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Flächenbrand - Euphorie über Arbeitslosenzahlen

Fast Jahr für Jahr wird die Statistik der Bundesagentur für Arbeit brutaler gefälscht. Nach Meinung der Gewerkschaften gibt es derzeit etwa sieben Millionen, nach Meinung einiger Experten bis zu zehn Millionen Arbeitsuchende in diesem Land.

Die Offiziellen selbst räumen ein: 1,4 Millionen Menschen werden nicht gezählt, weil sie in »arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen« stecken, viele über 58jährige und alle Ein-Euro-Jobber fallen aus der monatlichen Propagandashow von Nürnberg. Aber unabhängig von der amtlichen Fälschung: Die Daten vom Mittwoch mit »ein Grund, stolz zu sein« (Müntefering) zu begrüßen oder als »sehr erfreulich« (Merkel) zu bezeichnen, ist dreist.

Vier Millionen offiziell gezählte Arbeitslose sind demnach in der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 2007 ein Anlaß zur Freude. Das festzustellen heißt, ein Urteil über das gesellschaftliche System, seine Politik, seine Wirtschaftsverhältnisse und die geistige Verfassung des Führungspersonals, fällen. Außerdem: An der Langzeitarbeitslosigkeit, an der Erwerbslosigkeit der Niedrig-Qualifizierten hat sich nichts, aber auch nicht das geringste geändert.

Aber eine Unverschämtheit allein reicht denen nie. Die Bundesregierung und die ihr zum Munde redenden »Wirtschaftsweisen«, so meldeten die Agenturen, führten den »Erfolg« auf das Wirken der »Reformen«, insbesondere auf Hartz IV zurück. Dem Blödsinn folgt nicht einmal die hiesige Wirtschaftspresse. Sie spricht von einem Investitionsstau, der jetzt aufgelöst wird, von anhaltendem Exportboom und von nach wie vor geringer Kaufkraft hierzulande. Die realen, nämlich schlechten Verkausfsdaten des Einzelhandels belegen das ebenso wie auf seine Weise das permanente Geblödel auf allen Sendern und allen anderen Werbeträgern von wachsender »Konsumneigung« und Anschaffungsoptimismus, der die Bundesbürger angeblich an die Regale treibt.

Dem ist nicht so, und ein Grund dafür sind eben die genannten »Reformen«, sprich die Einführung von Zwangsarbeit, das wiederholte systematische Ausplündern von Alten, Patienten und Jugendlichen, die Senkung des Werts der Ware Arbeitskraft durch flächendeckende Einführung eines Niedriglohnsektors in der Bundesrepublik, der neben »Enttabuisierung des Militärischen« (Schröder) größten Leistung von SPD und Grünen. Selbst der Bürgerpresse geht die öde, dreifaltige Frechheit – Freude über vier Millionen Arbeitslose; das ist unser Erfolg; Arbeitslöhne, mit denen keine Miete bezahlt werden kann – zu weit. Sie sagte am Mittwoch: »Das sogenannte Prekariat stellt die Mehrheit« (Westfalenpost), »traurige Melodie der neuen Ausbeutung« (Frankfurter Rundschau), »Flächenbrand« (Leipziger Volkszeitung). Es läßt sich auch sagen: Je höher der Druck im sozialen Kessel, desto feuriger spielt die Tanzkapelle im Bundeskanzleramt. - Von Arnold Schölzel

Quelle: Junge Welt vom 3.5.07

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