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18-Jähriger soll in Werkstatt für Behinderte abgeschoben werden

Für Tobias K. ist sein Abschlusszeugnis ein Riesenerfolg. Obwohl er behindert ist, besuchte er eine reguläre Gesamtschule. Jetzt wollte er eine Ausbildung beginnen. Aber da hatte er die Rechnung ohne die Agentur für Arbeit gemacht. Die möchte ihn in eine Behindertenwerkstatt schicken.

Statt Azubi wäre der 18-Jährige Dortmunder dann Hartz-IV-Empfänger - wahrscheinlich lebenslang. Wie die Agentur für Arbeit Dortmund erklärt, reichen Tobias Fähigkeiten nicht für mehr als für einfache Tätigkeiten in einer Behinderteneinrichtung (Schrauben sortieren). „Aus dem ärztlichen bzw. psychologischen Gutachten sowie einer zweimonatigen Eignungsfeststellung hat sich ergeben, dass eine Ausbildung ihn überfordern würde”, heißt es. Auch wenn intellektuelle Voraussetzungen gegeben seien, stelle eine Ausbildung hohe Anforderungen an soziales Verhalten, Konzentrationsvermögen und Ausdauer. Die Agentur möchte Tobias daher in einem „geschützten Lernort” unterbringen.

Als "nicht erwerbsfähig" eingestuft

Wie es der Dortmunder schaffen konnte, im Schulwettbewerb mit seinen vermeintlich „gesunden” Mitschülern zu bestehen, hat das ärztliche Gutachten nicht hinterfragt. Dieses wurde im Auftrag der Arbeitsagentur erstellt. „Das Gespräch zum Gutachten selber dauerte fünf Minuten und mir wurde direkt klar: Dieser Arzt hat sich in seinem Leben niemals mit der Erkrankung meines Sohnes beschäftigt”, berichtet Tobias Mutter Heidi K.. Daher habe sie es nicht erstaunt, dass man Tobias als nicht erwerbsfähig eingestuft habe. „Ich habe Widerspruch eingelegt. Erfolglos. Denn dies erfordert ein Gegengutachten eines Spezialisten, was rund 3500 Euro kostet.”

Heidi K. wehrt sich gegen die „Abschiebung” ihres Sohnes, für den sie Zeit seines Lebens kämpfen musste. Angefangen im Kindergarten, bis über die Grund- und später die Gesamtschule.

Gutachter-Urteil nach fünf Minuten

„Ich wollte nicht, dass er in eine Sonderschule abgeschoben wird.” Die Fachinformatikerin erzählt, dass es immer um die Kosten gegangen sei, nie um den Intellekt ihres Sohnes. Die Kosten für eine im Gesetz vorgeschriebene integrative Kraft an einer Schule, „wollte man sich immer sparen.” Doch Heidi K. setzte sich durch. Ihr Sohn durfte lernen. „Wofür?”, fragt sie sich heute. Man hätte sich das alles schenken können, „wenn er jetzt in eine Behinderteneinrichtung soll.”

Heidi K. beruft sich auf das Recht auf eine behindertengerechte Ausbildung. „Die Agentur ist dazu verpflichtet, uns behilflich zu sein. Es entspricht Tobias Fähigkeiten, eine Ausbildung zu beginnen.” Das bescheinigt auch sein Lehrer. Tobias Behinderung äußere sich lediglich darin, dass er zurückgezogen, nicht sehr kommunikativ sei. „Mein Sohn hat Rechte, aber man verwehrt sie ihm”, sagt seine Mutter. Sie kämpft weiter.

Quelle: der Westen vom 11.03.09

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