Unruhe unter Leiharbeitern
Leiharbeiter organisieren Widerstand gegen Lohndumping durch die KIELER NACHRICHTEN. Jobcenter unterstützt verschärfte Ausbeutung und Entledigung von einer Belegschaft mit kämpferischem Betriebsrat.
Das Erfolgsrezept Leiharbeit stößt für die Kapitalisten an ihre Grenzen. Die Flexibilität und der geringere Preis der Arbeitskraft sind eben nicht alles. Einige Betriebe haben ihre Versuche mit Leiharbeitern gemacht und sie wieder aufgegeben. Die Leiharbeiter haben sich an ihre neue Rolle angepaßt und sich mit ihr arrangiert. Eine „Scheißegal-Haltung“ hat sich ausgebreitet und für schlechtere Arbeitsbedingungen leistet man auch entsprechend weniger. Und während die Kollegen aus der Stammbelegschaft Angst haben ihren Arbeitsplatz zu verlieren, wissen die Leiharbeiter, daß es andere Leihbuden wie Sand am Meer gibt, also was soll man schon fürchten!?!
Bisher galten ja Leiharbeiter als quasi unorganisierbar, doch dies scheint vorbei zu sein. Sie beginnen sich selbst zu organisieren. Im letzten Jahr waren es Leiharbeiter (bei VW) in Hannover, die begannen zu kämpfen. Als sie sich von der IG Metall im Stich gelassen fühlten, verbrannten sie öffentlich ihre Gewerkschaftsausweise und kämpften weiter. Sie machten einen Hungerstreik, protestierten, sammelten Unterschriften und zogen kollektiv vor's Arbeitsgericht. Ihr Kampf war erfolgreich.
Nun lohnt es, nach Kiel zu blicken: Die Kieler Nachrichten ersetzten einen großen Teil ihres Personals in Produktion und Vertrieb durch Leiharbeiter. Diese wollten sich Dumpinglohn und Arbeitshetze nicht auf Dauer bieten lassen. Ihre Versuche einen Betriebsrat zu gründen, wurde vom Betriebsratsvorsizenden der Kieler Nachrichten sabotiert. Hier verbrannte man nicht die Gewerkschaftsausweise, sondern es gelang, sich einen Teil der Gewerkschaftsstrukturen anzueignen. Mit einer großen Zahl von Leuten von der Leiharbeitsfirma TABEL GmbH ging man in den Ortsvorstand von Verdi, wählte dort den verhaßten KN-Vertreter ab und ersetzte ihn durch einen Tabel-Kollegen. Die Kieler Nachrichten schäumten, weil sie es plötzlich mit einer Leiharbeitsfirma mit einem (echten!) Betriebsrat zu tun hatten. 400 Mitarbeiter der Tabel GmbH sollen nun auf die Straße gesetzt werden, um duch eine Belegschaft eines nicht „betriebsratsverseuchten“ Sklavenhändler ersetzt zu werden.
Ein besonderer Skandal ist hier die Mitwirkung des Jobcenters bei dem Untergraben von Arbeitsbedingungen und dem Aushebeln einer gewerkschaftlichen Vertretung. Der Sklavenhändler, der eine neue Belegschaft rekrutieren soll, verfügt in der Stadt nichteinmal über über ein eigenes Büro. Nun kann man in ein Büro des Jobcenters zum Vorstellungsgespräch kommen für den Job eines Streikbrechers, bzw. zu dem Brecher aller Errungenschaften des Kampfes.
Die Aktivisten von TABEL sind keine Politprofis. Sie haben jedoch keinerlei Berührungsängste bei der Suche nach Unterstüzung. Man suchte Kontakt zu den Parteien und zeigte sich offen für die sozialen Bewegungen. Von der Linkspartei erfuhr man spürbare Unterstützung und traf sich auch mit Leuten von der FAU und Aktivisten von Chefduzen („Forum der Ausgebeuteten“). Da die KN über ein Meinungsmonopol in der Region verfügen, wurde es zu einem Problem die Öffentlichkeit zu erreichen. Schon ein Artikel in der TAZ war hilfreich. Man schrieb auch für kleine linke Zeitungen und schaffte es den Wikipedia-Eintrag über die Kieler Nachrichten um einen Absatz über die Lohndumpings-Politik des Verlags zu ergänzen.
Die Zusammenarbeit mit sozialen Bewegungen und linken Aktivisten hat Früchte getragen. Es gab eine Informationsverantaltung mit Aktivisten des Tabel-Kampfes im Subrosa (Kneipe der Polit-Szene). Zur Unterstützung kam es auch zu Transparentaktionen. In der ganzen Stadt wurden Flyer und Plakate zur Information über die Machenschaften der Kieler Nachrichten verklebt und seit Wochen betreiben die Leiharbeiter Samstags einen Infotisch in der Kieler Fußgängerzone. Flublätter wurden erstellt und bisher über 1500 Unterschriften gesammelt. Die KN haben Abokündigungen zu verzeichnen.
Für den 30.6. planen die 400 Leiharbeiter eine Demo durch Kiel.
Quelle: indymedia vom 17.06.2010