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Dortmund ist "Hauptstadt der schlecht bezahlten Jobs"

Von wegen "Hauptsache Arbeit": Gewerkschaften, Arbeitslosenzentrum und Sozialforschungsstelle schlagen jetzt Alarm. Dortmund sei "die Hauptstadt der unsicheren und schlecht bezahlten Jobs".

Nach Angaben von IG Metall, verdi und der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten, kurz NGG, sei diese Abwärtsspirale beim Einkommen nicht mehr aufzuhalten. Mini-Jobs und prekäre Beschäftigungsverhältnisse seien "in bisher ungeahnter Dimension" in die Höhe geschnellt, kritisierten die Gewerkschaftsvertreter. Für sie ist das ein "fatales Ergebnis der Agenda-Politik". Gerade in der Krise wüchsen für die Arbeitnehmer die Unsicherheiten. Auch gerieten so Stammbelegschaften unter Druck.

Immer weniger Vollzeitstellen

Im Dortmunder Einzelhandel gehen nach Angaben von verdi-Sekretär Norbert Hüwel immer mehr Vollzeitstellen verloren. Von den 15.000 Beschäftigten seien mittlerweile 10.000 Teilzeitkräfte und geringfügig Beschäftigte - Tendenz steigend. Im Handel sei es inzwischen "erlebter Alltag", dass Kunden nicht mehr von festangestellten Fachkräften, sondern von Aushilfsjobbern bedient werden.

In das gleiche Horn stößt auch Manfred Sträter (NGG). 3000 der 12.000 Beschäftigten im heimischen Gast- und Ernährungsgewerbe sowie im Bereich der Getränkeherstellung befänden sich in geringfügiger Beschäftigung.

Praktisch jeder neu unterschriebene Arbeitsvertrag sei befristet, erläuterte die IG Metall-Bevollmächtigte Ulrike Kletezka. "Wer jetzt arbeitslos wird, landet in einem prekären Job."

Studien mit gleichem Ergebnis

Das deckt sich mit einer Studie der Sozialforschungsstelle (sfs) der Technischen Universität und des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB). Danach hat billige Teilzeitarbeit, Leiharbeit und freie Mitarbeit in vielen Unternehmen in den vergangenen fünf Jahren stark zugelegt.

Nach einer Statistik der Stadt Dortmund waren 2007 nur noch knapp 58 Prozent der Erwerbstätigen auf einer sozialversicherungspflichtigen Vollzeitstelle beschäftigt.

Gisela Tripp vom Arbeitslosenzentrum (ALZ) hat beobachtet, "dass im Schatten der Wirtschaftskrise immer mehr Menschen bereit sind, unter den miesesten Bedingungen zu arbeiten". Viele Firmenchefs würden das natürlich gnadenlos ausnutzen.

Quelle: RN vom 27.05.09

 

Hauptsache Arbeit!?

„Ist Dortmund tatsächlich die Hauptstadt der Minijobs?” fragt ein starkes Veranstalter-Quintett aus den Gewerkschaften ver.di, NGG, IG Metall, des Arbeitslosenzentrums Dortmund sowie der Kooperationsstelle Wissenschaft -Arbeitswelt.

Darum geht es bei der ersten Veranstaltung der Reihe „Hauptsache Arbeit...!?”

„Hauptsache Arbeit...!?” Das Ausrufungszeichen steht für die Angst, in Zeiten der Krise, mehr aber noch von Hartz IV, durch die Maschen des sozialen Netzes zu fallen. Das Fragezeichen wirft einen Fokus darauf, unter welchen Bedingungen heute gearbeitet wird. Leiharbeit, befristete Arbeitsverträge, geringfügige Beschäftigungsverhältnisse, Kurzarbeit – die üppige Palette der Beschäftigungsformen birgt ebenso reichhaltige Möglichkeiten, sichere Lohn- und Beschäftigungsstrukturen zu unterlaufen. Beispiel Befristung: „Den jagst Du dreimal über die Hürde, jeweils ein halbes Jahr, und dann schickst Du ihn wieder weg”, sagt Manfred Sträter, Gewerkschaft NGG (Nahrung, Genuss, Gaststätten). Das entwerte obendrein Qualifikation. Was nutzen, spielt Norbert Hüwel (ver.di) auf die Ansiedlungsbereitschaft des Tedi-Konzerns an, „200 neue Arbeitsplätze, wenn sie schlecht bezahlt sind?” „Damit legt sich die Stadt ja auch ein Kuckucksei ins Nest”. ergänzen Martina Stackelbeck (Kooperationsstelle Wissenschaft und Arbeitswelt) und Gisela Tripp (Arbeitslosenzentrum Dortmund) – „das werden dann ja Aufstocker”.

Auch Ulrike Kletezka (IG Metall) macht sich nichts vor: „Die Arbeitgeber versuchen über Kurzarbeit die Stammbelegschaft zu halten. Der Rest wird flexibel gehandhabt”.

Flexibel - ein Begriff, der für sich spricht. Dortmunder Schlaglichter: „Bei Subway ist gerade einer von zwei Vollzeitbeschäftigten entlassen worden. Die Arbeit machen da Aushilfen und Auszubildende”. „Zwei Drittel der Mitarbeiter in der Textilbranche sind geringfügig beschäftigt. Und das gilt nicht nur für KIK und Co.” „Von 15 000 Beschäftigten im Dortmunder Einzelhandel ist nur noch ein Drittel auf Vollzeitstellen, ein Drittel ist teilzeitbeschäftigt, ein Drittel geringfügig”.

Niedrige Löhne, schlechte Arbeitsbedingungen: ist das die Zukunft?

Die Reihe „Hauptsache Arbeit!?” klärt Menschen mit und ohne Arbeit über Rechte und Rahmenbedingungen auf. 

 

  • Auftakt: „Geteilte Zeit - halbes Leid?”, Beschäftigungsverhältnisse von Männern und Frauen im Strukturwandel in Dortmund, 4. Juni, 17 Uhr, IG Metall, Ostwall 17-21.
  • Weitere Themen: „Kein Grund zum Feiern - Arbeiten in Restaurant und Kneipe” (16. Juni),
  • „Prekär beschäftigt, aber nicht rechtlos” (26. August),
  • „Ohne Arbeit” (30. Sept.)


Quelle: WR vom 27.05.09

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