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Aus für JobPerspektive: Angst vor dem Abstellgleis

Schwarz-Gelb in Berlin kappt das Förderprogramm „JobPerspektive”, das 1000 Dortmunder allein im Jahr 2009 aus der Langzeitarbeitslosigkeit holte. Das Entsetzen ist groß, der Protest lautstark.

Der Schlag traf ihn mitten ins Gesicht: Arbeit weg! Keine Aussicht auf einen Job. Schwarzes Loch statt Lebensaufgabe. Dabei war Jürgen K. voller Hoffnung: Nach zwei Jahren endlich nicht mehr arbeitslos – das Förderprogramm „JobPerspektive” hatte den 59-Jährigen aus dem Sumpf der gefühlten Nutzlosigkeit gezogen. Jetzt steckt er wieder drinnen, und zwar bis zum Hals.

Dortmund bundesweit an der Spitze

Runtergezogen hat ihn eine kleine Verordnung des Bundesarbeitsministeriums. Eine mit großen Folgen. Berlin drehte kurzerhand den Geldhahn für die „JobPerspektive” zu – jenes noch junge, im Sozialen Gesetzbuch II verankerte Förderinstrument, das Langzeitarbeitslosen eine sinnvolle sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ermöglicht, statt ihnen bis zum Rentenalter ihre Arbeitslosigkeit in Hartz IV-Sätzen auszuzahlen.

Dortmund machte bundesweit den besten Job im Perspektiv-Programm: absoluter Spitzenreiter bei den Förderzusagen! Keine andere kommunale JobCenterArge konnte 524 Betriebe für die Einstellung von Langzeitarbeitslosen gewinnen. „Sie nutzten die Chance, auf dem normalen Markt nicht mehr finanzierbare Helferstellen, die sie unter Wettbewerbsdruck streichen mussten, wieder einzurichten”, sagt Gunter Niermann, Vorstandsmitglied der Interessengemeinschaft sozialbetrieblicher Beschäftigungsinitiativen (ISB). Hauptanreiz für Arbeitgeber: die 75-prozentige Förderung.

"Erfolg wird bestraft"

Gegen den Bundestrend kamen in Dortmund allein im vorigen Jahr rund 1000 Langzeitarbeitlose vom Markt. Ende Dezember 2009 dann die schwarz-gelbe Hiobsbotschaft: neue Maßnahmen dürfen nicht bewilligt, laufende nicht verlängert werden. „Erfolg wird auf menschenunwürdige Art und Weise bestraft”, so Niermann.

Leidtragende sind Firmen wie die GrünBau GmbH. Der Dienstleister, ein sozialer Berufshilfebetrieb, hat 32 seiner 130 festangestellten Mitarbeiter aus der JobPerspektive bezogen. „Ab November 2007 haben wir sie eingestellt, als erster Betrieb in Dortmund”, sagt Michael Stober, Leiter des Sozialbetriebes. Der Stopp aus Berlin erschüttert ihn persönlich und die GrünBau. „Wir müssen den Betrieb jetzt komplett umstrukturieren. Wie, das wissen wir noch nicht.”

"Ich kann doch nicht den ganzen Tag putzen"

Hauptleidtragende aber sind die Menschen, die es trifft. Leute wie Jürgen K. Als Arbeitsloser fühlte er sich klein, „von der Arge gegängelt und sanktioniert. Da wird dir gesagt, wie und wo du zu wohnen hast.” Oder Dieter E. (56): arbeitslos seit 2000, nach einem Jahr beim Discounter rausgeflogen – „zu alt, zu langsam”. Oder Ludwig R., 51 und schwerbehindert, der „vorsorglich schon den Hartz IV-Antrag eingereicht” hat. Oder Reiner G. (58), der „im Sozialbetrieb Erfüllung und Spaß fand, bis wieder mal die Schwächsten ins Visier kamen”. Oder Marita J. (60), die gerne bis zur Rente in der Verwaltung säße. „Ich kann doch nicht den ganzen Tag putzen zu Hause.”

Sie und die anderen 1285 Dortmunder, die durch neue Arbeit neuen Mut schöpften, sie hoffen jetzt auf den Offenen Protest-Brief an Minister und Politiker aus Bund und Land. Und sie sammeln Unterschriften – für die „JobPerspektive”, gegen das Abstellgleis.

INFO

  • Ein Offener Brief an Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen, NRW-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann (beide CDU), die Bundesagentur für Arbeit, die Dortmunder Bundestags- und Landtagsabgeordneten sowie Multiplikatoren soll das Aus für die „JobPerspektive” verhindern.
  • Eine Unterschriftensammlung von Betroffenen soll dem Schreiben Nachdruck verleihen.
  • Die „JobPerspektive” war 2006 parteiübergreifend konkretisiert und ins SGB II aufgenommen worden, um Langzeitarbeitslosen zu helfen.


Quelle: WR vom 25.01.10

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