Datenschutz beim Arbeitslosengeld II droht im Chaos zu versinken
- systematische Unverantwortlichkeit verhindert vernünftige Lösungen - Mit organisierter Unverantwortlichkeit wird der Versuch des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz Schleswig-Holstein quittiert, datenschutzkonforme Zustände bei den Arbeitsgemeinschaften (ARGEn) zu erreichen, die für die Leistungsgewährung und die Betreuung der Arbeitslosen zuständig sind: Bei gravierenden Verstößen verweisen die ARGEn gegenüber dem ULD als Landeskontrollbehörde auf die Zuständigkeit der Bundesanstalt für Arbeit (BA) als Bundesbehörde.
Diese Bundesbehörde und deren eingeschaltete Regionaldirektion Nord betrachten es seit Monaten nicht für erforderlich zu reagieren, z.B. auf einen ULD-Prüfbericht zur ARGE Lübeck zu antworten. Es entsteht so ein Kontrollvakuum: ARGEn, Kommunen und BA schieben die Schuld für Rechtsverstöße jeweils auf die Anderen. Zumeist landet der „Schwarze Peter“ bei der BA, die sich in Schweigen hüllt.
Der Leiter des ULD, Dr. Thilo Weichert, kommentiert: „Seit Monaten geben sich die Datenschutzbeauftragten alle erdenkliche Mühe, ein Mindestmaß an Datenschutz für die Arbeitslosengeld-II-Empfänger zu gewährleisten. Inzwischen machen die Beschwerden über Datenschutzverstöße bei ALG-II einen Hauptteil unserer Arbeit aus. Doch ´Niemand` bei den verantwortlichen Stellen ist verantwortlich und diese ´Niemands` sitzen das Thema aus. Kontrollen werden einfach mit dem Hinweis der Unzuständigkeit verweigert. Seit Monaten offensichtlich bestehende Missstände werden inzwischen sogar zugestanden, doch ´niemand` meint, etwas zu deren Beseitigung unternehmen zu müssen. Für meine Mitarbeiter mit jahrelanger Verwaltungserfahrung sind dies schon kafkaeske Zustände; wie sollen hier die Arbeitslosen erst zurecht kommen? Diese Groteske wird nun zum System gemacht, indem mit dem aktuellen ´Gesetz zur Fortentwicklung` von Hartz-IV die bisherige rechtswidrige Verantwortungslosigkeit zum gesetzlichen Regelzustand gemacht wird.“
Mit ihrer Kritik sehen sich die Datenschutzbeauftragten in kompetenter Gesellschaft: Im jüngst vorgestellten Abschlussbericht des Hartz-IV-Ombudsrats wird die unselbständige Organisation der Arbeitsgemeinschaften, so Ratsmitglied Kurt Biedenkopf (CDU) für „untauglich“ erklärt. Ratsmitglied Christine Bergmann (SPD) assistiert: „Wir brauchen hier klare Strukturen; es muss ein klares Weisungsrecht geben.“
Ein Schelm, der Böses denkt: Ein Schelm könnte den Eindruck haben, hier würden bürokratische Abläufe aufgebaut, um die Arbeitslosen daran zu hindern, ihre Rechte wahrzunehmen. Die aktuellen Verhältnisse führen tatsächlich dazu,
1. dass weiterhin übermäßig Daten erhoben werden,
2. dass weiterhin bundesweit kein wirksamer Schutz vor unberechtigtem Datenzugriff besteht,
3. dass Diskretion in den ARGEn vor Ort oft ein Fremdwort ist....
Selbst bei der nur eingeschränkt zugelassenen Prüfung in der ARGE Lübeck stellte das ULD bei 8 von 10 Vorgängen gravierende datenschutzrechtliche Mängel fest.
Weichert: „Wir wissen, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den ARGEn einen schweren Job zu erledigen haben. Durch den Aufbau bürokratischer Monster und das Verschieben von Verantwortung ist ihnen nicht geholfen. Es irritiert mich, dass die Regionaldirektion Nord der BA und deren Zentrale in Nürnberg durch eisernes Schweigen die ARGEn alleine lassen. Hilfreich wären einheitliche klare Arbeitshilfen, eine funktionierende datenschutzkonforme EDV und die Möglichkeit, vor Ort Verantwortung wirklich wahrnehmen zu können. Wir Datenschutzbeauftragten stehen mit konstruktiven Ratschlägen gerne zur Verfügung.“
Das bestehende Datenschutzdesaster beim Arbeitslosengeld II wurde schon mehrfach von den Datenschützern thematisiert:
26.05.2006: http://www.datenschutzzentrum.de/presse/20060526-arbeitssuchende.htm
28.03.2006: http://www.datenschutzzentrum.de/material/tb/tb28/kap04_5.htm#451
17.03.2006: http://www.lda.brandenburg.de/sixcms/detail.php?gsid=lbm1.c.337494.de&template=lda_entschl
28.10.2005: http://www.datenschutzzentrum.de/material/themen/presse/20051028-dsbk-alg2.htm
28.10.2005: http://www.datenschutzzentrum.de/material/themen/presse/20051028-dsbk-alg2-telefonbefragung.htm
Weitere Informationen erhalten Sie beim
Unabhängigen Landeszentrum für Datenschutz
Schleswig-Holstein
Holstenstraße 98 / 24103 Kiel
Telefon: 0431 988-1200 / Telefax: 0431 988-1223
Homepage: www.datenschutzzentrum.de
Quelle: Unabhängige Sozialberatung; Rottstr. 31; 44793 Bochum