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Bei Karstadt: Arbeitskampf mit anderen Mitteln

So mancher Kunde war sauer. Wer gestern Morgen bei Karstadt oder Kaufhof einkaufen wollte, stand vor verschlossenen Türen. Der Grund: Konzertierte Betriebsversammlungen. Das Thema: Tarifauseinandersetzungen. Die Prognose: Arbeitskampf mit anderen Mitteln.

Seit April laufen die Tarif-auseinandersetzungen im Einzelhandel. Seit April ergebnislos. Während Verdi 3,5 % mehr Lohn für die Beschäftigten fordert, hält die Arbeitgeberseite an einem Sechs-Punkte-Papier fest. Das sieht - auch für die Mitarbeiter von Karstadt und Kaufhof - folgendes vor: Keine Lohnerhöhung, Öffnungsklauseln, die untertarifliche Bezahlung möglich machen, niedrige Einstiegstarife für Arbeitslose, längere und flexiblere Arbeitszeiten, erfolgsabhängige Regelungen bei Sponderzahlungen (laut Verdi derzeit Kürzungen) und eine Absenkung der tariflichen Ausbildungskosten. Für Liselotte Hinz, Verdi-Verhandlungsführerin Einzelhandel NRW, die gestern die Karstadtbelegschaft über den Stand der Dinge informierte, bedeuten die sechs Forderungen vor allem eines: "Die Arbeitgeber wollen den Manteltarifvertrag zerschlagen." Es ginge um die Löhne (eine Verkäuferin im Einzelhandel im 6. Berufsjahr verdient derzeit 1986 Euro Brutto), längere und vor allem flexiblere Arbeitszeiten, die auf dem Rücken der Mitarbeiter ausgetragen werden sollen. Nicht nur in Dortmund hat Verdi noch mit einem ganz anderen Problem zu kämpfen: Wegen der Karstadt-Krise sei die Belegschaft verunsichert und "weichgeklopft", so Hinz. Wenn es darum gehe, eigene Interessen zu vertreten, sei Angst ein schlechter Ratgeber.

Jeder Dritte Karstadt-Mitarbeiter habe seit 2001 bundesweit seinen Job verloren. Von rund 1100 Mitarbeitern in den drei Häusern in der City seien heute noch gut 900 da. Gleichwohl ginge es den Filialen in der Stadt und Aplerbeck noch relativ gut, herrsche hier doch Bestandsschutz. Für den 4. August ist die nächste Gesprächsrunde mit Arbeitgebern geplant. Verdi will die Verhandlungen mit Protesten flankieren. Dabei sei im Einzelhandel klar, so Hinz: "Mit klassischem Arbeitskampf kommen wir nicht weit - wir müssen neue Formen des Widerstands suchen." Wenn Filialen bei Warnstreiks trotzdem öffnen können, verpuffe die Wirkung. Bei Betriebsversammlungen in der Arbeitszeit sieht das anders aus, wie Kunden gestern merkten.

Quelle: WR vom 19.07.2005

Bei Karstadt, Kaufhof & Co wächst die Angst

Nicht nur deutlicher Ärger über neue und zusätzliche Begehrlichkeiten der Arbeitgeber, auch unterschwellige Angst um die Arbeitsplätze wurde gestern bei der Karstadt-Betriebsversammlung spürbar. Beim Kaufhof war es ähnlich.

Die Betriebsräte hatten zu Belegschaftsversammlungen eingeladen. Und das werde man auch wohl wieder zur nächsten Runde der Tarifverhandlungen machen müssen, so Heinz Gigler, Karstadt-Betriebsratsvorsitzender. Es sei davon auszugehen, dass dann nicht nur die Karstadt- und Kaufhof-Belegschaften informiert würden, sondern auch Mitarbeiter weiterer Kaufhäuser, signalisierte Gigler. Natürlich würde man lieber Kunden bedienen und mit mehr Geld in der Lohntüte selbst auch Kaufkraft in den Handel bringen.

Die laufende Lohn-/Gehaltstarifrunde für 420 000 Mitarbeiter im NRW-Einzelhandel sei eine Hängepartie, die beendet werden müsse. Die Arbeitgeber nutzten die Gunst der Stunde und die allgemeine Verunsicherung bei den Mitarbeitern, um zu pokern, um Lohn- und Gehaltserhöhungen unterm Strich zu verhindern, schilderte Lieselotte Hinz, Verhandlungsführerin für die Gewerkschaft Verdi, vor der Karstadt-Belegschaft. Mit kreativen Protest-Aktionen, zu denen auch Warnstreiks gehörten, werde man gegen die starre Verweigerungshaltung der Arbeitgeberseite vorgehen. Eine Verkäuferin im 6. Berufsjahr verdiene mit allen Zuschlägen brutto 1986 Euro. Das sei kein Gehalt bei dem man Nullrunden hinnehmen könne - auch angesichts der Tatsache, dass die Karstadt-Beschäftigten in der laufenden Sanierung bereits Verzicht geübt hätten.

Die Zahl der Karstadt-Mitarbeiter in Dortmund sank seit 2002 um rund 200 auf 900. Rund 75 Prozent der Beschäftigten sind in der Gewerkschaft - es waren schon mal 81 Prozent. Gewachsen sei der Arbeitsdruck: 30 Prozent mehr Kaufhausfläche müsse heute ein Mitarbeiter im Vergleich zum Jahr 2000 betreuen.

Da die Arbeitgeber für den nächsten Verhandlungstermin ein Ultimatum gestellt hätten - Verhandlungen nur, wenn die Gewerkschaften für mehr Lohn auf Leistungen aus dem Manteltarifvertrag verzichten - ist noch offen, ob dieses Treffen überhaupt stattfindet. bu

Quelle WAZ vom 19.07.2005

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