Öffentlich geförderte Beschäftigung / Ein-Euro-Jobs - Gemeinsame Erklärung der Bundesagentur für Arbeit, des Städtetages, des Landkreistages, des Städte- und Gemeindebunds sowie der in der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege zusammenarbeitenden Spitzenverbände
"Zur Gestaltung der öffentlich geförderten Beschäftigung im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II)"
Aus: Presseinformation der Bundesagentur für Arbeit vom 14. Oktober 2004
Gemeinsame Erklärung der Bundesagentur für Arbeit, des Deutschen Städtetages, des Deutschen Landkreistages, des Deutschen Städte- und Gemeindebunds sowie der in der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege zusammenarbeitenden Spitzenverbände zur Gestaltung der öffentlich geförderten Beschäftigung im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II)
1. Ziele der gemeinsamen Erklärung
1.1 Gegenstand der Erklärung
Die gemeinsame Erklärung der Bundesagentur für Arbeit, des Deutschen Landkreistages, des Deutschen Städtetages, des Deutschen Städte- und Gemeindebundes sowie der in der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege zusammenarbeitenden Spitzenverbände zielt auf die künftige Gestaltung der öffentlich geförderten Beschäftigung im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Sozialgesetzbuch II (SGB II).
Unter dem Begriff der "öffentlich geförderten Beschäftigung" werden die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen nach dem Sozialgesetzbuch III (SGB III) und die Arbeitsgelegenheiten nach § 16 SGB II verstanden. Der Fokus dieser Erklärung liegt auf Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung, die zusätzlich sind, im öffentlichen Interesse liegen und kein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis begründen. Bei diesem als "Zusatzjob" bezeichneten Instrument wird das Arbeitslosengeld II weitergezahlt einschließlich der Beiträge zur Sozialversicherung; die Zusatzjobs dienen der (Wieder-)Eingliederung von Hilfebeziehern in das Erwerbsleben.
Wenn im Folgenden Empfehlungen für die Ausformung der Zusatzjobs aufgeführt werden, wird dies explizit benannt. Ist von "öffentlich geförderter Beschäftigung" die Rede, sind alle oben genannten möglichen Ausgestaltungsformen gemeint.
1.2 Ziele der Erklärung
Die Erklärung hat das Ziel, die Bedeutung der öffentlich geförderten Beschäftigung als eines der zentralen Instrumente für die Integration von erwerbsfähigen Hilfeempfängern in den allgemeinen Arbeitsmarkt zu unterstreichen.
Neben diesem vorrangigen Ziel der Integration in den Arbeitsmarkt dient die öffentlich geförderte Beschäftigung der Teilhabe und Integration arbeitsloser Menschen in die Gesellschaft. Sie kann durch ihre zusätzlichen Tätigkeiten zum gesellschaftlichen Gemeinwohl beitragen.
Weiterhin sollen die SGB II-Träger und die Beteiligten des örtlichen Arbeitsmarktes Orientierungshilfen in den grundlegenden Fragen der Umsetzung erhalten. Ziel der Orientierungshilfen ist die bessere Vernetzung der sozialen Hilfen und der öffentlich geförderten Beschäftigung, die beide demselben Ziel dienen, nämlich der Eingliederung erwerbsfähiger Arbeitsuchender in den allgemeinen Arbeitsmarkt. Die notwendige Vernetzung der sozialen Hilfen und der Beschäftigungsmaßnahmen erfolgt zum einen durch den Fallmanager unter Nutzung des Instrumentes der Eingliederungsvereinbarung. Zum anderen sollen die entsprechenden infrastrukturellen Voraussetzungen für ein bedarfsgerechtes Angebot dieser Hilfen und ihrer Vernetzung mit Beschäftigung genutzt und geschaffen werden.
Die gemeinsame Erklärung hat darüber hinaus das Ziel, die Bedeutung gemeinsamer Qualitätsstandards für die gemeinnützige Beschäftigung zu betonen. Ziel ist es, das Instrument der öffentlich geförderten Beschäftigung mittels Qualitätsstandards bundesweit wirkungsvoll zu nutzen, nicht, es allen Orts in gleicher Weise auszugestalten.
2. Zielsetzung der Zusatzjobs
Vorrangiges Ziel der öffentlich geförderten Beschäftigung ist die Integration in den allgemeinen Arbeitsmarkt. Das SGB II sieht vor, dass für erwerbsfähige Hilfeempfänger, die zur Zeit keine Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt finden können, Arbeitsgelegenheiten geschaffen werden sollen. Die Zusatzjobs als eine Form dieser Arbeitsgelegenheiten können als Ausdruck des Grundsatzes von "Fördern und Fordern" unterschiedliche Funktionen für verschiedene Hilfeempfänger haben.
Ziel kann es darüber hinaus sein, die Erwerbsfähigkeit aufrecht zu erhalten bzw. (wieder) zu erlangen. Auch sollen mittels dieses Instrumentes Qualifikationen vermittelt werden, die die Integrationschancen in den Arbeitsmarkt verbessern. Die Qualifizierung in enger Verknüpfung mit der Beschäftigung sollte an den individuellen Fähigkeiten des einzelnen ansetzen und das Integrationsziel der Eingliederungsvereinbarung konkret unterstützen.
Zusatzjobs können ferner der zumutbare Mitwirkungsbeitrag des Hilfeempfängers auf dem Weg zur Verringerung seiner Hilfebedürftigkeit sein.
3. Fördervoraussetzungen der Zusatzjobs
3.1 Zusätzlichkeit und öffentliches Interesse
Zusatzjobs dürfen keine regulären Beschäftigungsverhältnisse verdrängen oder die Neueinrichtung verhindern (Zusätzlichkeit). Sie müssen im öffentlichen Interesse liegen.
Die Ausfüllung der Begriffe Zusätzlichkeit und öffentliches Interesse erfolgt durch die lokale Ebene und im Konsens der beteiligten Akteure (Agenturen, Kommunen, Wohlfahrtspflege, Vertreter der Arbeitgeber und Arbeitnehmer).
Die Beteiligung der Vertreter der Arbeitsmarkt und Sozialpolitik ist dringend zu empfehlen. Dies kann durch Beiräte bei den Arbeitsgemeinschaften bzw. den kommunalen Trägern oder durch vergleichbare Beteiligungsformen erreicht werden.
Aufgabe dieser Beteiligung ist es, den Dialog über die lokale Arbeitsmarktpolitik zu führen, die Prozesse zur öffentlichen Beschäftigung zu begleiten und zu bewerten, sowie insbesondere einen Konsens über das Verständnis von "Zusätzlichkeit" und "öffentlichem Interesse" herzustellen.
Um Transparenz über die unterschiedlichen Herangehensweisen herzustellen und dazu eine Erfolgskontrolle zu ermöglichen, wäre es sinnvoll, regelmäßig über die "Öffentlich geförderte Beschäftigung" für die jeweilige Region zu berichten.
3.2 Welche Träger können Zusatzjobs anbieten?
Grundsätzlich gibt es nach dem SGB II keine Einschränkungen für die Qualifizierung als "Träger" von Zusatzjobs. Es ist offenkundig, dass öffentliche und freie Träger bzw. ihre Beschäftigungsgesellschaften prädestiniert sind, Zusatzjobs anzubieten.
Soweit bei anderen, auch privaten Trägern, das öffentliche Interesse gegeben ist, kommen sie auch als Beschäftigungsträger in Frage. Es ist aber sicherzustellen, dass das Ergebnis der Förderung von Zusatzjobs dem Gemeinwohl und nicht den Interessen Einzelner zugute kommt.
3.3 Höhe und Dauer der Förderung
Die Ausgestaltung der Zusatzjobs ist auf die individuellen Erfordernisse des Hilfeempfängers abzustimmen. Daher sollen keine zentralen Vorgaben den Handlungsspielraum der lokalen Ebene einschränken. Ebenso verbieten sich schematische und generelle Festlegungen, um das Ziel eines jederzeit möglichen Überwechselns in den allgemeinen Arbeitsmarkt nicht zu beeinträchtigen. Allerdings ist klar, dass Arbeitsuchende nicht dauerhaft in Zusatzjobs beschäftigt werden sollen.
Auch über die Angemessenheit der Höhe der Mehraufwandsentschädigung ist letztendlich auf lokaler Ebene zu entscheiden. Die Dauer und Höhe der Förderung ist auf die individuellen Erfordernisse und die Eingliederungsvereinbarung des Hilfeempfängers abzustimmen und lokal festzulegen. Die Möglichkeit zu Eigenbemühungen bei der Suche nach Ausbildung oder Arbeit darf durch die Anzahl der zu leistenden Wochenstunden nicht beeinträchtigt werden.
Die Finanzierung der Trägerkosten bei Zusatzjobs ist gesetzlich nicht festgelegt und daher ebenfalls im Rahmen von lokaler Gestaltungsfreiheit festzulegen. Neben den Kosten für die Mehraufwandsentschädigung sind auch die Kosten des Trägers für Qualifizierung, Anleitung und Betreuung des Hilfebedürftigen bei der Bemessung des Förderbetrages angemessen zu berücksichtigen.
Bei der Förderdauer können sowohl lokale Besonderheiten wie die Lage auf dem Arbeitsmarkt als auch Besonderheiten bei dem Personenkreis der zu fördernden Hilfebezieher berücksichtigt werden. Im Hinblick auf das Fehlen gesetzlicher Begrenzungen sind daher z.B. längere Förderzeiträume bei älteren Langzeitarbeitslosen in strukturschwachen Regionen vorstellbar.
3.4 Motivation für soziale Dienstleistungen fördern
Der soziale Dienstleistungssektor erfordert in besonderem Maße eine positive Grundeinstellung und Motivation der im Rahmen von Zusatzjobs Tätigen. Es gilt, die Motivation und Mitwirkungsbereitschaft des Hilfeempfängers zu erhöhen und die für die jeweiligen Arbeitsfelder geeigneten Kandidaten auszuwählen. Der Kompetenz des Fallmanagers kommt deshalb besondere Bedeutung zu, den Auswahlprozess des Hilfeempfängers unterstützend zu begleiten.
Daher bietet es sich für Zusatzjobs in diesem Aufgabenfeld regelmäßig an, die Motivation des Hilfebeziehers bereits im Vorfeld zum Beispiel in einem intensiven Beratungsgespräch, in einem Praktikum oder einer vorgeschalteten Maßnahme einzuschätzen oder durch die Wahlmöglichkeit aus einer Auswahl von verschiedenen Zusatzjobs sicherzustellen und nach Möglichkeit auch einen Wechsel in einen anderen Zusatzjob zuzulassen. Ebenfalls ist es sinnvoll, Direktbewerbungen der Hilfeempfänger bei den Trägern zu unterstützen sowie "Schnupper-Kontakte" zu ermöglichen. Erfahrungsgemäß erhöhen Freiwilligkeit und Wahlmöglichkeit die Motivation gerade für soziale Dienste.
Dies ist nicht nur für die Hilfeempfänger selbst wichtig, sondern auch für die Einrichtungen, die Arbeitsgelegenheiten anbieten. Daher hat die entsprechende Einrichtung die Möglichkeit, Kandidaten für die von ihr angebotenen Arbeitsgelegenheiten anzunehmen oder abzulehnen.
4. Die lokale Eigenverantwortung sichert die Zielgenauigkeit der Maßnahmen
Die öffentlich geförderte Beschäftigung bei der Aufgabenwahrnehmung nach dem SGB II soll nicht schematisch oder nach zentralen Vorgaben umgesetzt werden. Die lokale Ebene hat die entscheidende Bedeutung bei der konkreten Ausgestaltung der Maßnahmen.
Über Art, Umfang und Inhalt der Zusatzjobs und die Förderbedingungen entscheiden die vor Ort verantwortlichen Arbeitsgemeinschaften, kommunalen Träger und Arbeitsagenturen in eigener Verantwortung und unter Berücksichtigung ihrer durch das Gesetz bewusst weit ausgestalteten Handlungsfreiräume (s. auch 3.1).
Die Erfordernisse vor Ort, der Mix vielfältiger Ansätze sind bei der Nutzung der öffentlich geförderten Beschäftigung zu berücksichtigen. Insbesondere sollte das Instrument der Arbeitsgelegenheiten auf die spezifischen Ansprüche unterschiedlicher Zielgruppen abgestimmt werden. Zentrale Frage ist hierbei, welche Wirkungen mit den Maßnahmen für die jeweilige Zielgruppe erreicht werden soll.
Von besonderer Bedeutung ist die Integration der unter 25-Jährigen in den allgemeinen Arbeitsmarkt. Bei der Ausgestaltung des Instrumentariums der öffentlich geförderten Beschäftigung für diese Zielgruppe ist zu berücksichtigen, dass die Jugendlichen vorrangig an eine Ausbildung herangeführt werden sollen. Wenn Jugendliche ohne Berufsabschluss nicht in eine Ausbildung, Qualifizierung oder Arbeit vermittelt werden können, ist die öffentliche Beschäftigung so zu gestalten, dass sie auch zur Verbesserung der Kenntnisse und Fähigkeiten des jeweiligen Jugendlichen beiträgt, die für das Berufsleben von Nutzen sind.
5. Zusammenarbeit der Akteure bei der Durchführung der Maßnahmen
5.1 Den Dialog stärken
Appelliert wird an alle beteiligten Akteure auf lokaler Ebene, intensiv das Gespräch miteinander zu suchen. Dazu können Möglichkeiten wie zum Beispiel Konsensrunden oder Beiräte genutzt bzw. installiert werden.
5.2 Infrastruktur sichern und entwickeln
So weit wie möglich ist Planungssicherheit für die Träger der Maßnahmen öffentlich geförderter Beschäftigung zu schaffen. Ziel ist es, Dienste und Strukturen zu erhalten und zu entwickeln, die für die Umsetzung des SGB II vor Ort gebraucht werden.
6. Weiterentwicklung und Innovation
Das SGB II ist ein neues Gesetz, dessen praktische Umsetzung noch viele Erfahrungen und Erkenntnisse mit sich bringen wird. Die Bundesagentur für Arbeit, die kommunalen Spitzenverbände und die Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege setzen sich dafür ein, dass die Erfahrungen aus der praktischen Umsetzung ausgewertet, verglichen, analysiert und Erkenntnisse fachlich weiter entwickelt werden - best practice und erfolgreiche Innovationen müssen bundesweit als Ansporn für eine qualitativ gute und wirkungsvolle Nutzung öffentlicher Beschäftigung gelten.
Der mit dieser gemeinsamen Erklärung zur Gestaltung der öffentlichen Beschäftigung begonnene Dialog zwischen Bundesagentur für Arbeit, Kommunalen Spitzenverbänden und Spitzenverbänden der Freien Wohlfahrtspflege wird im Rahmen der Zusammenarbeit zur Umsetzung des SGB II fortgesetzt.