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Wer von Minijobs wirklich profitiert

Die Bundestagswahl am 27. September wird auch darüber entscheiden, wie es für die knapp sieben Millionen Minijobber in Deutschland weitergeht. Die 400-Euro-Jobs sollten Arbeitslosen als Sprungbrett dienen. Tatsächlich helfen sie, Stellen, Steuern und Beiträge zu sparen.

Linke und Grüne wollen die 400-Euro-Jobs abschaffen, die FDP will sie zu 600 Euro-Jobs ausweiten, Union und SPD alles beim Alten lassen. Sechs Jahre nach Einführung durch Rot-Grün gelten die Minijobs entweder als Beschäftigungswunder oder als Inbegriff für Lohndumping.

Die Idee des damaligen Superministers Wolfgang Clement ging so: Weil die meisten Langzeitarbeitslosen eher gering qualifiziert sind, braucht es mehr einfache Jobs zu niedrigen Löhnen. Damit die sich trotzdem lohnen, wurden die Arbeitnehmer bei Löhnen bis 400 Euro (damals 630 D-Mark) von allen Steuern und Sozialabgaben befreit. Über diese „geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse” sollten Hunderttausende den Sprung in einen Vollzeitjob schaffen.
Die wenigsten Arbeitslosen schaffen den Aufstieg

Tatsächlich schnellte die Zahl der Minijobber um zwei Millionen auf über sieben Millionen hoch, wo sie bis heute recht konstant verharrt. Doch die neuen Minijobber sind in der Regel weder geringqualifiziert noch arbeitslos gewesen. „Der gewaltige Anstieg geht zum größten Teil auf Vollzeitbeschäftigte zurück, die sich steuerfrei etwas dazuverdienen”, sagt Helmut Rudolph, vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Die Zahl der Rentner, Studenten und Hausfrauen, die ausschließlich Minijobs bekleiden, blieb nahezu unverändert bei fünf Millionen.

Zwar nehmen auch viele Arbeitslose 400-Euro-Jobs an, doch die wenigsten schaffen den Aufstieg in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung. Derzeit stecken rund 700 000 Langzeitarbeitslose in 400-Euro-Jobs, von denen sie 160 Euro behalten dürfen. „Die Aufstiegschancen sind sehr eingeschränkt”, sagt IAB-Experte Rudolph. Auch Michael Hüther, Chef des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), sieht statt einer Brücke in den Arbeitsmarkt eher „Einsperr-Effekte durch die Subventionierung von Teilzeitarbeit”.

Wirtschaftsweiser fordert Abschaffung der Minijobs

„Ein massenhafter Wechsel aus Vollzeit in Minijobs hat nicht stattgefunden”, sagt Rudolph. Allerdings gebe es auffällige Entwicklungen in bestimmten Branchen, vor allem im Einzelhandel, im Hotel- und Gaststättengewerbe sowie bei den Wachdiensten. Das bestätigen auch die zuständigen Gewerkschaften. Im Gastgewerbe etwa entstanden von 2003 bis 2008 rund 140 000 neue Minijobs. Gleichzeitig fielen 85 000 Vollzeitstellen weg. „Mittlerweile haben wir fast genau so viele Jobs ohne soziale Absicherung wie mit”, beklagt Michaela Rosenberger, Vizechefin der Gewerkschaft NGG. Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi moniert, dass vor allem Lebensmittel- und Textil-Discounter vorwiegend 400-Euro-Jobber einstellen.

Wenn statt Arbeitslosen und Geringqualifizierten vor allem Normalverdiener von den Minijobs profititeren, stellt sich die Frage, wie sinnvoll diese Subvention ist. Immerhin entgehen dem Staat Steuern und Sozialbeiträge. Der Arbeitgeber zahlt eine kleine Pauschale, der Arbeitnehmer gar nichts. „Wer 40 Stunden Vollzeit arbeitet, wird benachteiligt gegenüber dem, der 30 Stunden hauptberuflich und zehn Stunden im Nebenjob arbeitet”, sagt Rudolph. Ökonomen wie der Wirtschaftsweise Peter Bofinger fordern deshalb die Abschaffung der Minijobs. Auch IW-Chef Hüther vermisst die Steuersystematik. Ihm würde es jedoch reichen, die Sonderregeln für Minijobs als Nebenerwerb außer Kraft zu setzen.

Quelle: WR vom 02.09.2009

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