Ein-Euro-Jobs abschaffen!
Tariflich abgesicherte Arbeitsplätze statt Billigjobs & Zwangsarbeit
Hartz IV ist seit 1.1. 2005 in Kraft. Wie sieht die Bilanz bei den Ein-Euro-Jobs aus?
Wie zu erwarten war, ist die Arbeitslosigkeit im Vergleich zum Vorjahr nicht gesunken. Geschaffen wurden statt dessen bundesweit bisher etwa 250 000 Arbeitsgelegenheiten, die nicht mehr in der Arbeitslosenstatistik auftauchen.
Allein in Berlin arbeiten zurzeit etwa 21 000 Menschen unter diesen Bedingungen, ohne Rechte und ohne reguläre Entlohnung. Nach der in Berlin eingeführten Positiv-Liste reichen die Einsatzgebiete von Gymnastik-Angeboten für demenzkranke Menschen über zusätzliche Hilfen in Obdachlosenküchen bis zur Ersatzteilgewinnung aus ausgesonderten Wirtschaftsgütern.
Dem Gesetz nach müssen all diese Tätigkeiten zusätzlich sein, das heißt, sie dürfen keine regulären Arbeitsverhältnisse verdrängen. Zahlreiche Betriebs- und Personalräte berichten jedoch davon, dass genau dies passiert: ver.di klagt inzwischen in einigen dieser Fälle (siehe Verdi-Mitgliederzeitung publik, 6/2005, Seite 1).
Gibt es Alternativen?
Die übliche These lautet, für reguläre Beschäftigung im öffentlichen Dienst fehle das Geld. Wir sagen: Es fehlt nur der politische Wille.
Ein-Euro-Jobs sind nicht billig, im Gegenteil
Gestalten wir ein Finanzierungsbeispiel. Damit die Erwerbslose Maria Müller (ledig, in West-Deutschland) in einen Ein-Euro-Job gepresst werden kann, werden folgende Mittel aufgewendet:
- 300 Euro für Marias Wohnung
- 345 Euro werden ihr als Lebensunterhalt zuerkannt
- 500 Euro bekommt der Träger, damit er Maria Müller bei sich arbeiten lässt. (Davon muss er auch den einen Euro pro Stunde an Maria Müller bezahlen, den Rest kann er selbst verwenden.)
- 220 Euro werden für Marias Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung abgeführt.
- 1365 Euro gesamt
Damit haben wir einen Gesamtbetrag von 1 365 Euro, zu dem noch die Verwaltungs und Kontrollkosten hinzugerechnet werden müssen, die durch die Tätigkeit von Arbeitsagenturen und Sozialämtern entstehen. Wir können also getrost von einem Gesamtaufwand von etwa 1 500 Euro ausgehen, die für jede dieser rechtlosen Arbeitsgelegenheiten aufgewendet werden. Dabei ist die unbezahlte Arbeitskraft, die Maria Müller dem Träger, vielleicht einem Wohlfahrtsverband oder Verein, liefert, noch nicht eingerechnet. Für dieses Geld kann ein tariflich abgesicherter Teilzeit- Arbeitsplatz geschaffen werden. Es ist skandalös, dass hohe Pauschalbeträge in die Kassen der Träger von 1-Euro-Jobs fließen, während Erwerbslose dort rechtlos Arbeiten verrichten und auf diese Weise der Abbau regulärer Beschäftigungsverhältnisse in den Einrichtungen beschleunigt wird!
Rechtlosigkeit
Wenn Arbeitslose gezwungen werden, 30 Stunden pro Woche ohne tarifliche Absicherung zu arbeiten, dient das dem völligen Aufbrechen der Tarifstrukturen und der Einführung von Armutsjobs. Durch die Rechtlosigkeit erhält die erzwungene Arbeit zugleich den Charakter eines Arbeitsdienstes, der (wieder) gesellschaftsfähig gemacht wird. 1-Euro-Jobs sind für die Betroffenen entwürdigend, und sie entwerten systematisch die gesellschaftlich notwendige Arbeit in allen Bereichen, in denen diese Jobs eingesetzt werden: Die Staatsausgaben für die soziale und kulturelle Infrastruktur sinken auf ein Minimum, während diejenigen, die die notwendigen Aufgaben erfüllen, dies ohne jegliche Absicherung unter Zwang tun und statt tariflich verhandelter Gehälter eine Fürsorgeleistung beziehen.
Deshalb brauchen wir eine Erhöhung der Staatsausgaben in allen Bereichen der sozialen und kulturellen Infrastruktur statt rechtloser 1-Euro-Jobs.
In den letzten Jahren wurden die Steuern für Unternehmen und Großverdiener immer weiter gesenkt. Der Anteil der Steuern auf Gewinne und Vermögenseinkommen an allen Steuereinnahmen hat sich von 1978 bis 2003 von 28 auf 14 Prozent halbiert. Es wurde ein Steuerverzicht betrieben, der sich auf mindestens 25 Mrd. Euro pro Jahr beläuft. Diese Umverteilung von unten nach oben zugunsten großer privater Einkommen war eine politische Entscheidung. Die Senkung der Gewinnsteuern hat nicht etwa die Schaffung neuer Arbeitsplätze zur Folge gehabt. Im Gegenteil, die Steuereinsparungen wurden an Aktionäre ausgeschüttet und/oder erneut profitabel auf den Finanzmärkten angelegt.
Schluss mit dem Steuerverzicht! Keine Senkung der Gewinnsteuern.
Ein-Euro-Jobs sind ein Angriff auf alle abhängig Beschäftigten
Die Ein-Euro-Jobs zerstören die Tarifstrukturen und führen dazu, dass reguläre Arbeitsverhältnisse abgebaut werden. Sie setzen die Beschäftigten unter Druck, unter immer schlechteren Arbeitsbedingungen zu arbeiten. Die Drohung mit Hartz IV dient auch dazu, kritische KollegInnen einzuschüchtern.
Ein-Euro-Jobber dürfen nicht streiken und sind maximal 9 Monate im Betrieb. Sie erschweren auch von daher die gewerkschaftliche Gegenwehr und den Zusammenhalt der KollegInnen.
Wir fordern:
- Abschaffung aller Ein-Euro-Jobs. Die Forderung der Gewerkschaften muss sein, Ein-Euro-Jobs in reguläre, tariflich bezahlt und abgesicherte Arbeitsplätze umzuwandeln.
- Weg mit Hartz IV und Agenda 2010.
- Investitionsprogramm in allen Bereichen der sozialen Infrastruktur, wie Bildung, Gesundheit, Erziehung und Kulturarbeit, finanziert zu Lasten der Profite der Banken, Konzerne und Superreichen.
- Mindestlohn von 1500 Euro im Monat beziehungsweise 10 Euro pro Stunde Arbeitszeitverkürzung zur Verteilung der vorhandenen Arbeit auf alle:
- 30-Stunden-Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich
Quelle: www.netzwerk-verdi.de