Mißbrauch von Ein-Euro-Jobs
Sozialgericht Hamburg hob illegale Zuweisung einer »Arbeitsgelegenheit« auf
Erstmals hat sich in Hamburg ein Erwerbsloser erfolgreich aus einem Ein-Euro-Job herausgeklagt. In einem vor der 53. Kammer des Sozialgerichts Hamburg anhängigen Verfahren war streitig, ob der Kläger verpflichtet sei, an einer ihm von der Hamburger Arbeitsgemeinschaft zur Umsetzung des SGB II (ARGE) zugewiesenen »Arbeitsgelegenheit« bei der GRONE-Schule teilzunehmen. In dem Verfahren wollte das Gericht nun von der ARGE wissen, welche individuell auf den Kläger bezogenen Ziele damit verfolgt werden, was die ARGE aber nicht beantworten konnte. Um einer Verurteilung aus dem Weg zu gehen, hob sie die Zuweisung ersatzlos auf. Dennoch stellte das Gericht in einer gestern veröffentlichten Pressemitteilung klar: Die Praxis der ARGE, im Massenverfahren Zuweisungen für Ein-Euro-Jobs zu erteilen, ohne daß individuelle Eingliederungskonzepte ausgearbeitet sind, sei rechtlich nicht haltbar. Die Sache hat Brisanz, denn eine weitere Kammer des Sozialgerichts hatte bereits verfügt, daß die Nichtannahme eines Ein-Euro-Jobs ohne Sanktionen bleiben müsse, wenn Zuweisungen fehlerhaft sind. Dies sei auch dann der Fall, wenn Arbeitsinhalte nicht konkret benannt werden, sondern diese dem Beschäftigungsträger überlassen bleiben.
Damit ist aber die gesamte Zuweisungspraxis der Hamburger ARGE in Frage gestellt, die auf Anfrage von jW schon im September eingestehen mußte, daß Zuweisungen in der Regel ohne Fallmanagement oder Eingliederungsvereinbarungen erfolgen. Wirtschaftssenator Gunnar Uldall (CDU) gab in diesem Zusammenhang an, daß bei Verweigerung eines Ein-Euro-Jobs, Sanktionen bislang nicht greifen könnten, weil die ARGE-Software fehlerhaft sei und eine Bearbeitung nicht zulasse. Gegenüber junge Welt bezweifeln Rechtsanwälte nun den Wahrheitsgehalt dieser Aussage: Wirtschaftsbehörde und ARGE hätten sehr genau gewußt, daß ihre Zuweisungspraxis rechtswidrig ist, weshalb man vielfach von Kürzungen beim Arbeitslosengeld II abgesehen habe, wenn Erwerbslose die Annahme von Ein-Euro-Jobs verweigerten. Hamburgs DGB-Chef Erhard Pumm forderte Erwerbslose nun dazu auf, sich mit Widersprüchen offensiv gegen solche Zuweisungspraxis zur Wehr zu setzen.
Rechtliche Zweifel sind nach junge Welt vorliegenden Informationen aber nicht nur an der Zuweisungspraxis angebracht, sondern auch an der Maßnahmestruktur selbst, wie sie Träger der Ein-Euro-Jobs vorhalten. So hatte jW schon vor Monaten darauf hingewiesen, daß die GRONE-Schule Jobkontingente hält, ohne im ausreichenden Ausmaß tatsächliche Arbeits- oder Qualifizierungsangebote bereitzustellen. Für Erwerbslose eine unerträgliche Situation, die morgens zum »Abhaken« erscheinen müssen und dann den ganzen Tag darauf warten, daß dieser mit Nichtstun vorbeigeht, während gleichzeitig der Träger millionenschwere Zuschüsse für sein Jobkontingent erhält. Seinerzeit hatte die Wirtschaftsbehörde die Prüfung der GRONE-Schule zugesagt, was aber offenbar nicht geschehen ist, denn der gerade vor Gericht verhandelte Fall betrifft genau eine solche Maßnahme. Gegenüber junge Welt bestätigte aber auch Claus-Dieter Loets, Vizepräsident des Sozialgerichts, daß Ein-Euro-Jobs nach dem Sozialgesetzbuch an tatsächliche Arbeit gebunden sind. Mitarbeiter der grünen Bürgerschaftsfraktion kündigten inzwischen an, solche Fälle offensichtlichen Mißbrauchs nun auch parlamentarisch zur Sprache zu bringen. Andreas Grünwald
Quelle: Junge Welt vom 02.12.2005