SPD räumt Mitverantwortung für soziale Schieflage ein
Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel hat eingeräumt, dass es Bundesregierungen unter SPD-Beteiligung nicht gelungen sei, die soziale Schere zwischen Arm und Reich zu schließen. Er machte zugleich deutlich, dass sich seine Partei jetzt vehement für eine stärkere Belastung höherer Einkommen einsetzen werde. Der DGB kündigte derweil Massenproteste gegen die Regierungspolitik an.
Für die soziale Schieflage mitverantwortlich zu sein, sei „vielleicht der schwerste Vorwurf, den man Sozialdemokraten machen kann oder den wir uns selbst machen müssen“, sagte Gabriel im Interview des ARD-Wirtschaftsmagazins „Plusminus“.
Zugleich mahnte er einen höheren Spitzensteuersatz an: „Wenn jetzt das Land in Schwierigkeiten kommt, dann müssen auch diejenigen, die durch eigene Leistung, aber auch durch das Land selber reich und wohlhabend geworden sind, bereit sein, einen höheren Spitzensteuersatz zahlen“, sagte er. Die rot-grüne Regierung hatte parallel zu den Hartz-Gesetzen den Spitzensteuersatz der Einkommensteuer von 53 auf 42 Prozent gesenkt.
Heute treffe der Spitzensteuersatz schon Bezieher von Jahreseinkommen um 52 000 Euro, also beispielsweise auch Facharbeiter oder Meister. Das seien aber nicht diejenigen, die man als „klassisch wohlhabend oder reich“ bezeichnen könne. Künftig solle der Höchst- Steuersatz erst ab einem Jahreseinkommen von 70 000 bis 75 000 Euro greifen, so Gabriel, „dafür aber deutlich höher werden“, nämlich von heute 42 Prozent auf 48 oder 49 Prozent steigen.
Die Leiharbeit, die die rot-grüne Bundesregierung seinerzeit erheblich gefördert hatte, bezeichnete der SPD-Chef als „Scheunentor zur Zerstörung von Voll-Arbeitsplätzen“. Dadurch sei ein „gigantischer Niedriglohnsektor“ entwickelt worden. „Dem müssen wir dringend einen Riegel vorschieben.“ Dies sei möglich, indem Leiharbeit nur mit Zustimmung der Betriebsräte zugelassen werde. Zudem müssten Leiharbeiter den gleichen Lohn erhalten wie ihre fest angestellten Kollegen.
Der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Michael Sommer, kündigte indessen Widerstand gegen die schwarz-gelbe Regierungspolitik an. „Nach der Sommerpause werden wir mobilisieren“, sagte der Gewerkschaftschef der „Passauer Neuen Presse“. „Die Regierungsparteien sollen den Druck der Menschen zu spüren bekommen. Wir brauchen mehr Gerechtigkeit in diesem Land. Und deshalb wird es im Herbst überall im Land vor Ort in den Betrieben Aktionswochen der Gewerkschaften geben.“
Sommer kritisierte insbesondere das geplante Sparpaket und die Pläne zur Gesundheitsreform. „Schwarz-Gelb will endgültig weg vom bewährten Prinzip, dass Arbeitnehmer und Arbeitgeber jeweils zu gleichen Teilen für die Gesundheitskosten aufkommen“, sagte er. „Das ist nicht hinnehmbar.“ Das Sparpaket der Bundesregierung lehnte er als „Fehleinschätzung“ ab. „Sparen ist nicht die richtige Antwort auf die Euro-Krise.“ In der aktuellen Situation müsse man die Nachfrage stimulieren, dürfe die Konjunktur nicht abwürgen. „Um die Staatsfinanzen in Ordnung zu bringen, benötigt man einen langfristigen Plan, keine Schuldenbremse.“
Quelle: Handelsblatt vom 13.07.10