Update: Felix Otto nun gefesselt in Isolationshaft
Wir erinnern uns: Felix Otto, Flüchtling aus Kamerun, musste wegen Verstoßes gegen die rassistische Sonderregelung der Residenzpflicht für 8 Monate ins Gefängnis!
zur Vorgeschichte siehe: Kampagne gegen die Residenzpflicht
Seit über drei Monaten sitzt Felix Otto, Aktivist der Flüchtlingsorganisation "The Voice Refugee Forum", in der JVA Suhl-Goldlauter eine Gefängnisstrafe wegen Verletzung der sogenannten Residenzpflicht ab. Sein Vergehen: sich außerhalb des Landkreises, dem er durch die deutschen Behörden zugeteilt worden ist, aufgehalten zu haben. Seitdem forciert die zuständige Ausländerbehörde in Schleiz/Saale-Orla-Kreis Thüringen seine Abschiebung nach Kamerun: Die Strafhaft für Felix Otto wegen Residenzpflicht-Verstoß wurde umgewandelt in Abschiebehaft. Die Ausländerbehörde hat bei der Botschaft von Kamerun ein "Heimreise"-Passersatzdokument besorgt, das bis zum 3. September gültig ist.
Seit heute, dem Tag, an dem Felix Otto den Termin seiner Abschiebung erfahren hat und dieser öffentlich gemacht worden ist, wird er nun an Händen und Füßen gefesselt in einer videoüberwachten Einzelzelle verwahrt. Er steht unter ständiger Kontrolle, auch wenn er Telefonate führt. Die Möglichkeiten, Telefonate zu führen, werden eingeschränkt. Seine Kleider wurden ihm abgenommen.
Offiziell begründet wird die Maßnahme mit einer Suizidgefährdung. Diese Diagnose kommt aus heiterem Himmel. Gestern hatte Felix Otto in einem Telefongespräch vom überraschenden Besuch eines Psychologen berichtet, der nunmehr öfter zu ihm kommen wolle. Unsere ursprüngliche Vermutung, dass es vor allem darum ginge, ihn zu besänftigen, indem man ihn im Glauben ließe, dass man sich um ihn kümmere, hat sich leider nicht bestätigt.
Ziel der plötzlichen psychologischen Fürsorge war es offensichtlich allein, eine offizielle Rechtfertigung dafür zu gewinnen, dass man ihn des letzten Restes an Freiheit zu beraubt, um seine Abschiebung ohne Hindernisse durchführen zu können und jede Form von Protest und Widerstand zu verhindern. Dies passt zu der Tatsache, dass für die Abschiebung am Dienstag, den 25.8.2009, nach Kamerun ein Charterflug gebucht ist, durch den Felix Otto von jedem Kontakt mit der Außenwelt und Öffentlichkeit abgeschirmt werden soll.
Aufgrund der großen öffentlichen Aufmerksamkeit für seinen Fall gilt Felix Otto offensichtlich als besonders renitent. Bezeichnenderweise setzte die Maßnahme nach dem Telefonat mit einem Freund ein, der ihn über die geplante Abschiebung informiert hat. Zu behaupten, dass diese Sonderbehandlung irgendetwas mit der Sorge um sein Leben zu tun habe, ist eine beispiellose Heuchelei. Wer ernsthaft um das Leben und die Gesundheit von Felix Otto besorgt ist, möge schleunigst damit aufhören, seine Abschiebung zu betreiben und dafür sorgen, dass er sofort seine Freiheit zurückbekommt!
Freiheit für Felix Otto!
Abschiebung stoppen!
Residenzpflicht abschaffen!
siehe auch: http://thevoiceforum.org/node/1362
Telefon- und Faxnummern der zuständigen Stellen:
Innenminister von Thüringen, Herr Manfred Scherer:
Telefon: 0361 - 37900
Fax: 0361 - 3793111
Ausländerbehörde Schleiz / Landratsamt Saale-Orla-Kreis:
Telefon: 03663 - 488520
Fax: 03663 - 488450
Was ist die Residenzpflicht?
Flüchtlinge, die sich im Asylverfahren befinden, dürfen den Bezirk der Ausländerbehörde, der sie zugewiesen worden sind, nicht verlassen. Ihr Aufenthalt ist also auf den entsprechenden Kreis oder die entsprechende (kreisfreie) Stadt beschränkt.
Da kaum noch jemand als Flüchtling anerkannt wird, gibt es viele Menschen, die zwar (aus humanitären oder administrativen Gründen) nicht abgeschoben werden können, aber auch nicht anerkannt werden. Diese müssen oft über Jahre mit einer so genannten Duldung leben. Auch geduldete Flüchtlinge unterliegen der so genannten Residenzpflicht. Ihr Aufenthalt wird auf jeden Fall auf das Bundesland beschränkt, kann aber auch von der Ausländerbehörde auf den Kreis oder die Stadt beschränkt werden.
Will jemand Verwandte, Freund_innen, Veranstaltungen, Demonstrationen etc. außerhalb des zugewiesenen Aufenthaltsbezirks besuchen, muss dafür eine Genehmigung bei der zuständigen Ausländerbehörde beantragt werden. Die Erteilung liegt im Ermessen der Ausländerbehörde.
Es kann sich also jede/r vorstellen, dass gegen diese Regelung relativ häufig verstoßen wird. Durch rassistische Kontrollen, z.B. auf Bahnhöfen, bei denen die Aufenthaltspapiere überprüft werden, werden die Betroffenen kriminalisiert: Der wiederholte Verstoß gegen die "Beschränkung des Aufenthalts" ist eine Straftat und wird mit einer Geldstrafe oder einer Gefängnisstrafe von bis zu einem Jahr bestraft. Die gesetzliche Grundlage dafür bietet jeweils das Asylverfahrensgesetz bzw. (für Geduldete) das Aufenthaltsgesetz.
Diese Aufenthaltsbeschränkung ist in Europa einmalig.
Eine höhere Geld- oder Gefängnisstrafe kann unter Umständen weitreichende Folgen haben: Bei einer Geldstrafe von über 90 Tagessätzen bleiben beispielsweise die Betroffenen von der Bleiberechtsregelung für langjährig geduldete Flüchtlinge ausgeschlossen. Die Möglichkeit, einen sichereren Aufenthaltsstatus zu bekommen, kann ihnen also durch die Residenzpflicht genommen werden.
Meistens bleiben solche Fälle unbekannt.
Quelle: The VOICE Refugee Forum Jena vom 20.08.09