiten.
Auf die gewaltigen Rohstoff- und Energieeinsparungen, den Umweltschutz
und die Steigerung der Lebensqualität sei an dieser Stelle nur am Rande
hingewiesen.
Berücksichtigen wir nun, daß in der alten BRD von 61,5 Mio. Menschen
nur 30 Mio. zum Erwerbstätigenpotential gehören. Die meisten
Nichterwerbstätigen (Behinderte und Rentner) würden liebend gern wieder
10 Stunden pro Woche arbeiten, um ihrem Leben wieder einen Inhalt zu
geben. Mit ihnen könnten 41,8 Mio. Menschen erwerbstätig sein. Das sind
2/3 der Bevölkerung, wobei nun durchschnittlich etwa 7 Stunden pro
Woche gearbeitet wird.
Beziehen wir nun die Möglichkeit der Vollautomatisierung, das heißt
vollautomatische Fließbandstraßen, Schiffe und Fahrzeuge mit einem über
Satellit gesteuerten Verkehrsleitsystem etc., mit ein, so stehen jedem
nur noch etwa 5 Stunden Arbeit pro Woche zu.
In Folge dieser Idee sollten wir uns mit der besitzenden Klasse nicht
um deren scheinbar unermeßlichen Reichtümer balgen. Dies ist sowieso
nur ein Bruchteil des Reichtums, der durch den Kapitalismus versiegt.
Viel eher sollten wir den Kapitalismus überwinden, um für uns alle das
Arbeitskräftepotential dieser Welt nutzbar zu machen. Der Zugriff auf
Produktion und Verteilung soll nicht länger durch das Eigentumsrecht
verstellt werden. Eine basisdemokratische Selbstverwaltung der
Produktion und eine Verteilung nach den individuellen materiellen
Bedürfnissen der Menschen ist hier der richtige Weg. Alle Schichten
sind deshalb zur Zusammenarbeit und zur Verbreitung dieses Wissens
aufgefordert. Denn zur Verwirklichung dieser Idee muß der industrielle
Komplex durch Einsicht und Zustimmung möglichst unbeschadet und ohne
Krieg in die basisdemokratische Selbstverwaltung übergehen.
Quelle: Dante, Darwin: 5-Stunden sind genug, ISBN 3-9803508-1-9