"Renten-Nachhaltigkeitsgesetz" als Teil der sog. "Rentenreform" verabschiedet
Verabschiedung des Renten-Nachhaltigkeitsgesetzes mit den Stimmen von Grünen und SPD im Bundestag am 11.03.04.
- Zu weiteren
Kuerzungen bei Renten siehe auch:
--> Zusaetzliche Sozialversicherungsbeitraege und hoehere Besteuerung kuerzen die Renten
("Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung" / "Alterseinkünftegesetz")
--> Die beschlossenen und geplanten Einschnitte bei Renten - Kurze Uebersicht aus direkt 04/2004
Die wichtigsten Punkte des "Renten-Nachhaltigkeitsgesetzes" (nach taz, 11.03.04) :
- Kern des Renten-Gesetzes ist der Nachhaltigkeitsfaktor. Er soll die gesetzliche Rentenversicherung mit der Abnahme der Bevölkerung und der wirtschaftlichen Entwicklung in Einklang bringen. Offizielle Argumentation: das sei nötig durch sinkende Geburtenzahlen und steigende Lebenserwartung, es werde immer mehr aus der Rentenkasse ausgezahlt, aber immer weniger eingezahlt. Der Nachhaltigkeitsfaktor passt den Anstieg der Renten an das Verhaeltnis von Rentnern und Beitragszahlern an: Wenn mehr Erwerbstätige einzahlen, steigt die Rente etwas schneller, wenn weniger Erwerbstätige da sind, wächst sie langsamer.
- Auch die tatsaechliche Lebensarbeitszeit soll steigen. Künftig ist Frühverrentung wegen Arbeitslosigkeit oder Altersteilzeitarbeit frühestens mit 63 Jahren möglich. Zudem muss die Bundesregierung im Jahr 2008 über eine Erhöhung der regulären Lebensarbeitszeit entscheiden. "Sozialexperten" der Fraktionen gehen davon aus, dass dann das gesetzliche Renteneintriottsalter erhöht werden müsse.
- Bei der Berufsausbildung wird ein abgeschlossenes Studium in Zukunft bei der Rentenermittlung gar nicht mehr angerechnet, der Besuch von Berufsschulen und berufsvorbereitenden Maßnahmen nur noch mit höchstens 36 Monaten.
Adolf Bauer, Präsident des Sozialverbandes Deutschland (SoVD), zu dem Gesetz: "Rot-Gruen beschliesst die schaerfste Rentenkuerzung in der Geschichte der Bundesrepublik"
Bericht von Andreas Spannbauer in taz, 12.03.04:
BERLIN taz Nach der Rentenreform müssen die Deutschen künftig mehr privat für das Alter vorsorgen. Die gesetzliche Rente werde "nicht mehr die Funktion haben, den Lebensstandard im Alter zu sichern", sagte Sozialministerin Ulla Schmidt (SPD) bei der Verabschiedung des Renten-Nachhaltigkeitsgesetzes mit den Stimmen von Grünen und SPD im Bundestag.
Bei der namentlichen Abstimmung wurde der Gesetzentwurf mit 302 von 594 Stimmen angenommen. Die Opposition votierte geschlossen dagegen; es gab eine Enthaltung. Kritiker aus der SPD-Fraktion waren nach dem Einfügen einer Kompromissformel auf den Kurs der Regierung eingeschwenkt.
Mit dem Gesetz wird der Nachhaltigkeitsfaktor eingeführt. Er soll den Anstieg der Renten dämpfen. Bis zum Jahr 2020 fällt das Rentenniveau dadurch auf 46 Prozent eines durchschnittlichen Nettolohns vor Steuern. 2030 liegt das Niveau Berechnungen zufolge nur noch bei 43 Prozent. Weil viele Kritiker dies für zu niedrig halten, schreibt das Gesetz zudem einen Überprüfungsauftrag fest: Falls sich nach 2008 ein Sinken der Rente unter 46 Prozent abzeichnet, muss die Regierung Maßnahmen prüfen, um dies zu verhindern - etwa einen höheren Staatszuschuss oder ein höheres Rentenalter.
Die Klausel zur Sicherung des Rentenniveaus war nachträglich auf Druck der SPD-Linken eingefügt worden. Schmidt verteidigte diesen Schritt. Es handele sich um "Spielräume, die den jüngeren Generationen eröffnet" worden seien. Die grüne Sozialexpertin Birgitt Bender sagte, nun müsse nach 2008 eine Erhöhung der Lebensarbeitszeit geprüft werden. Die Reform soll ausschließen, dass die Beiträge bis zum Jahr 2030 über 22 Prozent steigen. Im Moment liegt der Beitragssatz bei 19,5 Prozent.
Der CSU-Sozialexperte Horst Seehofer warf der Regierung vor, die Bevölkerung über die tatsächliche Entwicklung der Rente im Unklaren zu lassen. Das angestrebte Mindestniveau und die Begrenzung der Beiträge auf 22 Prozent seien unvereinbar: "Beides zusammen ist nur mit einer Lebensarbeitszeit bis zum 70. Lebensjahr zu haben." ...
Bericht aus: T-Online-Nachrichten 10.03.04:
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"Kompromissklausel" soll Kritiker besaenftigen
Die SPD-Fraktionsführung hat im letzten Moment eine "Kompromissklausel" zum Rentenniveau aufgenommen, um die Gefahr einer Abstimmungsniederlage zu bannen: Demnach peilt die Regierung für das Jahr 2030 zwar nach wie vor ein Mindestniveau von 43 Prozent an - lässt es die Finanzlage aber zu, könnte für die Rentner auch mehr drin sein.
Klausel ueberzeugt Linke
Presseberichten zufolge hatten sieben SPD-Abgeordnete gedroht, das Rentenpaket der Regierung abzulehnen, weil sie ein Niveau von 43 Prozent für zu niedrig halten. Sie hatten 46 Prozent gefordert. Nach Worten des Parteilinken Horst Schmidbauer sei nun aber eine Revisionsklausel vereinbart worden, wonach die Regierung Vorschläge unterbreiten müsse, wenn das Rentenniveau unter 46 Prozent abzurutschen drohe. Mit diesem Kompromiss könne er leben.
Mehr ist nicht drin
SPD-Fraktionsvize Gudrun Schaich-Walch geht davon aus, dass es bei der Abstimmung zur Rentenreform im Bundestag am Donnerstag aus ihrer Partei keine Gegenstimmen geben werde. Sie stellte klar, dass im Gesetz nach wie vor von 43 Prozent die Rede ist. "Das kann auf Grund des jetzigen Datenmaterials nicht anders sein." Nur so könne 2030 ein Beitragssatz zur Rentenversicherung von 22 Prozent garantiert werden.
Untergrenze sollte ganz fallen
Die Regierung will das Rentenniveau bis zum Jahr 2020 zunächst auf 46 Prozent und bis 2030 schließlich auf 43 Prozent des durchschnittlichen Bruttoeinkommens der Arbeitnehmer abzüglich Sozialabgaben festschreiben.
Derzeit liegt es bei bei 53 Prozent. Sozialministerin Ulla Schmidt wollte die Untergrenze zunächst ganz kippen. Rentenversicherungsträger, Gewerkschaften und Sozialexperten warnten vor einem "freien Fall" der Altersbezüge, sollte die Regierung auf eine Mindestklausel verzichten.
Fragliche Rechnung
Die Mindestregel beruht allerdings auf fragwürdigen Annahmen: Die 43 Prozent bekommt 2030 nur der so genannte Eckrentner, der 45 Jahre lang durchschnittlich verdient und ununterbrochen Beiträge gezahlt hat. Experten sind sich einig, dass in der modernen Arbeitswelt ein solcher Modellrentner immer seltener wird. Demnach sei der Aussagewert einer auf diesem Niveau verankerten Untergrenze schon jetzt äußerst fraglich.