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Mieterverein rechnet mit Hunderten von Zwangsumzügen

Bochum - 1400 Hartz-IV-Haushalte in Bochum haben in den letzten Wochen Aufforderung zur Senkung ihrer "Kosten der Unterkunft" von der Arbeitsgemeinschaft für die Grundsicherung von Erwerbslosen (ARGE) erhalten oder werden eine solche Aufforderung in den nächsten Tagen in ihren Briefkästen finden.

Das berichtete die Geschäftsführerin der ARGE, Susanne Schomburg im Sozialausschuss. Der Mieterverein findet diese Fallzahl erschreckend hoch. Pressesprecher Aichard Hoffmann: "Das übersteigt unsere schlimmsten Befürchtungen. Das kann nun wirklich niemand als ein paar Ausreißer-Fälle abtun."

Nach dem Bericht sind seit dem 29. September - an dem Tag beschloss der Sozialausschuss neue Richtlinien für die Kosten der Unterkunft - 22700 Hartz-IV-Haushalte auf ihre Wohnkosten hin überprüft worden. In 18000 Fällen waren die Kosten unterhalb der festgesetzten Obergrenzen, in 2500 weiteren "Bagatellfällen" nur geringfügig darüber (unter 40 Euro). Die übrigen 2200 machen 9,5 Prozent der Haushalte aus. 800 davon fallen unter die zahlreichen Ausnahmeregelungen, die nach breiten Diskussionen im Ausschuss beschlossen worden waren. Die restlichen 1400 aber wohnen zu teuer.

Noch kann man nicht sagen, wie viele davon wirklich umziehen müssen und wie vielen es gelingen wird, auf andere Weise ihre Wohnkosten zu senken. Ist die Wohnung groß genug, kommt auch eine Untervermietung in Frage.

Selbst Verhandlungen mit dem Vermieter, die Miete zu senken, müssen nicht immer so aussichtslos bleiben, wie es zunächst klingt. "Mietsponsoring" - also eine zweckgebundene Beihilfe aus dem Familien- oder Freundeskreis - will die ARGE aber nicht dulden. Das wäre anrechenbares Einkommen, das auch die Regelleistungen mindern würde.

Miet-Sponsoring
Dieser Umstand leuchtete etlichen Ausschussmitgliedern allerdings nicht ein. Ein zweckgebundener Zuschuss zur Kfz-Versicherung beispielsweise ist zulässig. Und die Umgehungsmöglichkeiten sind vielfältig. Wer zum Beispiel einen "Sponsor" hat, der durch finanzielle Zuwendungen den Vermieter "überredet", mit der Miete herunter zu gehen, ist rechtlich aus dem Schneider. Aichard Hoffmann: "Es ist eine schlechte Lösung, wenn der Ehrliche der Dumme ist, während die Kreativen einen Weg finden, die Wohnung zu halten."

Nach Angaben von Schomburg gibt es unter den Betroffenen eine ganze Reihe, die ihre Wohnung auf keinen Fall aufgeben wollen. Der Mieterverein befürchtet dennoch, dass es im Laufe der sechs Monate, die die Betroffenen Zeit haben, die Kosten zu senken, etliche hundert Zwangsumzüge geben wird.

Quelle: Ruhr Nachrichten vom 25. Januar 2006

Bochum: Countdown zum Massenumzug?

ALG II-Empfänger sollen Wohnkosten senken

Von Frank Finkbeiner

In Bochum sind 1.400 Empfänger des Arbeitslosengeldes II (ALG) aufgefordert worden, innerhalb eines halben Jahres die Wohnungskosten zu senken. Der örtliche Mieterverein fürchtet nun Hunderte Zwangsumzüge und die "Entstehung von Ghettos".

Manch Empfänger wohnt zu teuer
Bei der Überprüfung der Wohnkosten von 22.700 ALG II-Empfängern hatte sich in Bochum herausgestellt: 1.400 von ihnen wohnen zu teuer. Sie sollen nun der ARGE, einer Arbeitsgemeinschaft von Arbeitsagentur und Sozialamt, ihre Wohnsituation erklären. Und falls sie keine Ausnahmeregelungen - wozu die Behörde Krankheit oder kleine Kinder zählt - geltend machen können, müssen sie mit dem Vermieter über eine Mietminderung verhandeln, Untermieter aufnehmen oder sich eine billigere Wohnung suchen. Der Wohnungsmarkt sei entspannt, sagt Stephan Kuckuk von der ARGE Bochum, "sich eine einfachere Wohung zu suchen, ist machbar." Der örtliche Mieterverein bezeichnet die Zahl dagegen als "erschreckend hoch, das übersteigt unsere schlimmsten Befürchtungen."


Hoffen auf gnädige Vermieter
Im Moment werden die Mieten von ALG II-Empfängern noch vollständig von den Städten und Gemeinden getragen. Seit 2005 gelten jedoch neue Richtlinien, nach denen nur noch "angemessene Kosten" übernommen werden sollen. In Bochum etwa hat ein Zwei-Personen-Haushalt eigentlich nur ein Anrecht auf 292 Euro plus Heiz- und Nebenkosten, in Dortmund sind es 367 Euro plus Heizkosten. Die Kommunen drängen nun darauf, dass die ARGEs diese Richtlinie endlich umsetzen. Wer sechs Monate nach Aufforderung immer noch zu teuer wohnt, soll die Differenz selbst tragen. "Das können sich viele Leute leisten, da sie zum Teil ja auch Nebeneinkünfte haben", sagt Stefan Kuckuk.

ARGEs überprüfen Mietausgaben
Der Mieterverein Bochum sieht dagegen bereits Massenumzüge auf die Stadt zukommen. "Für diese Menschen kommen nur billige Wohnungen aus den 60er-Jahren in Frage", sagt Aichard Hoffmann, "und die liegen in sozial schwachen Stadtvierteln, so dass sich durchaus Ghettos bilden könnten." In diesem Fall fordert der Verein eine Erhöhung der "angemessenen Unterkunftskosten". Denn dass Vermieter freiwillig auf Mieteinnahmen verzichten, das glaubt er nicht: "Wir machen uns da keine Illusionen." Dem widerspricht allerdings Olaf Schneider von der Eigentümergemeinschaft Haus und Grund NRW: "Manche Vermieter, die ihre Mieter behalten wollen, werden sicher mit sich reden lassen. Sollte eine Wohnung allerdings leicht weiter zu vermieten sein, sieht die Sache anders aus."

Genügend Wohnraum vorhanden?
Der Mieterbund NRW glaubt indes, dass es vielerorts gar nicht genug günstige Wohnungen gibt, in Köln, Düsseldorf und Bonn etwa. "Da kann man sich der ALG II-Empfänger bemühen wie er will", sagt Geschäftsführer Jürgen Becher. Doch genau da könnte es auch ein Hintertürchen geben: Wenn ein ALG II-Empfänger nämlich nachweisen kann, dass er sich aktiv um eine billigere Wohnung gekümmert, jedoch keine gefunden hat. "Dann werden unter Umständen die Fristen verlängert", sagt der Bochumer ARGE-Mann Stephan Kuckuk. Einen genauen Plan für diesen Fall gibt es aber offenbar noch nicht - weder in Bochum, Dortmund oder Herne.

Müssen sie bald umziehen?
In Sachen Unterkunftskosten verfährt aber sowieso jede Kommune anders. In Dortmund etwa sind überhaupt noch keine Aufforderungen verschickt worden. "Wir versenden keine Massenschreiben", sagt Sozialamtsleiter Peter Bartow, "sondern prüfen jeden Fall einzeln, beginnend mit dem teuersten Mietverhältnis." Dortmund setzt dabei auf Gespräche mit Mietervereinen, der Wohnungswirtschaft - und vor allem den Betroffenen. "Einen 62-jährigen, der kurz vor der Rente steht, werden wir nicht zum Umzug auffordern." So hoffe man, die Zahl der Umzüge möglichst niedrig zu halten. Nicht zuletzt, weil in Dortmund nur wenige Wohnungen leer stünden, "und den Umzug muss die Kommune ja auch bezahlen."

"Langwieriger Prozess"
Wie vielen ALG II-Empfänger in NRW trotzdem ein unfreiwilliger Wohnungswechsel droht, darüber gibt es keine genauen Zahlen. Einige Kommunen haben Aufforderungen verschickt, andere sind noch mit der Prüfung der Wohnsituation beschäftigt - Herne etwa. "Das ist ein langwieriger Prozess", sagt Sozialderzenent Meinolf Nowak. Juristische Vorgaben ließen sich schließlich immer nur bedingt auf die Realität übertragen. "Auch wenn ich eigentlich nicht spekulieren möchte", so Nowak, "glaube ich, dass am Ende die meisten ALG II-Empfänger in ihren Wohnungen bleiben werden."

Quelle: http://www.wdr.de/themen/politik/deutschland/hartz/060125.jhtml

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