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Billig-Jobs graben Sozialkassen Einnahmen ab

Berichte von Financial Times Deutschland, 30.11.2004 und dpa, 29.11. 2004



Billig-Jobs graben Sozialkassen Einnahmen ab

Financial Times Deutschland, 30.11.2004
Quelle:   http://onwirtschaft.t-online.de/c/28/96/92/2896922.html

Die Reformen am Arbeitsmarkt entpuppen sich als Bedrohung für gut abgesicherte Vollzeitarbeitsplätze und als Risiko für die gesetzlichen Sozialkassen. Experten erwarten im kommenden Jahr über 200.000 weniger Vollzeitstellen.

215.000 Arbeitsplätze gehen verloren
Nach einer neuen Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg gehen im kommenden Jahr schätzungsweise 215.000 Vollzeitarbeitsplätze verloren. Zwar erwarten die Fachleute unter dem Strich einen Zuwachs von etwa 120.000 Jobs. Allerdings schüfen Arbeitgeber derzeit fast nur neue Mini- und Midijobs, für die geringere Steuern und Sozialbeiträge anfallen, heißt es in dem IAB-Kurzbericht.

Mehrere Teilzeitstellen statt Vollzeitstellen
Kündigungen von regulären Arbeitnehmern zu Gunsten von Minijobbern seien zwar noch nicht bekannt, sagte IAB-Experte Eugen Spitznagel. "Aber die Substitution von Vollzeitstellen durch Mini- und Midijobs kann auch im Rahmen der normalen Fluktuation in Betrieben entstehen", sagte Spitznagel. Neue Stellen, die früher als reguläre Vollzeitstellen ausgeschrieben worden wären, können nun auf mehrere Teilzeitstellen mit reduzierten Abgaben aufgeteilt werden.

Löcher in öffentlichen Haushalten werden größer
Für die Bundesregierung und die gesetzlichen Sozialsysteme ist die Analyse aus Nürnberg alarmierend. Angesichts des Abbaus von Vollzeitstellen muss sie mit neuen Löchern in den öffentlichen Haushalten und in den Kassen der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherer rechnen.

Rentenversicherer haben weniger Geld in der Kasse
Die Finanzkrise deutet sich schon in diesem Jahr an: Statt des prognostizierten Einnahmeplus registrierten die Rentenversicherer 2004 geringere Beitragszahlungen als 2003 - und dies trotz steigender Erwerbstätigenzahlen. Doch die neuen Beschäftigten und deren Arbeitgeber zahlen eben geringere oder gar keine Sozialabgeben mehr. Der Verband der Rentenversicherer (VDR) schätzt, dass den Kassen so bis zu 1,3 Mrd. Euro an Beiträgen entgangen sein könnten.

Regierung traf Regelung mit Opposition
Anfang 2003 hatte die rot-grüne Koalition die Mini- und Midijobs mit der Union gemeinsam beschlossen, um die hohe Arbeitslosigkeit in Deutschland aufzubrechen. Um die neuen Jobs für Arbeitgeber und Arbeitnehmer attraktiv zu machen, reduzierte sie die Steuern und Sozialabgaben für diese geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse.

Minijobber haben keine Abgaben
So zahlen Arbeitgeber, die einen Minijobber beschäftigen, auf das Gehalt von maximal 400 Euro im Monat eine pauschale Abgabe von 25 Prozent. Damit sind alle Steuern und Sozialbeiträge abgegolten. Die Minijobber selbst zahlen überhaupt keine Abgaben. Nach Berechnungen der Minijob-Zentrale sind seit April 2003 weit über eine Million Minijobs entstanden.

Gleitzone für Minijobs
Für Midijobber gilt eine so genannte Gleitzone. Zwischen 401 Euro und 800 Euro Monatsgehalt zahlen Arbeitgeber die regulären Abgaben, die Midijobber dagegen reduzierte Beiträge zur Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung.

Gefahr für die sozialen Sicherungssysteme
In seinem jüngsten Gutachten bezeichnete der Sachverständigenrat der Bundesregierung die Wirkung der neuen Jobs bereits als "ambivalent". "Der permanente Rückgang der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse in Deutschland ist alarmierend und eine Gefahr für die sozialen Sicherungssysteme, weil dadurch Einnahmen verloren gehen, die dringend benötigt werden", sagte am Montag Ratsmitglied Wolfgang Franz der "Welt".

Regierung rechnet für 2005 mit 200.000 neue Jobs
Offiziell geht die Regierung davon aus, dass 2005 rund 200.000 neue Jobs entstehen. Allerdings differenziert sie nicht, ob es sich dabei um Vollzeit- oder Teilzeitstellen, reguläre Beschäftigung oder Mini- und Midijobs handelt. Das IAB dagegen hat erstmals untersucht, wie sich die neuen Stellen im nächsten Jahr verteilen dürften. Danach werden 2005 weitere 130.000 Teilzeitstellen entstehen. Die meisten werden als Midijobs geschaffen. Aktuell geht das IAB davon aus, dass es schon etwa 600.000 Midijobber gibt. Zusätzlich dürften etwa 150.000 neue Minijobs entstehen. 55.000 Menschen dürften darüber hinaus ihr Glück in der Selbstständigkeit versuchen - ein Großteil davon Arbeitslose, die auf staatliche Zuschüsse Anspruch haben.

Substitutionsprozesse nicht zu unterschätzen
Die Einnahmeverluste für die öffentlichen Kassen setzen sich aus zwei Effekten zusammen: In manchen Branchen wurden regulär angestellte Arbeitnehmer gekündigt und durch günstigere Mini- und Midijobber ersetzt. In anderen Branchen verhinderten die neuen Arbeitsverhältnisse lediglich, dass zusätzlich reguläre Voll- und Teilzeitstellen geschaffen werden. Mit Blick auf den Jobabbau der vergangenen Jahre in der Baubranche etwa hält der Sachverständigenrat fest, dass "Substitutionsprozesse eine nicht zu unterschätzende Rolle spielen könnten".

Financial Times Deutschland, 30.11.2004




Immer weniger zahlen in Sozialversicherung ein

dpa, 29.11. 2004
Quelle:   http://onwirtschaft.t-online.de/c/28/84/52/2884528.html

Immer weniger Beschäftigte zahlen nach neuen Statistiken der Bundesagentur für Arbeit (BA) Beiträge in die Sozialversicherung ein. Die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungs-Verhältnisse erreicht dieses Jahr ein Rekordtief seit der Wiedervereinigung und wird 2005 noch weiter fallen, berichtet die Tageszeitung "Die Welt" unter Berufung auf das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der BA.

Zahl der Versicherten wird weiter sinken "Die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungs-Verhältnisse wird im kommenden Jahr im wesentlichen um 85.000 zurückgehen", sagte der zuständige Abteilungsleiter des Instituts, Eugen Spitznagel. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten liegt dieses Jahr bei rund 26,5 Millionen ein Minus von 6,5 Prozent gegenüber 1994 (28,3 Mio.).

Gefahr für die sozialen Sicherungssystem Der Wirtschaftsweise Wolfgang Franz sagte der "Welt": "Der permanente Rückgang der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungs-Verhältnisse in Deutschland ist alarmierend und eine Gefahr für die sozialen Sicherungssysteme, weil dadurch Einnahmen verloren gehen, die dringend benötigt werden. Wenn die Einnahmen zur Finanzierung der Sozialversicherung sinken, drohen höhere Beiträge für Arbeitnehmer und Arbeitgeber."

dpa, 29.11. 2004

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