Whistleblower-Preis: Steuerfahnder für gute Arbeit geschasst
Der heutige Samstag wird nicht alles wieder gut machen im Leben von Steuerfahnder Rudolf Schmenger und seinen früheren Kollegen vom Finanzamt Frankfurt V. Aber er bringt ein bisschen Genugtuung: Heute erhalten die Ex-Steuerfahnder den Whistleblower-Preis dafür, dass sie Groß-Steuerbetrügern am Finanzplatz Frankfurt an den Kragen wollten. Doch ihre Vorgesetzten stellten sie kalt, servierten sie ab.
Der Whistleblower-Preis wird seit 1999 alle zwei Jahre von einem Zusammenschluss mehrerer Organisationen vergeben, darunter die Vereinigung Deutscher Wissenschaftler. Er soll Menschen ehren, die in ihrem Arbeitsumfeld schwere Missstände aufdecken.
Menschen wie Schmenger und seine Kollegen: 2001 waren sie Steuerfahnder in Frankfurt, erfahrene Spitzenkräfte mit besten Zeugnissen ihres Arbeitgebers, dem Staat. Sie bildeten das "Banken-Team" des Finanzamtes und wurden des öfteren offiziell belobigt. Rudolf Schmenger, Frank Wehrheim, Marco Wehner, Dieter Reimann, Eckard Piesch sowie Heiko und Tina Feser waren unter Kollegen berühmt; wenn sie wegen Steuerhinterziehung ermittelten, war keine Großbank sicher.
Stapelweise Belastungsmaterial fand das Team bei Commerz- und Deutscher Bank, die Kunden geholfen hatten, Geld vor dem Fiskus zu verstecken. 250 Millionen Euro zusätzlich aus Steuernachzahlungen der Banken verbuchte das Land Hessen wegen ihrer Erfolge, rund eine Milliarde der Bund.
Im Sommer 2001 begann, was nach schlechtem Krimi klingt. Der inzwischen pensionierte Leiter des Finanzamtes, Jürgen Schneider-Ludorff, bremste die Fahnder: Sie sollten nur ermitteln, wenn sie Transfervolumen von 500 000 D-Mark oder Einzeltransfers von 300 000 D-Mark entdeckten. Doch Steuerbetrüger bringen ihre Millionen stets in kleinen Tranchen nach Liechtenstein oder in die Schweiz; kleine Transfers führen Fahnder oft zu großen Konten.
Steuerfahnder und Regierungsoberrat Eckard Piesch protestierte schriftlich gegen die Anweisung - und wurde von einem Tag auf den anderen nach Darmstadt versetzt. Es folgte eine lange Geschichte der Versetzungen, Disziplinarmaßnahmen, des Mobbings und letztlich der Zerschlagung der Abteilung. Alle Beamten des Banken-Teams wurden aus dem Dienst entfernt. Spiegel, Stern und Hessischer Rundfunk berichteten; zuletzt gab es sogar einen wenig erfolgreichen Untersuchungsausschuss im hessischen Landtag.
Geholfen hat es keinem der Ex-Fahnder. Der letzte wurde kürzlich mit 39 Jahren für krank erklärt und zwangspensioniert: "Querulatorische Entwicklung" bescheinigten die amtlichen Gutachter. Ärzte, die mit dem Finanzamt nichts zu tun haben, bescheinigen den Ex-Fahndern, sie seien psychisch kerngesund.
Über die Gründe für den Druck von der Amtsspitze wurde viel spekuliert. Anweisungen aus der hohen Landespolitik, von Finanzminister Karlheinz Weimar und Ministerpräsident Roland Koch (beide CDU) wurden vermutet. Sie hätten kein Interesse an einer umfassenden Verfolgung der Steuerdelikte gehabt, die auch viele einflussreiche Persönlichkeiten betroffen hätte, heißt es in Ermittlerkreisen. Bewiesen wurde das nie.
Doch die Zahlen sprechen dafür, dass in Hessen etwas ganz und gar nicht mit rechten Dingen zuging. 326 Kisten und 357 Ordner mit Liechtensteiner Steuerakten hatten die Fahnder aus Frankfurter Banken geholt. Was aus den Fällen nach der Zerschlagung des Fahndungs-Teams wurde, musste Weimar 2008 im Landtag beantworten. Pro Fall habe man lediglich 208 Euro an Steuermehreinnahmen erzielt, sagte er.
Für die Steuerfahnder, die die Akten kennen, ist eine so geringe Summe nur denkbar, wenn die Fälle nicht bearbeitet wurden. In Bad Homburg holten Steuerfahnder zur gleichen Zeit mit einem ähnlichen Fall 7,5 Millionen Euro für den Staat. Keine hessischen Beamten, sondern Steuerfahnder aus Bochum. Ministerpräsident Koch und Finanzminister Weimar haben ihre Jobs ja noch.
Quelle: FR vom 09.05.09