Massenvorladungen afrikanischer Flüchtlinge – Sammelabschiebungen zu erwarten?
Zum wiederholten Mal hält sich seit dem 17.7.07 eine dubiose Delegation aus Guinea in Deutschland auf, diesmal in der Ausländerbehörde Braunschweig. Ziel ihrer Mission ist, im Auftrag der deutschen Behörden afrikanische Flüchtlinge zu „identifizieren“ und ihnen Papiere für die Abschiebung auszustellen. Eine solche Delegation war bereits 2005 zweimal in der Hamburger Ausländerbehörde zu Gast, 2006 in Dortmund sowie in der Schweiz, auf den Kanarischen Inseln und evtl. in weiteren europäischen Ländern. Die „Identifizierungsmethoden“ sind dabei mehr als fragwürdig:
Zum wiederholten Mal hält sich seit dem 17.7.07 eine dubiose Delegation aus Guinea in Deutschland auf, diesmal in der Ausländerbehörde Braunschweig. Ziel ihrer Mission ist, im Auftrag der deutschen Behörden afrikanische Flüchtlinge zu „identifizieren“ und ihnen Papiere für die Abschiebung auszustellen. Eine solche Delegation war bereits 2005 zweimal in der Hamburger Ausländerbehörde zu Gast, 2006 in Dortmund sowie in der Schweiz, auf den Kanarischen Inseln und evtl. in weiteren europäischen Ländern. Die „Identifizierungsmethoden“ sind dabei mehr als fragwürdig:
Laut Aussage des Leiters der Zentralen Ausländerbehörde (ZAB) Dortmund entscheidet die Delegation „aufgrund der Aussprache und der Gesichtsform“ über die guineische Staatsangehörigkeit (Welt, 07.04.06). Weiterhin fanden Anhörungen afrikanischer Flüchtlinge vor kurzem auch vor kamerunischen Botschaftsangehörigen in der ZAB Köln statt, und togoische Flüchtlinge wurden in großer Zahl zu ihrer Botschaft vorgeladen. Wir befürchten deshalb, dass wieder (Sammel-)Abschiebungen nach Afrika vorbereitet werden.
Entgegen Behauptungen in Einladungen nach Braunschweig, es gehe um Vorsprache bei „Mitarbeitern der guineischen Botschaft“, sind auch dieses Mal diplomatische Vertreter an den Anhörungen nicht beteiligt. Die Delegation besteht nur aus von deutschen Behörden für ihre Tätigkeit großzügig bezahlten RegierungsbeamtInnen aus Guinea.
Herr N’Faly Keita aus dem guineischen Außenministerium, der bisherige Leiter der Delegation, ist in Braunschweig allerdings nicht dabei. Über ihn war bekannt geworden, dass er sich – außer als Abschiebehelfer – auch als Schleuser betätigt hat, indem er Landsleuten für teures Geld Einreisepapiere für Europa ausstellte. Die Staatsanwaltschaft Dortmund ermittelt seit über einem Jahr in dieser Angelegenheit.
Der neue Leiter der Delegation heißt Ousmane Diao Balde und ist « Directeur National des affaires juridiques et consulaire » im « Ministère des affaires étrangères de la coopération, de l’intégration africaine et des Guinéens de l’étranger ». Er soll der Vorgesetzte von Keita sein. Ebenfalls soll er mit dem Bundesinnenministerium über ein Rückübernahmeabkommen mit Guinea verhandeln. Im Juni 2006 hat er an der euro-afrikanischen Regierungskonferenz zu Migration und Entwicklung in Marokko teilgenommen, auf der u.a. über die Aus-Lagerung der EU-Asylpolitik, Grenzabschottung und Abschiebungen geredet wurde. Die übrigen Teilnehmer der Delegation sind: Amara Soumah, « Chargé d’études à la division de Guinéens de l’étranger », Abdoulaye Sampil, « Commissaire de Police au Ministère de l’intérieur et de la sécurité » und Fatoumata Kouyaté, « Inspectrice de Police au Ministère de l’intérieur et de la sécurité » .
Vorgeladen sind 400 - 450 afrikanische Flüchtlinge aus Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Hamburg, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und weiteren drei Bundesländern. Im Vorfeld der Anhörungen wurde bekannt, dass in Lienen/NRW mindestens drei Flüchtlinge festgenommen, vom Amtsgericht in Rheine in Abschiebehaft gesteckt und zwei von ihnen zwangsweise nach Braunschweig vorgeführt wurden. Der dritte Flüchtling hatte noch ein laufendes Asylverfahren; seine Vorführung konnte jedoch erst durch die Intervention seines Anwalts verhindert werden!
Juristische Widersprüche und Eilanträge gegen die Vorladungen waren zum Teil erfolgreich. Die RechtsanwältInnen Daniela Hödl und Mark Nerlinger aus Hamburg schreiben dazu:
„Nach dem Wortlaut des Gesetzes können Ausländer/innen verpflichtet werden, vor den Vertretungen des Staates, dessen Staatsangehörigkeit sie vermutlich besitzen, vorzusprechen. Auf Grundlage dieser Vorschrift wurden bundesweit Ausländer/innen verpflichtet, zu einer Vorsprache in Braunschweig zu erscheinen.
Die hier vorliegenden Anordnungen zur Vorsprache in Braunschweig aus Hamburg und Sachsen-Anhalt benennen ausdrücklich die Botschaft von Guinea bzw. Vertreter der Botschaft als durchführende Personen und nicht die umstrittene Delegation aus Guinea. Darüber hinaus nennen die Anordnungen verschiedenste Zwangsmittel, wie polizeiliche Vorführung und Abschiebehaft, die in fast als willkürlich zu bezeichnender Art angedroht werden, die rechtlich nicht zu halten sind.
Die Anordnungen als sogenannte Verwaltungsakte werden aus unserer Sicht jedenfalls in keinster Weise der Mindestanforderung gerecht, dass jeder Betroffene weiß, was die Behörde von ihm will, welche Konsequenzen die Nichtbefolgung hat, und prüfen kann, ob die Anordnung rechtmäßig und ihr Folge zu leisten ist.
Diesem Argument, der Unbestimmtheit der Anordnung, ist in einem Verfahren um einstweiligen Rechtschutz das Verwaltungsgericht Dessau-Roßlau nicht gefolgt, auch die Beschwerde wurde abgewiesen. Die dortigen Gerichte haben eine weitgehende "Heilung" der genannten Mängel im Verfahren selbst zugelassen.
Das Hamburger Verwaltungsgericht hingegen hat heute einstweiligen Rechtschutz für einen Betroffenen gewährt und dies insbesondere mit der Unbestimmtheit der Anordnung begründet. Das VG war der Ansicht, dass „angesichts dieser Vielzahl von Angaben der Regelungsgehalt der Verfügung für einen unbefangenen Adressaten unklar bleibt“. Dies ist zu begrüßen, da sich auch die Verfügungen der Ausländerbehörden an den Bestimmungen des Verwaltungsverfahrensrecht messen lassen müssen.
Nach wie vor sind die Gerichte in Deutschland jedoch nicht bereit, sich inhaltlich mit der Delegation und ihrer Tätigkeit und Motivation auseinander zu setzen. Die Gerichte vertreten hier zunehmend die Auffassung, dass selbst eine Delegation, deren Zusammensetzung und Arbeitsweise in der Vergangenheit als höchst fragwürdig kritisiert wurde, als "Vertretung" des entsendenden Staates anzusehen ist. Dabei setzen sich die Gerichte nicht mit der Tatsache auseinander, dass die Botschaft der Republik Guinea mehrfach deutlich gemacht hat, weder personell noch organisatorisch an den Anhörungen der Delegation beteiligt zu sein.“
Die Situation in Guinea, einem der korruptesten und ärmsten, obwohl rohstoffreichsten Länder der Welt, ist nach einem Generalstreik im Januar, Demonstrationen mit über 150 Toten und durch die Opposition und internationale Vermittlung erzwungenem Regierungswechsel immer noch sehr angespannt. Nach einem Bericht von amnesty international vom Juni stellen die Sicherheitskräfte eine tägliche Bedrohung für die Zivilbevölkerung dar. Die Gewerkschaften kritisieren, dass der größte Teil der Zusagen der Regierung nicht eingehalten wurde und drohen mit neuen Aktionen (siehe taz vom 20.7.07).
In dieser Situation guineische und evtl. auch andere afrikanische Flüchtlinge, von denen einige bereits länger als acht Jahre in Deutschland sind und eigentlich Anspruch auf Bleiberecht hätten, zur Abschiebung nach Guinea freizugeben, widerspricht allen menschenrechtlichen Verpflichtungen, und die Methoden, mit denen dies versucht wird, sprechen allen rechtsstaatlichen Standards Hohn.
Wir fordern deshalb:
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Sofortiger Stopp der Anhörungen und Abreise der Delegation!
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Sofortige Freilassung der bereits inhaftierten Flüchtlinge!
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Abschiebeschutz und Bleiberecht für alle betroffenen Flüchtlinge!
Nähere Informationen erhalten Sie
auf der Website: www.fluechtlingsrat-hamburg.de
per Telefon: 0173-4108642 (Hamburg)
per mail: internationales.aktionsbuendnis (ät) arcor.de (NRW)
Quelle: Gemeinsame Pressemitteilung der Flüchtlingsräte Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein, Flüchtlingsinitiative Brandenburg (FIB),internationales Aktionsbündnis (NRW) vom 24.07.07