Die Eingliederungsvereinbarung
Elisabeth Rosing berichtet über ihre Erlebnisse mit der ARGE im Rems-Murr-Kreis:
Vor kurzem habe ich eine so genannte „Eingliederungsvereinbarung“ mit der ARGE Rems-Murr-Kreis abschließen müssen, obwohl sie mich höchstpersönlich in eine orthopädische Klinik geschickt hat um einen Gesundheits-Check durchzuführen.
Das Ende vom Lied war, daß ich in die Warteliste für Operationen aufgenommen wurde. Diesen Beschluß hat die ARGE auch vom behandelnden Arzt in schriftlicher Form erhalten und nach einem Jahr schriftstellerischer Betätigung zeigen sich erste zarte Blüten.
Als aber im vergangenen Jahr mein Laptop kaputt gegangen ist, war von einer Hilfestellung seitens der ARGE nichts zu spüren. Ich mußte von meinem Hartz IV-Geld eine komplett neue Ausrüstung auf Ratenzahlung kaufen um weiter schreiben zu können. Daneben mußte ich auch noch die Gerichtskosten abstottern, mit dem ich durchgesetzt hatte, daß mein Ex mehr an Unterhalt für mich zahlen muß. Nutznießer davon ist einzig und allein die ARGE, welche für mich nun 218,00 Euro weniger aufbringen muß. Aber die Gerichtskosten die für diese Ersparnis sorgten durfte ich allein abstottern.
Ich wohne in einer Wohnung, die 10 qm zu viel an Wohnfläche aufweist, welche man einem arbeitslosen Single zugesteht. Folglich gingen von meinen 345,00 Euro Grundhungerlohn noch 9,00 Euro extra für das mehr an qm ab. Zum Glück ging das alte Laptop in einer segensreichen Zeit kaputt: Der Elektroladen stellte sein Programm um und bot beim Kauf von PC und Zubehör eine Ratenzahlung ohne Zinsaufschlag an. Eine Ratenzahlung von 27,00 Euro über 24 Monate war für mich noch gerade so aufzubringen. Hier mal eine Auflistung meiner Verpflichtungen:
Haben: 345,00 Euro
Miete extra: 9,00 Euro
Strom: 36,00 Euro
Internet: 45,00 Euro
Gerichtskosten: 75,00 Euro
PC-Ratenzahlung: 27,00 Euro
Endsumme: 153,00 Euro
Von der Habenssumme muß ich nicht nur Lebensmittel, Medikamente, Arztpraxisgebühr, Kleidung, Reparaturen, Versicherungen, Fahrkarten, Hygiene und „Kultur“ bezahlen. Davon muß ich genau so meinen Papierbedarf, Briefumschläge, Porto, Druckerpatronen (wovon eine stolze 30,00 Euro kostet) und andere Dinge des schriftstellerischen Bedarfs bezahlen. Zum Glück habe ich in diesem Jahr den zweiten Preis bei „The best german undergroundlyriks“ gewonnen der sich in Form eines großen Buchpaketes im Wert von 300,00 Euro darstellte. Wäre dieser Preis ausbezahlt worden so hätte ich diese „300,00 Euro“ als EINNAHME bei der ARGE melden müssen. So aber sind sie der hungernden „Kultur“ zugute gekommen.
Folgende Leistungen bietet mir die ARGE Rems-Murr in dieser „Eingliederungsvereinbarung“ an:
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Unterstützung bei der Arbeits- und Ausbildungssuche/-aufnahme
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Unterbreitung von Vermittlungsvorschlägen durch ARGE Rems-Murr-Kreis Waiblingen.
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Unterstützung der Bewerbungsbemühungen durch finanzielle Leistungen (UBV) nach Maßgabe des § 46 SGB III, nach vorherigem gesonderten Antrag...(mit maximal 260,00 Euro per anno, was aber dort nicht geschrieben steht.)
Sehen wir uns mal die Leistungen genauer an:
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Unterstützung bei der Arbeits- und Ausbildungssuche/-aufnahme
Als mein Laptop kaputt ging, war die ARGE keineswegs bereit, mich mit einem zinslosen Kredit o.ä. zu unterstützen, da ich an die Grenze meiner Zahlungsfähigkeit angekommen war, wie die obere Auflistung eindeutig belegt.
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Unterbreitung von Vermittlungsvorschlägen durch ARGE Rems-Murr-Kreis Waiblingen.
Bisher habe ich nur eine einzige Stelle als „Telefonistin“ angeboten bekommen, die jedoch leider schon vergeben war, als ich dort hin schrieb.
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Unterstützung der Bewerbungsbemühungen durch finanzielle Leistungen (UBV) nach Maßgabe des § 46 SGB III, nach vorherigem gesonderten Antrag...(mit maximal 260,00 Euro per anno, was aber dort nicht geschrieben steht.)
Da ich erst durch die Eingliederungsvereinbarung von diesen „finanziellen Leistungen erfahren habe, sind viele Belege und Bestätigungen an Ausschreibungen schon entsorgt und gelöscht worden. Trotzdem wurde mir eine Summe von 115,00 Euro zugesprochen. Jetzt habe ich noch meine Internet- Rechnungen und den Abzahlungsplan vom Computer nachgereicht. Ich bin mal gespannt was passiert!
In dieser Eingliederungsvereinbarung wird folgendes von mir erwartet:
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einen Aufenthalt außerhalb des zeit- und ortsnahen Bereiches vorher mit dem persönlichen Ansprechpartners abzustimmen, alle Möglichkeiten zu nutzen, um den eigenen Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln und Kräften zu bestreiten und an allen Maßnahmen zur Eingliederung mitzuwirken, insbesondere:
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Stellensuche/Erstellung von Bewerbungsunterlagen
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mindestens 1 Bewerbung pro Monat in den nächsten 12 Monaten, auch um:
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befristete Stellen, auch bei Zeitarbeitsfirmen
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Nutzung des Internets zur Stellensuche
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Nutzung der Gelben Seiten zur Stellungssuche
Sehen wir uns das auch mal genauer an:
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einen Aufenthalt außerhalb des zeit- und ortsnahen Bereiches vorher mit dem persönlichen Ansprechpartners abzustimmen
...völlig klar! Durch die großherzige Hartz IV Unterstützung bin ich auch mindestens zwei Mal im Monat global unterwegs um Urlaub zu machen!
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alle Möglichkeiten zu nutzen, um den eigenen Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln und Kräften zu bestreiten
... momentan drücke ich mich trotz großer Schmerzen alle zwei Tage in den Brombeerbüschen herum um die Beeren für den Winter einzukochen.
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Stellensuche/Erstellung von Bewerbungsunterlagen
Ich habe mich bis vor kurzem auch noch persönlich noch bei Verkaufsketten wie Aldi, Lidl, AlphaTecc u.s.w. vorgestellt.
Lebenslauf und persönliches Vorstellungsgespräch gingen auch wunderbar glatt aber dann kommt jedesmal die Krux des Personalfragebogens:
Haben Sie vor in nächster Zeit eine Kur zu beantragen?
Spätestens bei DIESER Frage die ich eigentlich ehrlich mit NEIN beantworten kann scheitert J E D E S Vorstellungsgespräch, da ich meinem zukünftigen Arbeitgeber offenbaren muß, daß ich auf der o.p.warteliste stehe.
Ich gehöre zu den wenigen Glücklichen, die auf der rechten Hüftseite schon drei Kunstgelenke ihr eigen nennen können.
Durch eine unerkannte Dysplasie, an der ich schon seit meiner Kindheit leide, hat sich mein Skelett dermaßen verschoben, daß es bei jeder Bewegung quietscht und rappelt.
Ich habe eine 23-jährige Ehe hinter mir, Kinder aufgezogen und einen Hausmeisterposten in dieser Zeit ausgefüllt. Zwei Mal wurde durch uns der gesamte Dachboden von alten Büromöbeln entrümpelt und als ich im Keller mal einen riesigen Karton Akten zur Seite schob habe ich mir einen Leistenbruch eingehandelt.
Daneben habe ich auch eine eigene Firma aufgebaut, welche sich auf behindete Kinder und ihre Fahrt zu schulischen Einrichtungen spezialisiert hatte.
Wenn man die Kinder täglich in den Bus hinein und hinaus heben muß, dann knirscht auch das Knochengerüst eines gesunden Menschen irgendwann. 23 Jahre Hausmeisterin und 14 Jahre Unternehmerin, dazu noch Mutter und in dieser Zeit keinen einzigen Urlaub.
Dadurch haben sich nun mal alle Gelenke mehr oder weniger pulverisiert.
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mindestens 1 Bewerbung pro Monat in den nächsten 12 Monaten, auch um:
Solange ich Zugang zum Internet habe ist die Teilnahme an verschiedenen Ausschreibungen auch kein Problem. Obwohl ich diese Eingliederungsvereinbarung erst Anfang diesen Monats unterschrieben habe und viele Teilnahme-Bestätigungen schon gelöscht sind, habe ich dieses Soll schon wieder bei weitem erfüllt.
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befristete Stellen, auch bei Zeitarbeitsfirmen
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Nutzung des Internets zur Stellensuche
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Nutzung der Gelben Seiten zur Stellungssuche
zu den restlichen Bedingungen schweige ich mich lieber aus.
Alles in allem gesehen ist diese Eingliederungsvereinbarung wieder einmal ein grandioser Schuß in den Ofen wenn man die Lebensumstände eines Hartz IV Empfängers mit berücksichtigt.
Dabei zähle ich mit einer Bewerbung pro Monat noch zu den Privilegierten. Andere müssen 5 oder mehr Bewerbungen nachweisen um in den vollen Genuß des Hartz IV Obolus zu kommen.
Wieder mal ein Schriftstück mehr von Väterchen Staat welches zwar meine Unterschrift trägt, allerdings noch weniger hilfreich als Toilettenpapier ist, mit dem man sich zumindest den Anus abwischen kann.
(Elisabeth Rosing)
Fortsetzung: Erlebnisse mit der ARGE Rems-Murr
Vor kurzem habe ich einen Antrag auf Bewerbungskosten bei der ARGE-Rems-Murr eingereicht. Nun habe ich den Bescheid bekommen, welchen ich hier originalgetreu wiedergebe:
Betreff: Bewerbungskosten, Ihr Schreiben v. 19.07.2007
Sehr geehrte Frau Rosing,
Bewerbungskosten werden mit 5.- Euro pro Bewerbung erstattet. Dieser Pauschalbetrag beinhaltet Kosten für Porto, Umschläge, Papier, Bewerbungsmappen usw. Telefonische Bewerbungen und Online-Bewerbungen werden nicht erstattet.
Es können keine zusätzlichen Kosten – weder für die Beschaffung eines PCs noch für die Internetbenutzung erstattet werden.....
....wenn das mal kein Widerspruch mit der EINGLIEDERUNGSVEREINBARUNG ist!
Wo lebt das Volk der ARGE eigentlich? Vor kurzem habe ich erst einen Beitrag im Fernsehen gesehen, bei der sich leitende Angestellte von großen Firmen zu Wort gemeldet hatten. Heutzutage gehen die Firmen mehr und mehr zu Online-Bewerbungen über, da diese dann schon mal praktischer Weise im PC vorhanden sind und bei einem Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses schnell und unkompliziert in eine Personalakte transferiert werden können. Die Unkosten einer Online-Verbindung bleiben trotzdem nur beim Arbeitssuchenden hängen. Hier stellt sich doch die Frage, ob der ARGE wirklich daran gelegen ist, daß ihre Klienten ALLE MITTEL zur Arbeitsaufnahme ausnützen, wie es in der EINGLIEDERUNGSVEREINBARUNG heißt.
Folglich habe ich diesen Bescheid nicht ohne Widerspruch geschluckt, den ich hier wiedergebe:
Arge-Rems-Murr-Kreis
Frau XXXXXXXXXXXXXXX
Thema: Widerspruch zu Ihrem Bescheid vom 25.07.2007
Sehr geehrte Frau XXXXXXXXXXXXXXXXXX,
im schriftstellerischen Bereich laufen BEWERBUNGEN zum großen Teil NUR über das Internet ab, wie nachfolgende Links belegen:
http://www.jokers.de/lounge/jokers-lyrik-preis/..G_Lyrik.Gedichte....8007322/2c09614065a24dfab44a8c8aba36ec34/
http://www.talisfrauen-world.net/
http://werkstattpreis.freiezeitart.net/
http://www.friedenslesung.de/pages/der_wettbewerbpag.html
http://www.literarischer-arbeitskreis-dorsten.de/Ausschreibung_Lyrikpreis_2008.pdf
Diese Bewerbungen nicht anzuerkennen ist schlicht und einfach ungerecht! Hier greife ich nur mal die erste Adresse von Jokers heraus:
Jokers stellt im Monat März jeden Jahres ein Einreichungsformular ins Internet, über dieses man seinen Beitrag einzureichen hat. Schriftliche Bewerbungen werden überhaupt nicht akzeptiert. Wenn die Ausschreibung beendet ist, wird auch das Formular gesperrt. So handhaben es viele, wie Sie oben nur als kleine Auswahl sehen können. Hiermit bitte ich um Chancengleichheit und Gerechtigkeit bezüglich meiner Bewerbungen.
gez.
Elisabeth Rosing
Mich beschleicht das Gefühl, daß die ARGE einen heimlichen Deal mit den Papierproduzenten und den Firmen für Bürobedarf eingegangen ist. Pro verkaufter Vorstellungsmappe, Briefkuvert, Papier und Kugelschreiber vergibt die ARGE diverse „Payback-Punkte“ die solche Firmen ab einer gewissen Höhe in „geldwerte Vorteile“ einlösen können.
So etwas nennt man dann „das Ankurbeln der Wirtschaft“.
Ausschreibungen und Firmen, welche ihre Bewerbungen nur elektronisch entgegen nehmen sind subversiv!
Da stellt sich einem doch die Frage, ob man diesen Leuten schon mal erklärt hat, daß ein PC nicht nur zum Spielen oder Surfen gemacht wurde. Es soll tatsächlich Leute geben die damit sogar ARBEITEN!
Im Zeitalter der elektronischen Post auf Bewerbungen mit Mappe und Papier zu bestehen gleicht einem Rückschritt, bei dem die Botschaften demnächst wieder getrommelt werden müssen!
Manchmal wünsche ich mir, daß ALLE Büro-Tarzans welche so gedankenlos an den Stammhirn-Lianen durch den Bürokraten-Dschungel schwingen, einmal mit Karacho an einen Eisenbaum donnern. Vielleicht hilft die Erschütterung beim Nachdenken!
(Elisabeth Rosing)