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Arbeitsmarkt im Mai

Wie die Arbeitslosen gezählt werden und was je nach zählweise dabei heraus kommt. Eine Zusammenstellung der Nachdenkseiten:

Weniger Jobsuchende: Arbeit wird auf mehr Köpfe verteilt

Die Zahl der Arbeitslosen ist in Deutschland gesunken. Dies gilt auch dann, wenn man statistische Mogeleien berücksichtigt. (…) Im Mai waren 3,2 Millionen Menschen als arbeitslos registriert, berichtet die Bundesagentur für Arbeit (BA). Weniger Jobsuchende gab es in einem Mai zuletzt 1992.

Quelle: FR

Anmerkung unseres Lesers G.K.:Eva Roths Meinung, die Arbeitslosigkeit sei in Deutschland trotz statistischer Mogeleien gesunken, steht auf sehr tönernen Füßen, insbesondere, wenn man ergänzend die drastisch gesunkene Qualität der Arbeitsplätze in Rechnung stellt. So ist beim Vergleich zu den Arbeitslosendaten des Jahres 1992 z.B. zu berücksichtigen, dass:

  • eine große Zahl von Vollzeitstellen in zumeist schlecht bezahlte Teilzeitstellen sowie in Mini- und Midijobs umgewandelt wurde, wodurch die Arbeitslosenstatistik in einem ganz erheblichen Maße aufgehübscht wird;

  • die 1-Euro-”Jobs”, welche im Jahre 2005 eingeführt wurden, ebenfalls zu einem statistischen Rückgang der Arbeitslosigkeit beitragen;

  • zwischenzeitlich zahlreiche statistische “Bereinigungen” durchgeführt wurden (so wird beispielsweise ein Großteil der über 58-jährigen Arbeitslosen nicht mehr in der Arbeitslosenstatistik ausgewiesen).

Selbst ein nur ansatzweise seriöser Vergleich der offiziellen Arbeitslosenzahlen des Jahres 1992 mit jenen des Jahres 2010 ist nicht möglich.

Mit speziellem Blick auf die Entwicklung zum Vorjahr nennt Eva Roth folgende schönfärberischen Statistikeffekte:

  • Seit einigen Jahren sinkt die Zahl der Erwerbsfähigen. Allein in diesem Jahr dürfte das Arbeitskräfteangebot wegen der Alterung unserer Gesellschaft um rund 100.000 Menschen zurückgehen, schätzt das IAB-Forschungsinstitut der Arbeitsagentur. Diese Reduktion der Arbeitslosenzahlen tritt ein, ohne dass Politik oder Wirtschaft auch nur einen einzigen Finger rühren müssen.

  • Wie sich statistische Beschönigungen auswirken, zeigt der Jahresvergleich: Offiziell ist die Zahl der Arbeitslosen seit Mai 2009 um 217.000 gesunken. Ein Großteil dieses Rückgangs existiert nur auf dem Papier. So tauchen Jobsuchende, für deren Vermittlung Privatfirmen zuständig sind, seit einiger Zeit in der offiziellen Statistik nicht mehr auf. Rechnet man sie hinzu, ist die Arbeitslosenzahl laut BA nur um 90000 gesunken.

  • Im Vergleich zum Vorjahresmonat Mai ist die Langzeitarbeitslosigkeit angestiegen.

  • Immer mehr Menschen haben einen Teilzeit-Job: Die Zahl ist im Jahresvergleich um 190.000 gestiegen – dabei sind die umstrittenen Minijobs nicht berücksichtigt. Vollzeitstellen wurden dagegen abgebaut. Unterm Strich hatten mehr Menschen einen regulären Job, die Arbeit wird auf mehr Köpfe verteilt. In der Industrie verschwinden Vollzeitjobs, im Dienstleistungssektor entstehen Teilzeitstellen. So sind im verarbeitenden Gewerbe binnen Jahresfrist 222.000 Arbeitsplätze weggefallen. Das Lohn- und Gehaltsniveau im Dienstleistungsgewerbe liegt in den allermeisten Fällen unter jenem in der Industrie. Die Leiharbeitsbranche wächst schon wieder rasant: Hier verbuchen die Statistiker ein Plus von 81.000 Stellen – das sind fast 16 Prozent mehr als im Vorjahr. Auch hier liegt das Lohn- und Gehaltsniveau deutlich unter dem Niveau der Stammbelegschaften. Kürzlich äußerte der DGB die Besorgnis, in den kommenden Jahren würden Arbeitsplätze der Stammbelegschaften abgebaut und in Leiharbeitsplätze umgewandelt werden. Die Befürchtung: Die Zahl der Leiharbeitsplätze könne hierdurch auf ca. 2,2 Millionen ansteigen. Zum Vergleich: Zum Jahresende 2007 (dem Jahr vor Ausbruch der Wirtschaftskrise) waren 721 Tausend Arbeitnehmer in der Leiharbeitsbranche tätig.

  • Im Monat März 2010 (aktuellere Daten liegen nicht vor) befanden sich 830.000 Personen in Kurzarbeit. Diese Besonderheit des deutschen Arbeitsmarktes ist beim internationalen Vergleich von Arbeitslosendaten zu berücksichtigen. Denn hierbei handelt es sich zum Teil um “versteckte” Arbeitslosigkeit, die in den offiziellen deutschen Arbeitslosendaten nicht ausgewiesen wird.

Das Fazit: Die in zahlreichen Medien angefachte Jubelstimmung (“Jobwunder” etc.) ist sowohl hinsichtlich eines längerfristigen Vergleiches der Arbeitslosendaten als auch im Vergleich zum Vorjahr mit erheblicher Skepsis zu begegnen, zumal das angebliche “Beschäftigungswunder” nicht selten als Rechtfertigung für den angeblichen “Erfolg” der “Agenda 2010″-Politik (speziell Hartz IV) herhalten muss. Zahlreiche statistische Schönfärbereien, die Umwandlung von Vollzeit- in Teilzeitstellen sowie die deutliche Verschlechterung der Qualität der Arbeitsplätze und die damit einhergehende schlechte Entwicklung der realen Arbeitnehmereinkommen machen deutlich, dass sich die Perspektiven für zahlreiche Beschäftigte seit vielen Jahren negativ entwickeln. So weist Deutschland europaweit mittlerweile den prozentual höchsten Anteil der im Niedriglohnsektor beschäftigten Arbeitnehmer aus.

Arbeitsmarkt im Mai 2010

  • 5,918 Millionen “Arbeitslosengeld-Empfänger/innen” (SGB III und SGB II)

  • 3,242 Millionen registrierte Arbeitslose – 217.000 (6,3%) weniger als im Mai 2009

  • 217.000 weniger Arbeitslose, aber nur 6.000 weniger „Arbeitslosengeld-Empfänger/innen“

  • 68,0% der Arbeitslosen sind im Rechtskreis SGB II (Hartz IV) registriert (Mai 2009: 65,4%)

  • Im Mai 2010 wurden von der Statistik der BA insgesamt 3,242 Millionen Arbeitslose registriert,

  • 217.000 bzw. 6,3% weniger als im Mai 2009. Von diesen 3,242 Millionen Arbeitslosen waren 1,038 Millionen (32,0%) im Rechtskreis SGB III und 2,203 Millionen (68,0%) im Rechtskreis SGB II (Hartz IV) registriert.

  • Als Arbeitsuchende waren im Mai 2010 insgesamt 5,834 Millionen Frauen und Männer registriert, 129.000 (2,2%) weniger als im Mai 2009.
    Die von der Statistik der BA ermittelte „Unterbeschäftigung ohne Kurzarbeit“ betrug im Mai 2010 4,424 Millionen, 87.000 (1,9%) weniger als im Mai 2009.

  • Nach vorläufigen, hochgerechneten Daten hatten 0,988 Millionen (arbeitslose und nicht arbeitslose) Frauen und Männer Anspruch auf das beitragsfinanzierte Arbeitslosengeld (SGB III) und 5,038 Millionen Anspruch auf Arbeitslosengeld II. Bereinigt um die Zahl der etwa 108.000 sog.

  • Aufstocker (gleichzeitiger Bezug von Arbeitslosengeld und Arbeitslosengeld II) hatten im Mai 2010 etwa 5,918 Millionen erwerbsfähige Frauen und Männer Anspruch auf Arbeitslosengeld (SGB III) bzw. Arbeitslosengeld II, „6.000 weniger als vor einem Jahr“ (BA-Monatsbericht, S. 19).

Quelle: Bremer Institut für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe e.V. (BIAJ) [PDF - 561 KB]

Anmerkung von Paul M. Schröder vom Bremer Institut für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe (BIAJ): Ein wesentlicher Grund für die Widersprüche (weniger/mehr) zur Statistik der Bundesagentur: Die geänderte Zählweise der Arbeitslosen nach “Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitschen Instrumente” zum 1. Januar 2009.

Siehe auch:

Tatsächliche Arbeitslosigkeit im Mai 2010: 4.451.136 Arbeitslose – Zeit zu handeln statt zu tricksen

  • Tatsächliche Arbeitslosigkeit im Mai 2010: 4.451.136

  • Offizielle Arbeitslosigkeit: 3.241.529

  • Nicht gezählte Arbeitslose: 1.209.607

  • Älter als 58, beziehen Arbeitslosengeld II circa 350.000

  • Älter als 58, beziehen Arbeitslosengeld I (§ 428 SGB III) 1.192

  • Ein-Euro-Jobs (Arbeitsgelegenheiten) 303.697

  • Berufliche Weiterbildung 214.548

  • Eignungsfeststellungs- u. Trainingsmaßnahmen (z.B. Bewerbungstraining) 1.565

  • Aktivierung und berufliche Eingliederung (z. B. Vermittlung durch Dritte) 252.649

  • Beschäftigungszuschuss (für schwer vermittelbare Arbeitslose) 38.827

  • Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen 3.227

  • Kranke Arbeitslose (§126 SGB III) 43.902

Quelle: Die Linke [PDF - 82 KB]

 

Quelle: www.nachdenkseiten.de vom 02.06.2010

 

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